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INTERNATIONAL/012: Indien - Digitale Kluft noch nicht überbrückt, Schulen erhalten günstige Computer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. November 2011

Indien: Digitale Kluft noch nicht überbrückt - Schulen erhalten günstige Computer

von Sujoy Dhar

Indische Schülerin mit Laptop - Bild: © Sujoy Dhar/IPS

Indische Schülerin mit Laptop
Bild: © Sujoy Dhar/IPS

Neu-Delhi, 8. November (IPS) - Indien gilt als Land der IT-Experten. Doch durch den Subkontinent verläuft noch immer eine tiefe digitale Kluft. Die Regierung und internationale Hilfsorganisationen helfen Kindern und Jugendlichen in entlegenen Regionen dabei, Anschluss an das Computerzeitalter zu finden.

Das Dorf Khairat im westlichen Bundesstaat Maharashtra ist nur 80 Kilometer von der Metropole Mumbai entfernt und liegt doch weit abseits der indischen 'Datenautobahn'. Das Internet ist von dort aus für die meisten Menschen unerreichbar.

Nicht für den Viertklässler Suraj Balu, der ohne Probleme ein Laptop bedient. Seine technischen Fertigkeiten verdanken er und 25 Mitschüler dem Projekt 'One laptop per child' der gleichnamigen Non-Profit-Organisation mit Sitz im US-Bundesstaat Florida. Ihr Ziel ist, die Jugend im globalen Süden für die digitale Welt fit zu machen.

"Die Schüler kommen regelmäßiger zur Schule, seit das Laptop-Programm angelaufen ist. Sie haben jetzt viel mehr Selbstvertrauen", sagte der Lehrer Sandip Surve.


Großteil der Inder ohne Zugang zu Computern und Internet

Solche Initiativen sind in den ländlichen Regionen Indiens allerdings bisher die Ausnahme. Laut einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung über die Verbreitung des Internets in den so genannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) weist der Subkontinent unter den fünf aufstrebenden Ländern, die jährliche Wachstumsraten von bis zu zehn Prozent verzeichnen, die tiefste digitale Kluft auf.

Eine Anfang des Jahres verbreitete Studie des britischen Maplecroft-Instituts, das globale Risiken bewertet, belegt ebenfalls die Rückständigkeit Indiens in diesem Bereich. Die drittgrößte Wirtschaftsmacht Asiens bietet demnach einem Großteil ihrer insgesamt rund 1,2 Milliarden Einwohner keinen Zugang zu den grundlegenden Informationstechnologien wie Computer mit Internetanschluss und Mobiltelefonen.

Maplecrofts Index zur digitalen Inklusion bescheinigt Indien als einzigem der BRICS-Länder ein "extremes Risiko". Für China, Brasilien und Russland wurde ein "mittleres Risiko" erkannt. Trotz ihrer beachtlichen Zuwachsraten hinken die fünf Staaten den Industrieländern bei der Verbreitung digitaler Technologien in der Bevölkerung deutlich hinterher.

Sumanjeet Singh von der Universität Neu-Delhi, der kürzlich eine Untersuchung über die digitale Kluft in seinem Land veröffentlichte, fand heraus, dass lediglich 1,2 Prozent der Menschen in den ländlichen Regionen Zugang zum Internet haben. In den Städten liegt die Rate zehn Mal höher. "40,34 Millionen der insgesamt etwa 49,4 Millionen Internetnutzer leben in urbanen Zentren", sagte Singh IPS.

In den Dörfern leben allerdings mehr als 70 Prozent der Einwohner des Subkontinents. Diesen Menschen die moderne Informationstechnologie zur Verfügung zu stellen, sei eine große Herausforderung.

Indiens Minister für menschliche Ressourcen, Kapil Sibal, präsentierte vor kurzem kostengünstige Tablet-PCs, die im Zuge der Armutsbekämpfung an Dorfschulen und Universitäten bereitgestellt werden sollen.

Der neue 'Aakash'-Rechner, den die britische Firma 'DataWind' in Kooperation mit dem Indischen Institut für Technologie in Rajasthan entwickelt hat, gilt mit einem Preis von etwa 35 US-Dollar als günstigstes Hilfsmittel zur Überbrückung der digitalen Kluft. Im Oktober wurde er bereits an 500 Kinder verteilt. Studenten an zahlreichen Hochschulen des Landes sollen Rabatte erhalten.

"Aakash wird dazu beitragen, den digitalen Analphabetismus zu überwinden", sagte Sibal IPS. Für die Initiative suche er noch andere Partner, um die Kosten weiter senken zu können. Das Institut für Technologie hat die Aufgabe, die Computer auf Herz und Nieren zu testen.

Zurzeit steckt das Projekt noch in der Pilotphase. Rund 100.000 Tablet-PCs sollen an junge Nutzer verteilt und unter verschiedenen Bedingungen getestet werden, unter anderem in unterschiedlichen Klimazonen. Anhand dieser Erfahrungen soll der Computer weiterentwickelt werden.


Studenten entwickeln Laptop

Ähnliche Ziele haben die beiden Studenten Chandrasekhar Panda und Saswat Swain aus dem ostindischen Staat Orissa, die ein eigenes System zur kostengünstigen Verteilung von Computern erarbeitet haben. Ihr 'WEBLEAF'-Laptop mit einer Festplatte von 320 Gigabyte und einem Arbeitsspeicher von einem Gigabyte soll umgerechnet etwa 100 Dollar kosten. Die jungen Erfinder haben sich bereits an mehrere Ministerien um Unterstützung gewandt.

Die von der Regierung gepriesenen Aakash-Rechner überzeugen Panda und Swain hingegen nicht. Der Computer reiche für die Bedürfnisse von Studenten bei weitem nicht aus, erklärten sie.

Der Wissenschaftler Singh sieht Aakash immerhin als "einen guten Fortschritt". Die schlechte Anbindung der ländlichen Regionen an das Stromnetz und fehlende Internetverbindungen verhinderten jedoch, dass solche Projekte rasch ihr Ziel erreichen könnten. "Billige Computer bereitzustellen, ist noch nicht genug", meinte er. Die Regierung müsse Schüler und Studenten auch im Umgang mit der Technik fortbilden und Sprachbarrieren für die Nutzer abbauen. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://one.laptop.org/
http://maplecroft.com/about/news/digital_inclusion_index.html
http://www.iitd.ac.in/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=105725


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. November 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2011