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BUCHTIP/1208: Kein Platz für einen "intelligenten Designer" - Buch zur Entstehung des Lebens (idw)


Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn - 02.11.2010

Kein Platz für einen "intelligenten Designer" - Neues Buch zur Entstehung des Lebens erschienen


Es ist eine der großen ungeklärten Fragen unserer Zeit: Wie entstanden vor rund 3,8 Milliarden Jahren aus einem Dutzend chemischer Elemente die ersten lebenden Zellen? Hatte dabei ein geheimnisvoller "intelligenter Designer" seine Hand im Spiel? Zellbiologen, Physiker, Mathematiker, Philosophen und Theologen der Universität Bonn haben nun ein neues Buch zu dieser Frage vorgelegt. Darin erteilen sie dem "Intelligent Design" als Konkurrenz zur Evolutionstheorie eine klare Absage. Sie zeigen aber auch, dass unser Bild von den Anfängen des Lebens noch sehr unvollständig ist.

Regina-Pacis-Weg 3: Wie lange müsste wohl ein Kleinkind auf der Computertastatur herumhämmern, um zufällig die Adresse des Hauptgebäudes der Uni Bonn zu Papier zu bringen? Man kann leicht ausrechnen, dass dazu selbst Milliarden von Jahren nicht einmal in Ansätzen reichen würden.

Noch unwahrscheinlicher ist es, dass in den 4,6 Milliarden Jahren seit der Entstehung der Erde auch nur eine einzige Aminosäure per Zufall entstehen konnte - geschweige denn ein so komplexes Molekül wie das Hämoglobin, eine Zelle oder gar ein ganzer Organismus. Auf diesem Argument fußt das Gedankengebäude des "Intelligent Design", das gerade in den USA momentan enorm populär ist: Das Leben sei zu komplex, als dass es ohne lenkenden Eingriff einer intelligenten Macht hätte entstehen können.

Doch dieses Argument ist wenig stichhaltig, wie die Autoren des Buches "Lebensentstehung und künstliches Leben" zeigen. Denn chemische Reaktionen gehorchen Regeln. "In atomaren und molekularen Strukturen stecken Informationen, die das rein Zufällige der Entstehung einschränken", erklärt der Herausgeber Professor Dr. Volker Herzog. Es ist, als würde das Kind nicht auf der Tastatur eines Computers, sondern auf dem Bedienfeld eines Navigationsgerätes herumklimpern: Dort sind nur Eingaben erlaubt, die zu existierenden Adressen führen können. Auch wer gar nicht schreiben kann, kann mit so einem Gerät also nur korrekte Straßennamen produzieren. Dass dabei zufällig der Regina-Pacis-Weg entsteht, ist dann plötzlich gar nicht mehr so unwahrscheinlich.

Die Komplexität des Lebendigen spricht also nicht unbedingt dafür, dass dabei ein Schöpfer seine Hand im Spiel hatte. Doch wie ist das Leben dann entstanden? Und was ist Leben überhaupt? Dieser Frage versuchen sich fünf Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Groningen sowie des Forschungszentrums Jülich aus völlig verschiedenen Perspektiven zu nähern: Professor Dr. Volker Herzog (Zellbiologie), Professor Dr. Wolfgang Alt (theoretische Biologe), Professor Dr. Gunter Schütz (Physik), Dr. Stephan Schleim (Philosophie) und Professor Dr. Ulrich Eibach (Theologie) haben vor einigen Jahren in Bonn den Arbeitskreis "Lebensentstehung" gegründet. "Aus unseren Diskussionen hat sich schließlich die Idee zu diesem Buch entwickelt", erklärt Herzog.

Bereits 1953 hat der amerikanische Chemiker Stanley Miller versucht, der Frage nach der Entstehung des Lebens experimentell auf den Grund zu gehen. Mit einer einfachen Apparatur stellte er die Bedingungen nach, die vor dreieinhalb Milliarden Jahre auf der Erde geherrscht haben könnten. Dabei gelang es ihm, aus einer Handvoll anorganischer Zutaten unter anderem einige Aminosäuren herzustellen - die Bausteine der Proteine. Seine Entdeckung war eine wissenschaftliche Sensation. Der gerade mal 23-jährige Miller legte damit den Grundstein zu einer völlig neuen Wissenschaftsdisziplin, der synthetischen Biologie. Die Autoren zeichnen die enormen Fortschritte nach, die diese Fachrichtung seitdem gemacht hat. Selbst die Herstellung künstlichen Lebens erscheint heute in nicht allzu ferner Reichweite. Andererseits gebe es aber noch viele ungeklärte und möglicherweise unklärbare Geheimnisse des Lebendigen.

Auch wenn sich in der Natur bis heute nicht die Fingerabdrücke eines Schöpfers nachweisen lassen: Als Beweis, dass es keinen Gott gibt, taugt diese Tatsache nicht. Auch das wird in dem Buch "Lebensentstehung und künstliches Leben" an vielen Stellen deutlich. Ulrich Eibach bringt diese Position im Schlusskapitel auf den Punkt: "Man kann Gottes Handeln in der Natur nicht durch naturwissenschaftliche Forschung beweisen. Gott ist kein Kausalfaktor, den man in mathematisch-physikalischen Formeln beschreiben kann."

Lebensentstehung und künstliches Leben.
Naturwissenschaftliche, philosophische und theologische Aspekte der Zellevolution.
410 Seiten. Die Graue Edition, 2010. ISBN 978-3-906336-56-5

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Frank Luerweg, 02.11.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2010