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FUNDGRUBE/107: Die Enttarnung des "guten Zeichners" und anderes (SB)


Vermischte Fundstücke und Kuriositäten aus der Welt der Comics


Wie der "gute Zeichner" einen Namen bekam

Ein nicht geringer Teil von Walt Disneys Ruhm, das ist heute allgemein bekannt, geht auf den Umstand zurück, daß die Disney-Studios jahrzehntelang die Namen ihrer kreativen Mitarbeiter verschwiegen. Um endlich herauszubekommen, um wen es sich bei dem unter Insidern als "der gute Zeichner" bekannten Angestellten handelte, der die Abenteuer von Donald Duck und seinen Freunden auf so unnachahmlich gelungene Weise zu gestalten pflegte, ersann der 16jährige John Spicer 1960 eine List: Er gab sich als Lehrer aus, der einige Geschichten des "guten Zeichners" im Unterricht durchnehmen wollte und vorher mit dem Künstler noch verschiedene Einzelheiten abklären wollte. Der Disney-Konzern fiel tatsächlich auf diese Finte herein und gab Namen und Adresse von Carl Barks preis. Im April 1960 schrieb John Spicer ihm, erhielt aber lange Zeit keine Antwort. Barks wollte einfach nicht glauben, daß sich jemand für ihn interessierte und vermutete, daß man ihm einen Streich spielen wollte. Schließlich entschloß er sich aber doch zu antworten und bedachte "Sir Fan" am Ende seines Briefes mit den besten Wünschen.

Zwar hüteten John Spicer und sein Bruder Bill, der ebenfalls an dieser Aktion beteiligt gewesen war, ihr Wissen wie einen kostbaren Schatz, doch "irgendwie" sprach es sich im dann doch herum, wie jener "gute Zeichner" hieß. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine regelrechte Fan-Kultur, aus der auch so kuriose Ableger wie die Donaldisten entsprangen, die sich der selbstgestellten Aufgabe widmen, aus den Geschichten von Carl Barks alles herauszufiltern, was als Hinweis auf ein parallel zu unserer Welt existierendes "Duckoversum" gelten kann. Der im Jahr 2000 verstorbene Carl Barks fühlte sich von dem stetig wachsenden Ruhm zwar geschmeichelt, doch bewahrte er stets Gelassenheit und sah den Rummel, den man nach 30 Jahren anonymen Schaffens um ihn machte, mit ironischer Distanz.


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Kennen Sie Klaus Kent?

Kennen Sie Klaus Kent? Nein? Ist Ihnen dann vielleicht Karl Kent ein Begriff? Auch nicht? Nun, dann gehören Sie wohl nicht zu den deutschen Superman-Lesern der ersten Stunde - denn die erlebten die Abenteuer des "Stählernen" noch mit einem Zeitungsreporter namens Karl Kent, der von Zeit zu Zeit sein Heldenkostüm anzog, um seine Kräfte zum Wohle der Menschheit einzusetzen.

Von November bis Dezember 1950 veröffentlichte der Stuttgarter Verlag "Supermann" drei Hefte mit dem Titel "Supermann - Phantastische Abenteuer des Unbesiegbaren", in denen jedoch auch noch Abenteuer anderer Helden erschienen. Dies waren die ersten Deutschland-Auftritte des in seiner Heimat Amerika schon sehr populären Helden, die er noch in schwarz/weiß absolvieren mußte. Damals meinte man, die Namen der Charaktere den deutschen Sprachgepflogenheiten anpassen zu müssen: So wurde Clark Kent zu Klaus Kent, Lois Lane nannte sich Luise Lang, Perry White hieß folgerichtig Peter Weiß und der Daily Planet erhielt den Namen "Tages-Weltpresse".

1953 setzte der Aller-Verlag aus Hamburg die Abenteuer von Superman in Deutschland fort. "Supermann" (ganz deutsch mit zwei "n") trat dort in den Ausgaben 42-47/1953, 1-14 und 16/1954 der zweiwöchentlich erscheinenden Heftchen-Serie "Buntes Allerlei" auf, war jedoch auch hier nicht der alleinige Held. Der Zeitabstand der erstmalig farbigen deutschen Superman-Stories zu den US-Originalen war sehr gering. Das im September 1953 erschienene "Bunte Allerlei" Nr. 42 präsentierte beispielsweise eine Geschichte aus "US-Action Comics" Nr. 181 vom Juni 1953. Auch in diesen Stories war die "Eindeutschung" noch gang und gäbe: Doch statt Klaus trat nun Karl Kent auf den Plan, Lois, die sich nun Linda nannte, durfte immerhin ihren amerikanischen Nachnamen behalten, Metropolis hieß schlicht "Weltstadt" und der Daily Planet nannte sich ganz unspektakulär "Abendzeitung".

Erst ab dem dritten Anlauf der Superman-Veröffentlichungen in Deutschland, der 1966 vom Ehapa Verlag gestartet wurde, durfte Kent seinen "richtigen" Namen behalten. 22 Jahre lang konnten die deutschen Leser Supermans (nun mit nur einem "n") alias Clark Kents Abenteuer verfolgen - diesen Namen erhielt er von seinen Schöpfern Jerry Siegel und Joe Shuster übrigens nach dem damals sehr bekannten Schauspieler Clark Gable.

Damals wie heute, ob als Klaus, Karl oder Clark Kent, spielt Supermans Alltagspersönlichkeit ihre Rolle so überzeugend, daß seine Brille als Tarnung reicht: Abgesehen von den wenigen Eingeweihten (und einigen Millionen Comic-Lesern) weiß niemand, daß Superman überhaupt eine zweite Identität besitzt ...

13. August 2007