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BUCHTIP/1021: Der Falke - Taschenkalender für Vogelbeobachter 2007 (SB)


Der Falke - Taschenkalender für Vogelbeobachter 2007


2007 ist angebrochen, und wer etwas fürs "Vögelgucken" übrig hat, wird gewiß froh sein, wenn er dafür zur Unterstützung einen praktischen "Taschenkalender für Vogelbeobachter" aus dem "Aula- Verlag" sein Eigen nennen kann. Das Beiwerk zum Journal für Vogelbeobachter "Der Falke" enthält die üblichen kalendarischen Daten wie die auf jeweils eine Doppelseite verteilten Wochentage mit Raum für Notizen, die Mond- und Sonnenauf- bzw. -untergangszeiten und farblich hervorgehobene Feiertage sowie die obligatorische Schulferien- und Feiertagsübersicht auch im nahen Ausland. Darüber hinaus gibt es einen sogenannten "Immerwährenden Kalender", mittels dessen sich von 1901 bis zum Jahr 2036 jedem Datum ein Wochentag zurechnen läßt und einen "Pentaden-Kalender", der das Jahr in 5-Tage-Perioden aufteilt.

Der Kalender-Anteil nimmt etwa die Hälfte dieses handlichen kleinen Büchleins ein, die andere besteht aus allerlei Fachkundlichem aus dem Bereich der Ornithologie.

So entdeckt man hier etwa einen auf aktuellen Beobachtungen basierenden "Zugvogelkalender". Mit einem Farbspektrum von zartgelb bis dunkelblau ist er diesmal im Vergleich zu den Kalendern aus den Vorjahren stärker kontrastiert, so daß man noch schneller findet, wo, wann und wie lange Brutvögel, Durchzügler und Wintergäste in der Bundesrepublik Deutschland verweilen. Ebenfalls neu ist hier eine Aufteilung in verschiedene Sparten wie "Entenverwandte", "Glatt- und Raufußhühner", "Lappentaucher" "Seetaucher", "Reiher" und anderen, die als zusätzliche Vereinfachung bei der Suche dient.

Darüber hinaus gibt es diverse bebilderte Vogelberichte, ähnlich, wie man sie in ausführlicherer Form in "Der Falke" findet - eine Auswahl, die besonders die Aktualität berücksichtigt. Es sind Artikel, die - wie sollte es bei einem Kalender für Vogelbeobachter auch anders sein - wohl primär all jene ansprechen, die sich die Welt der Vögel aus der Beobachterperspektive zu erschließen versuchen und deshalb in erster Linie nach Vergleichskriterien Ausschau halten. Für sie gibt es Wissenswertes, etwa in dem Artikel "Projektionen in der Vogelbestimmung - Ein "Muss" in der modernen Feldornithologie" von Jan Ole Kriegs mit Bestimmungshilfen für ähnliche Arten, die man per Fernglas im schnellen Vorüberflug so nicht unterscheiden kann. Um beispielsweise die Artverwandten "Fitis" und "Zilpzalp" nicht zu verwechseln, kombiniert er deren Zugverhalten mit der Anpassung im Körperbau. "So ist der Fitis ein Langstreckenzieher, wozu er längere und spitzere Flügel benötigt als der Kurz- und Mittelstreckenzieher Zilpzalp". Mittels solcher Proportionsmerkmale soll eine präzisere Bestimmung möglich sein.

Ein in Ornithologie nicht sonderlich bewanderter Vogelliebhaber wird sich vielleicht aber mit einer Unterscheidung, mag sie noch so präzise sein, nicht begnügen. Wenn sich etwa ein Rotkehlchen bei ihm auf dem Spatenstiel niederläßt, ihn offen anblickt und dabei leise vor sich hinbrabbelt, oder der kleine Kanarienvogel daheim sich angeregt mit seinem Partner "unterhält", dann entwickeln sich möglicherweise Fragen, die übers bloße Beobachten und Vergleichen hinausgehen: Was erzählt es mir da?

Da man einem Vogel mit seinem sprichwörtlichen Spatzenhirn aber in der Regel kaum mehr zutraut, als ohne tieferen Sinn und Verstand kinderchorähnlich niedlich vor sich hinzuträllern (vielleicht gar zu dem Zweck, den Menschen als Krone der Schöpfung zu erfreuen?) begnügt man sich allzuschnell damit, ihre Laute als weit unterhalb unserer ausdifferenzierten Sprache zu werten.

Mit dem Thema der Lautgebung befaßt sich in diesem Kalender auch Redakteur Hans-Heiner Bergmann - jedoch ebenfalls ausschließlich aus ornithologischer Perspektive. In seinem Artikel "Schluderei mit der Sprache" kritisiert er die allzu laxe Handhabung der Definition von "Singen" und "Rufen". Als Singen bezeichnet er "eine in der Regel kompliziert zusammengesetzte Lautäußerung, die auf Distanz vorgetragen der Reviermarkierung und dem Anlocken eines Partners oder einer Partnerin auf größere Entfernung dient", wohingegen Rufen "etwas einfacher gebaut und nicht an die Fortpflanzungszeit oder an das Geschlecht gebunden ist, sondern an bestimmte Situationen: Flugruf, Bettelruf, Alarmruf".

Die mangelnde Präzision wird also beklagt, nicht aber die Begrenztheit dieser Herangehensweise an sich. Was macht ein Vogel, wenn er "singt"? Mehr noch: Singt ein Vogel überhaupt, wenn er auf dem Zweig sitzt und (aus menschlicher Sicht wohlklingende) Töne von sich gibt?

Hält man einen Vogel zu Hause im Käfig oder einer Voliere, weiß man bei intensiver Beschäftigung mit dem Tier schon sehr bald die einzelnen "Rufe" zu deuten und merkt, wie er Geräusche und Ereignisse in seiner unmittelbaren Umwelt "kommentiert" und mit vertrauten Personen auf seine ganz eigene Weise kommuniziert. Stehen dabei nicht gerade diese Katalogisierung der Vogelarten sowie der sorgfältig benannten, verglichenen und in ihrer Funktion als Balz-, Alarm- oder Bettelrufe zugeordneten "Kwih-Kwihs" (Schwarzspecht), "Tschi-Tscha- Tschi-Tschas" (Dorngrasmücke) oder "Kikikikikis" (Regenbrachvogel) einem unvoreingenommenen Zuhören im Wege?

Nimmt man etwa einmal die Tsunami-Katastrophe im Winter 2005, der so viele Menschen zum Opfer gefallen sind, während, wie Forscher heute wissen, sich die Vögel gegenseitig gewarnt und deshalb in Sicherheit gebracht haben - könnte man als Mensch nicht vielleicht auch einen solchen Warnruf vernehmen? Wohl kaum, wenn sofort eine Deutung à la "atypischer Bettelruf" zur Hand ist.

Doch solcherlei "Spinnereien" bleiben wohl dem Laien vorbehalten, denn sie sprengen den Rahmen des für die Zielgruppe "Vogelkundler" bestimmten Falkenkalenders. Für all jene aber, die es sich zum Hobby oder Beruf gemacht haben, die geflügelte Spezies bei ihrem variationsreichen und letztlich in bezug aufs Fressen und Gefressenwerden doch gar nicht so verschiedenen Überlebenskampf zu beobachten, bietet auch das diesjährige Werk mit seinen zum Anschauen einladenden Vogelfotografien wieder viel Lesenswertes, das manchmal auch über eine Vogelwelt, die noch in Ordnung zu sein scheint, hinausweist.

In Christoph Sudfeldts Artikel "Volkszählung bei Vögeln" (S. 220-229) wird etwa das Vogelvorkommen als Indikator für den ökologischen Zustand deutscher Lebensräume thematisiert und erschreckende Vergleichszahlen aufgezeigt (der Bestand des Steinkauzes etwa ist von 1970 um etwa 30 Prozent geschrumpft); und in Norbert Schäffers Bericht über "Neozoen und ihre Auswirkungen auf die Vogelwelt" (S. 213-218) wird davor gewarnt, daß die durch Menschen eingeschleppten Tierarten in Kombination mit dem Klimawandel verheerende Folgen haben könnten.

So kann der tägliche Griff zu diesem Taschenkalender zu einer täglichen Erinnerung daran werden, unsere unmittelbare Umgebung nicht weiter zu zerstören.

24. Januar 2007


Der Falke - Taschenkalender für Vogelbeobachter 2007
AULA-Verlag Wiebelsheim 2006
ISBN 978-3-89104-702-6
ISSN 1618-9531