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NEUERSCHEINUNG/583: 02/09 · Coraline (SB)


P. Craig Russell nach dem gleichnamigen Roman von Neil Gaiman


Coraline



Neil Gaimans 2002 entstandener Jugendroman "Coraline" (in Deutschland erschienen 2005 bei Heyne) findet derzeit breite Aufmerksamkeit: Zum einen steht im Mai der Start der Kinoverfilmung an, zum anderen erschien Ende Februar eine von P. Craig Russell in Szene gesetzte Comic-Adaption. Da das Buch selbst mit seinen knapp 180 Seiten nicht allzu umfangreich ist, kann sich der Leser und/oder Gaiman-Fan sicher sein, daß in der 196seitigen Graphic Novel nicht allzuviel von der Romanvorlage verlorengeht, zumal Russell, der mit "Coraline" seine nunmehr fünfte gemeinsame Arbeit mit Gaiman ablieferte, sich eng an die Textvorlage hält.

Coraline ist ein aufgewecktes, etwa zwölfjähriges Mädchen, das vor kurzem mit seinen Eltern in eine alte Villa gezogen ist, die in mehrere Wohnungen aufgeteilt wurde. Die Eltern sind zwar beide ständig im Haus, haben aber dennoch nur wenig Zeit für ihre Tochter; der Vater hat viel zu arbeiten und die Mutter ist ständig mit irgendeiner Hausarbeit beschäftigt. So geht Coraline auf Entdeckungstour, sie erkundet den Garten und lernt ihre neuen Nachbarn kennen. Zwei Parteien wohnen noch in dem Haus: Ein etwas wunderlicher älterer Herr, der angeblich einen Mäusezirkus trainiert, den aber noch nie jemand gesehen hat, sowie zwei ebenfalls nicht mehr ganz junge Damen, die, nunmehr rund und gemütlich, Coraline erzählen, daß sie früher einmal berühmte Schauspielerinnen waren. Später geht das Mädchen auch in der eigenen, neuen Wohnung auf Entdeckungsreise. Vor allem der Salon hat es ihr angetan, denn dort ist eine geheimnisvolle Tür, hinter der sich eine Mauer befindet. Die Mutter, die nun doch einmal einen Moment Zeit hat, erzählt ihr, daß diese Tür zugemauert wurde, als man das Haus in einzelne Wohnungen aufteilte.

In der Nacht hört Coraline unheimliche Geräusche und als sie nachsieht, bemerkt sie, daß die zugemauerte Tür offen steht, obwohl die Mutter sie sorgfältig geschlossen hatte. Am nächsten Tag, das Mädchen ist zum ersten Mal allein im Haus, passiert noch etwas viel seltsameres: Die Mauer hinter der Tür ist mit einem Mal verschwunden - so, als sei sie nie dagewesen. Coraline nimmt all ihren Mut zusammen und geht hindurch ...

... und nachdem sie durch einen langen, dunklen und irgenwie muffig riechenden Korridor gegangen ist, kommt sie in dem Gegenstück zu ihrer eigenen Wohnung wieder heraus, die zwar einerseits vertraut, andererseits aber auch irritierend anders ist. Dann begegnet sie ihnen, ihren "Anderen Eltern", wie diese sich nennen. Unheimlicherweise haben sie statt Augen Knöpfe, sind aber ansonsten nett und aufmerksam, so wie es sich Coraline von ihren echten Eltern gewünscht hätte. Deshalb liegt auch eine gewisse Versuchung in der wenig später vorgetragenen Bitte der Anderen Eltern, doch für immer bei ihnen zu bleiben. Es bedürfte lediglich einer Klitzekleinigkeit, um das zu bewerkstelligen. Als Coraline jedoch sieht, um was es sich handelt, zuckt sie zurück. Die Anderen Eltern wollen auch ihr Knopfaugen annähen. So schnell sie kann, kehrt sie in ihre eigene Wohnung zurück. Dort muß sie entsetzt feststellen, daß ihre echten Eltern verschwunden sind. Sie begreift bald, daß ihre Anderen Eltern dahinter zu stecken scheinen und daß sie auf diese Weise versuchen, Coraline dazu zu bewegen, wieder in die unheilvolle Wohnung jenseits der zugemauerten Tür zurückzukehren. Ihren ganzen Mut zusammennehmend geht Coraline das Wagnis ein und muß sich, will sie ihr Ziel erreichen, den Prüfungen stellen, die das unheimliche Wesen das sich hinter der Fassade der "Anderen Mutter" versteckt, ihr stellt.

In wunderschön gezeichneten und mit zurückhaltender Farbigkeit kolorierten Bildern erzählt P. Craig Russell diese düstere Geschichte mit skurilen Elementen, die den Leser - jung wie alt - von der ersten bis zur letzten Seiten gefangen hält. Der naturalistische, detailreiche Zeichenstil, der mit seinen zarten Linien, die wohl mit einem Zeichenstift und nicht mit Tinte angefertigt wurden, eher an Illustrationen denn an plakative Comic-Zeichnungen erinnert, stellt genau jene traumhaft- phantastische Kulisse her, die zur Atmosphäre der Geschichte paßt und mit ihr zu einem gelungenen Ganzen verschmilzt. Kurz, man kann diese Adaption als ausgesprochen gelungen bezeichnen.

26. März 2009


Coraline
Adaption und Zeichnungen von P. Craig Russell
nach dem gleichnamigen Roman von Neil Gaiman
Panini Verlag, Stuttgart, 20. Februar 2009
196 Seiten, Softcover mit Faltcover 19,95 Euro
ISBN 978-3-86607-819-2
(Hardcover 29,95 Euro)