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HINTERGRUND/010: Donald Duck - Erfolgsgeschichte eines Verlierers (SB)


Charakterstarker Loser


Der berühmteste "Underduck" der Welt wurde am 9. Juni 1934 "geboren". Auch wenn sich erste Hinweise auf seine Existenz schon früher finden, gibt sein Schöpfer Walt Disney dieses Datum - den Tag, an dem Donald Duck, damals noch intern in den Disney-Studios, zum allerersten Mal in einem Film über die Leinwand flimmerte - als offizielles Geburtsdatum an.

Wer nun letztendlich die Idee zu Donald Duck hatte und wann tatsächlich zum erstenmal eine Ente dieses Namens gezeichnet wurde, wann also im übertragenen Sinne sein Ei gelegt wurde, bleibt im Dunkel der Comic-Geschichte verborgen. Namentlich erwähnt wurde Donald zum ersten Mal 1931 in dem ersten Micky-Maus-Buch "Adventures of Mickey Mouse". In diesem Kinderbuch zählt er zu den Bewohnern eines Bauernhofes, auf dem Mickey lebt ("Micky hatte viele Freunde in der alten Scheune... Henry Horse und Carolyn Cow und Patricia Pig und Donald Duck.")

Seine Stimme fand Donald ebenfalls schon eher, 1933. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muß es schon ganz konkrete Pläne gegeben haben, eine Ente trickfilmreif zu machen, denn als der Milchmann und Tierstimmenimitator Clarence Nash eines schönen Tages bei den Disney-Studios vorsprach, erregte er mit einer in Ziegenstimme vorgetragenen Rezitation des Gedichtes "Mary Had a Little Lamb" ziemliches Aufsehen. Regisseur Wilfred Jackson, den das recht beachtliche Tierstimmenrepertoire des 29jährigen bis dahin nicht allzu sehr begeistert hatte, schaltete bei diesem Gedicht die Sprechanlage zu Disneys Büro ein. Dieser kam hereingerannt, hörte Nash noch eine Weile lang zu und rief dann aufgeregt: "Stop, stop: Das ist unsere sprechende Ente!"

Donalds Rolle in seinem ersten Film war eher klein. In dem unter der Regie von Bert Gillett entstandenen achtminütigen Streifen "The Wise little Hen" ("Die kluge kleine Henne") täuschen Donald und sein Freund Peter Pig Unpäßlichkeit vor, als sie einer Henne beim Anpflanzen von Mais helfen sollten; hinterher wollen sie jedoch gerne mitessen. Mit Hilfe einer Portion Rizinusöl legt die kluge kleine Henne die beiden Schlawiner herein. In diesem Film hatte Donald nur einen einzigen Satz zu sprechen ("Who? Me? Oh, no, I've got a belly-ache" - "Wer? Ich? O nein, ich hab' Bauchweh!"), doch schon in seinem zweiten, ebenfalls 1934 entstandenen Film "Orphans Benefit", in dem Micky eine Theatervorstellung für Mäusewaisenkinder organisiert, absolviert er seinen großen Auftritt als Gedichtrezitator mit "Mary Had a Little Lamb". Da sein Vortrag jedoch nicht sonderlich gut ankommt, und die Kinder seinen Auftritt mit allerlei Faxen und Gemeinheiten stören, platzt ihm schließlich der Kragen und eine wüste Schlacht entbrennt - Donald ist in seinem Element.

Am 16. September 1934 hatte Donald, der damals mit langem Schnabel und langem Hals noch ganz anders aussah, als wir ihn heute kennen, schließlich auch seinen ersten Zeitungs-Auftritt. An diesem Tag erschien die erste Seite einer Adaption des Films "The Wise Little Hen" in den Sonntagsbeilagen amerikanischer Zeitungen. Wie schon in seinen ersten beiden Filmen entwickelte sich Donald auch auf diesen "Silly Symphonies" genannten Comicseiten, auf denen Figuren aus Disney-Zeichentrickfilmen der gleichnamigen Film-Reihe auftraten, im Handumdrehen zur beliebtesten Figur. Am 30.8.1936 prangte sein Name sogar schon größer als der eigentliche Titel auf der Sonntagsseite: "Silly Symphony featuring DONALD DUCK". Ab 1937 beherrschte er praktisch den gesamten Strip.

Daß der jähzornige, sture und cholerische Erpel mit seinem ausgeprägten Hang zu Boshaftigkeit beim Publikum so beliebt wurde, lag zu einem nicht geringen Teil sicherlich daran, daß Donald einen willkommenen Kontrast zu Mickey Mouse darstellte, der sich, anfangs ebenfalls noch ein recht fideles Kerlchen, im Laufe der Jahre immer mehr zum wohlanständigen Bürger mit Vorbildfunktion gewandelt hatte.

Donald hingegen, der selber ein ungehobelter Kerl war, konnte man auch mal in den Hintern treten. Seine Umwelt mußte ihn schon aus Gründen der Selbstverteidigung regelmäßig in die Schranken weisen. Besonders gut kam an, daß Donald, mit der Konstitution eines Stehaufmännchens ausgestattet, es mit der ihm eigenen Mischung aus Durchtriebenheit und Schläue immer wieder verstand, aus einer verfahrenen Situation noch das Beste zu machen. Zu Zeiten von Weltwirtschaftskrise und drohendem Kriegsausbruch verkörperte Donald, der absolute Gegensatz zum strahlenden Helden, das amerikanische Ideal des allen Unbilden trotzenden, unbeugsamen und lebenshungrigen Individualisten.

Auch als geborener Pechvogel mit Herz, zu dem er sich späterhin vom reinen Choleriker mehr und mehr wandelte, hatte Donald die Sympathien der Leser weiterhin auf seiner Seite. Seine Beliebtheit wuchs mehr und mehr, so daß er ab 1938 seine eigenen Tagesstrips und - ab 1939 - auch eigene Sonntagsstrips bekam. Langjähriger Zeichner (bis 1965) dieser kürzeren, jeweils in sich abgeschlossenen Abenteuer, war Al Taliaferro, der zusammen mit Texter Bob Karp Donalds Charakter ausbaute. Donald gliederte sich im Laufe der Jahre mehr und mehr in die Entenhausener Gemeinde ein, wurde ruhiger und wuchs, seit seine Neffen Tick, Trick und Track regelmäßig mit von der Partie waren, in die Rolle des verantwortungsbewußten Familienoberhauptes hinein. Auch sein Aussehen veränderte sich: Kürzerer Schnabel, runderer Körper und ein ausdrucksvolleres Gesicht machten ihn zu einer zeitgemäßeren Identifikationsfigur. Für diese Veränderungen war vor allem der Zeichner Carl Barks verantwortlich, der seit 1940 die längeren Donald-Geschichten, die in Comic-Heften erschienen, zeichnete. Er machte ihn zum erfolgreichsten Loser der Comic-Geschichte.

21. März 2007