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BUCHTIP/1212: Von Arsen bis Zucker - neues Flaubert-Wörterbuch (idw)


Ludwig-Maximilians-Universität München - 06.12.2010

Von Arsen bis Zucker:
LMU-Philologen geben neues Flaubert-Wörterbuch heraus


Der Schriftsteller Gustave Flaubert gilt als einer der Wegbereiter der modernen Literatur. Am Flaubert-Zentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München werden Werk und Umfeld dieses bedeutenden Vertreters des französischen Realismus erforscht. Nun hat die Leiterin des Flaubert-Zentrums, Professorin Barbara Vinken, gemeinsam der LMU-Philologin Dr. Cornelia Wild ein neues Flaubert-Wörterbuch herausgegeben, mit dessen Hilfe die Werke Flauberts unter neuen Vorzeichen gelesen werden können.

Die zahlreichen Bezüge auf Psychoanalyse und Bibelforschung in dem Wörterbuch, das am 9. Dezember im Rahmen der Flaubert-Lecture vorgestellt wird, machen dabei einen Flaubert sichtbar, der sich den starren Kategorien der Forschung widersetzt.

Ob Geranie, Kutsche, Papagei oder Suppenfleisch - das Wörterbuch erklärt die Begriffe Flauberts nicht, sondern es bringt sie ins Bild. Dabei kommt es auf die süße Verführung des Buchstabens ebenso an wie auf seine Vergiftungen: Der Titel des Buches ist Programm und greift als erstes Stichwort - Arsen/Zucker - ein Motiv aus Flauberts Roman "Madame Bovary" auf. Zucker steht dabei für eine falsche geistige Süße, die dem echten geistigen Genuss widerspricht. Arsen ist das Gift, das die Protagonistin des Romans tötet und von Flaubert (wahrheitswidrig) mit giftigem Tintengeschmack beschrieben wird - laut Wörterbuch ein Hinweis darauf, dass Madame Bovary durch falsche Lektüre in den Abgrund geführt wird. "Bei der Auswahl der Themen sollten spotartig einzelne Aspekte beleuchtet werden, die einen anderen Flaubert zutage fördern. Dabei haben rasch die Dinge die Oberhand gewonnen und sich zu einer Art "Pharmazie Flauberts" gefügt", erläutert Wild.

Flaubert gehörte zu den Ahnherren einer Generation von Literaten, die als "Forscher-Schriftsteller" neben ihrem literarischen Schaffen einen Großteil ihrer Laufbahn damit verbrachten, den Sinn ihrer Tätigkeit zu reflektieren und sich auf den Stand der zeitgenössischen Wissenschaften zu bringen. Eine wesentliche, bisher wenig beachtete Komponente, die auf diese Weise im Werk Flauberts repräsentiert ist, ist die Rezeption deutscher Mythografie und Philosophie. Vinkens und Wilds Wörterbuch beleuchtet in 69 Schlagwörtern zentrale Aspekte von Flauberts Romanen, wobei solche philosophisch-theologischen Bezüge und psychoanalytische Ansätze aufgegriffen werden. "Die einzelnen Stichworte sind durch Verweise verbunden, denen der Leser folgen kann. Untergründig ergeben sich dann ganz neue Zusammenhänge" unterstreicht Wild.

Dabei wird auch Einblick in Flauberts Persönlichkeit gegeben, etwa wenn unter dem Stichwort "Pantöffelchen" Flauberts Schuh-Fetischismus zur Sprache kommt und die Psychologie seines Liebeslebens erläutert wird.

Weitere Informationen:
http://www.flaubert-zentrum.romanistik.uni-muenchen.de/veranstaltungen/einladung/5_flaubert_lecture/index.html


Zum Buch
Arsen bis Zucker. Flaubert-Wörterbuch. Hg. Barbara Vinken und Cornelia Wild. Berlin: Merve 2010. Mit Beiträgen von Pierre-Marc de Biasi, Sara Danius, Shoshana Felman, Marc Föcking, Martin von Koppenfels, Thomas Meinecke, Jacques Rancière, Avital Ronell, Maurice Samuels, Ulrike Sprenger, Ralph Ubl, Edi Zollinger u.a.

Barbara Vinken ist Professorin für Allgemeine Literaturwissenschaft und Romanische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Leiterin des Flaubert-Zentrums der LMU. 1989 in Konstanz und 1991 in Yale promoviert, habilitierte sie sich 1996 in Jena und folgte im Wechsel mit Gastprofessuren an der New York University, der EHESS Paris und der Humboldt-Universität in Berlin zunächst Rufen auf die romanistischen Lehrstühle in Hamburg und Zürich, bevor sie 2004 den Ruf an die LMU annahm.

Cornelia Wild studierte Französische und Neuere deutsche Literatur in Konstanz, Lyon und Berlin. 2006 promovierte sie an der LMU und ist seither Wissenschaftliche Assistentin am Institut für Romanische Philologie der LMU. Seit 2010 ist sie auch Stipendiatin im Förderkolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.


Das Flaubert-Zentrum München
Das Flaubert-Zentrum München wurde 2008 von Barbara Vinken, Professorin für Allgemeine und Französische Literaturwissenschaft an der LMU, initiiert und arbeitet in Kooperation mit seinem französischen Pendant, dem Centre Flaubert in Paris, einer Arbeitsgruppe des ITEM (Institut des Textes et Manuscrits Modernes). Gefördert wird es durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die französische Agence Nationale de la Recherche (ANR). Mit der Zusammenarbeit der Pariser Flaubert-Arbeitsgruppe und des Münchener Flaubert-Zentrums wurde zum ersten Mal eine länderübergreifende europäische Philologie begründet.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution114


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 06.12.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2010