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BUCHTIP/1193: Birding Babylon, von Jonathan Trouern-Trend (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2009

Birding Babylon
Von Jonathan Trouern-Trend

92 Seiten, einige sw-Abb., Softcover, 11,5 x 18,5 cm.
Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2009
ISBN 978-3-8333-0616-7. EUR 8,90.


Ein kleines Taschenbuch mit nüchternen Tagebuchauszügen eines Vogelbeobachters und einer knappen Artenliste, die wirklich nichts Bemerkenswertes enthält, hat erstaunliches Aufsehen in Feuilletonredaktionen bei Zeitungen und Sendern erregt. Geradezu hingerissen berichtet ein Rezensent der Süddeutschen Zeitung, der Autor habe beim Christmas Bird Census Vögel zu sehen bekommen, die "es ins heimatliche Connecticut eher selten verschlägt: 3 Weißohrbülbüls, 6 Streifenprinien, 8 Armeniermöwen." Der Anlass: Ein amerikanischer Vogelbeobachter berichtet von vogelkundlichen Alltagsbeobachtungen während eines Jahres Kriegseinsatzes im Irak. Ernüchternde Ignoranz und daher auch schier grenzenlose Naivität in Sachen Ornithologie, Vogelbeobachten und Vogelschutz ist in gebildeten Kreisen hierzulande immer noch üblich. Für solche Leute " ... wirkt es im ersten Moment vielleicht bizarr, wenn nicht befremdlich, dass ein Kriegsteilnehmer Listen über das Vorkommen bestimmter Vogelarten seiner Umgebung führt ..."(Vorwort M. Beyer).

Da ist man nicht gerade früh drauf gekommen. E. Stresemann oder R. Heyder etwa haben schon 1917/18 von ihren Beobachtungen an der Front von Verdun publiziert. Aber vielleicht ist jetzt die Zeit reif, Vogelbeobachtung mit schrecklichen Zeiten und Orten der Geschichte zu verbinden. Auch der 2008 erschienene Roman "Die Vogelwelt von Auschwitz" von A. Surminski bringt eine geschichtliche Realität in Erinnerung, mit der sich Ornithologen lange nicht öffentlich auseinander gesetzt hatten. Es geht aber wohl nicht so sehr um geschichtliche Aufarbeitung, als vielmehr um Grenzziehung zwischen Zivilisation und Barbarei. "Wir begreifen, dass für den Autor in der Auseinandersetzung mit der Natur eine existenzielle Notwendigkeit liegt", sagt das Vorwort. So erreicht das geschmackvoll aufgemachte, fachlich gleichwohl sehr bescheidene Bändchen vielleicht mehr Verständnis für unsere Begeisterung für Vögel als eine prächtige Avifauna mit herrlichen Bildern. Das ist ein paar Gedanken wert.

Bleibt noch anzumerken: Der amerikanische Autor erweist sich als kenntnisreicher und weit gereister Vogelbeobachter, auch wenn er natürlich nicht allzu viel entdeckte. Die Übersetzung hat sich enorm bemüht, alle Details richtig wieder zu geben. Doch "die Marschen" sind im Deutschen natürlich keine Sümpfe, sondern fruchtbares Schwemmland.

E. Bezzel


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 12/2009
56. Jahrgang, Dezember 2009, S. 480
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2009