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SF-JOURNAL/020: Autorinnen... C.L. Moore, ihrer Zeit weit voraus (SB)


Catherine Lucile Moore, (1911 - 1987)


Damals, im Herbst 1933, öffnete ich die Novemberausgabe von "Weird Tales" und fand eine Erzählung mit dem provozierenden, aber nichtssagenden Titel "Shambleau" von einem unbekannten Autor namens C.L. Moore - und danach war das Leben für mich nie mehr ganz dasselbe.
(aus dem Vorwort von Lester del Rey, 1975 zu C.L. Moore: Der Kuß des schwarzen Gottes, 1975 by C.L. Moore, 1979 Heyne Verlag, München, S. 7)

Schon ihre ersten Veröffentlichungen in den frühen 30er Jahren "zeigten, daß C.L. Moore die wesentlichste Vertreterin ihres Geschlechts im Bereich der Science Fiction war, seit Mary Shelley ihren Klassiker "Frankenstein" schrieb."
(aus dem Vorwort von Hugh Walker, zu C.L. Moore: Jirel, die Amazone, Reihe Terra Fantasy, 1969 by C.L. Moore, 1976 Pabel Verlag, Rastatt, S. 7)


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Persönliche Daten

Catherine Lucile Moore wurde am 24. Januar 1911 in Indianapolis, Indiana, geboren.

Als Jugendliche begeisterten sie die Romane von E.R. Burroughs. Sie wurde zu "guter" Literatur erzogen, ihre Eltern machten deutlich, daß sie nichts von "Schundromanen" hielten. Heimlich kaufte sie 1931, zum ersten Mal aus Neugierde, am Kiosk eine Ausgabe von "Amazing Stories", dem die Magazine "Weird Tales" und "Wonder Stories" folgten. Catherine Moore sagt, daß sie nicht von der literarischen Qualität dieser SF-Magazine gefesselt war, sondern von der Möglichkeit, daß sie dadurch aus ihrer engen, kleinen Welt herausgeführt wurde. "Ich glaube, jedes Mädchen aus der Mittelschicht, das so wie ich mitten in der amerikanischen Provinz aufgewachsen war, wäre überaus dankbar für die Chance gewesen, zum Mars zu fliegen." (aus dem Interview mit Catherine Lucile Moore von Jeffrey Elliot, im Heyne Science Fiction Magazin 3, herausgegeben von Wolfgang Jeschke, München 1982)

Mit 22 Jahren, 1933, veröffentlichte sie ihre erste Geschichte, "Shambleau", deren Held Northwest Smith ist, ihr berühmter interplanetarischer Abenteurer, der selbst von H.P. Lovecraft außerordentlich gelobt wurde. Ohne Schwierigkeiten konnte sie die Story an "Weird Tales" verkaufen. Sie war zu dieser Zeit gerade als Sekretärin bei einer Bank in Indianapolis angestellt. Zuvor war sie viele Jahre lang kränklich gewesen und hatte sich in die Literatur geflüchtet. Sie meint später, sie habe 15 Jahre lang geschrieben, ehe sie irgend etwas zur Veröffentlichung eingereicht habe. Von nun an schrieb sie für die Pulp-Magazine der 30er Jahre. 1934 begann sie mit ihrem Story-Zyklus um Jirel von Joiry, Streiterin und Königin aus dem 15. Jahrhundert ("Der Kuß des schwarzen Gottes") in Weird Tales.

Forry J. Ackerman, Sammler, Autor und Fan korrespondierte mit ihr und arbeitete auch an einer Northwest Smith-Geschichte mit ihr zusammen. Er nannte sie "Katharina die Große" und sagte, in ihr steckten zwei Personen: eine ernste, nach innen gekehrte, rätselhafte Frau und ein heiteres, junges Mädchen.

1936 erschien im Magazin "Weird Tales" eine Horror-Story des Schriftstellers Henry Kuttner, der C.L. Moores Geschichten sehr bewunderte. Aus einem regen Briefverkehr entwickelte sich ab 1938 eine persönliche Bekanntschaft, und im Juni 1940 heirateten sie schließlich. Von nun an schrieben sie zusammen Kurzgeschichten und Romane (zum Beispiel die Romane "Earth's Last Citadel" (1943), "The Mask of Circe" (1944), "Valley of the Flame" (1947) und "Fury" 1947) und benutzten eine große Zahl von Pseudonymen: Lawrence O'Donnell, Lewis Padgett, C.H. Lidell, Keith Hammond.

Robert Heinlein beriet das Ehepaar, wie man mit Verlegern verhandelte. Nach der Heirat gab Catherine Moore ihre Arbeit bei der Bank auf, und sie zogen nach New York. Bis 1958 konzentrierten sich ihre Interessen stark auf das Schreiben. Henry Kuttner wurde zu dieser Zeit einer der führenden Autoren.

In den 50er Jahren ging sie wieder auf das College und schloß ihr Studium 1961 mit dem Magister der Philosophie ab.

1958 verstarb Henry Kuttner überraschend im Alter von 44 Jahren an einem Herzanfall während der Arbeiten an einem Fernsehdrehbuch für Warner Brothers. Nach seinem tragischen Tod blieb Catherine Moore in Kalifornien. Zunächst zog sie sich völlig aus dem Genre Science Fiction zurück. Sie baute eine neue Karriere als Fernsehautorin auf und verfaßte Scripts für TV-Serien wie "Maverick" und "77 Sunset Strip". 1963 hörte sie völlig auf zu schreiben. Fünf Jahre nach Kuttners Tod heiratete sie Thomas Reggie, der mit Schriftstellerei nichts zu tun hatte.

In den 70er Jahren begann sie, Fantasy-Cons zu besuchen, war 1981 Ehrengast auf dem World Con in Denver und Jurymitglied im ersten "Writers of the Future"-Wettbewerb.

1984 wurde sie mit der Alzheimer Krankheit ins Krankenhaus eingeliefert, und am 4. April 1987 starb C.L. Moore, die erste SF- und Fantasy-Autorin, im Alter von 76 Jahren.

Ihre Geschichten wurden später in Sammlungen zusammengefaßt. Schon in den frühen 30er Jahren galt sie als Spitzenautorin neben Robert E. Howard, C.A. Smith, H.P. Lovecraft, Jack Williamson und Edmond Hamilton.


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Werke, Äußerungen zum Genre und zum Schreiben

Es ist schwer, C.L. Moore mit ihren Werken einzuordnen. Vielfach wird das Genre, in dem sie schreibt, "Science Fantasy" genannt. Fest steht: Sie gilt als wichtigste SF-Autorin der 40er und 50er Jahre mit erheblichem Einfluß auf die Entwicklung des Genre. Sie selbst sagt, obwohl sie ein Fan von Ursula K. Le Guin sei, merke sie, daß ihr Science Fiction nicht viel zu sagen habe.

Schon von Kindheit an hatte sie eine Leidenschaft für das Geschichtenerzählen. Später entwickelte sich diese Neigung durch das Geschichtenschreiben weiter. Ihre Vorlieben galten der griechischen Mythologie und dem Phantastischen in den Romanen von E.R. Burroughs und den Oz-Büchern von Frank L. Baum.

In ihrer zwanzigjährigen Ehe und Zusammenarbeit mit Henry Kuttner stellten sich bestimmte Schwerpunkte heraus: Ihre Stärke waren die Charakterisierung und der reiche, farbige Hintergrund, Kuttners Richtung mehr die intellektuelle Strenge und der Handlungsaufbau.

Ihre Tätigkeit des Schreibens war geleitet und geprägt von unerschöpflicher Vorstellungskraft:

Wenn wir einmal angefangen hatten, kamen wir auch rein und machten weiter, bis wir fertig waren. Schreiben wird nach einiger Zeit völlig zwanghaft. Es ist ein köstliches Gefühl. Man geht völlig aus sich selbst heraus. Oft ist man erstaunt, wenn so eine ursprünglich leere Seite gefüllt mit Worten aus der Maschine kommt.
(aus dem Interview mit Catherine Lucile Moore von Jeffrey Elliot, im Heyne Science Fiction Magazin 3, a.a.O.)

Es wird viel über den strengen Gebrauch ihrer Initialen spekuliert. Die erste Generation von SF-Autorinnen hielt die Tatsache, daß sie Frauen waren, verdeckt: Sie verwendeten männliche Pseudonyme, nannten statt ihrer Vornamen nur Initialen oder der Vorname war zweideutig genug. Manche Autorinnen hielten sich inkognito, um die Leserschaft nicht schon aus Verachtung der weiblichen Fähigkeiten gegen ihre Stories einzunehmen.

Catherine Moore äußert sich selbst dazu - und gebietet so manchem Bestreben, sie als Beispiel heranzuziehen, Einhalt: Sie werde als Frau nicht anders behandelt, sagt sie. Die Vornamen seien nur gekürzt, weil sie vor der Bank geheimhalten wolle, daß sie eine zweite Einkommensquelle habe. Sie laufe sonst Gefahr, gefeuert zu werden.

Wir schrieben unsere Geschichten ganz eindeutig mit der Absicht, Geld zu verdienen, und wir dachten, wir würden wahrscheinlich nie wieder etwas von ihnen sehen oder hören. Trotz dieser Tatsache taten wir jedoch unser Bestes. Wir produzierten nicht mehr Schund als irgendwie zu vermeiden war. Aber wir hatten nie das Gefühl, das sei unsterbliche Literatur oder irgend jemand sonst würde das Zeug lesen wollen."
(aus dem Interview mit Catherine Lucile Moore von Jeffrey Elliot, im Heyne Science Fiction Magazin 3, a.a.O.)

Mit dem Schreiben von Science Fiction-Literatur konnte man in den 30er Jahren noch kein Geld verdienen. Einen Cent pro Wort gab es erst später. Catherine Moore fing mit einem halben Cent an. So konnte der Verkauf ihrer Geschichten bestenfalls ein Nebenverdienst sein. Viele Magazine standen zu dieser Zeit kurz vor dem Eingehen, und die Honorare konnten mit den Lebenshaltungskosten eines Schriftstellers nicht Schritt halten.


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Leseproben

Vor allem wird C.L. Moores Verdienst für das Genre in der zu ihrer Zeit völlig neuen und ungewöhnlichen Schilderung und Charakterisierung nichtmenschlicher Lebewesen gesehen. Sie vermischt Elemente von Horror und Schönheit, fremder Kultur und menschlichem Gefühl. Eine Überraschung diesbezüglich war gleich ihre erste Veröffentlichung "Shambleau", aus der das erste Textbeispiel ist:

Northwest Smith beschreibt das Wesen Shambleau, als es tot ist:

"Und dieses Wesen verströmt etwas so unbeschreiblich Furchtbares, etwas, das so völlig unvereinbar ist mit allem, was menschlich ist - es gibt keine Worte, um es auszudrücken. Eine Weile war ich ein Teil davon, im wahrsten Sinne des Wortes, ich teilte seine Gedanken und Erinnerungen, seine Gefühle und Begierden, und ... nun, es ist jetzt vorbei, und ich erinnere mich nicht sehr deutlich, aber der einzige Teil von mir, der frei blieb, war der, welcher durch die Scheußlichkeit dieses Wesens beinahe wahnsinnig war. Und doch war es eine so tiefe Lust - ich glaube, in mir muß es einen Teil, einen Kern geben, der völlig böse ist - in jedem Menschen -, der nur den richtigen Anreiz braucht, um die Herrschaft zu übernehmen; denn noch während ich durch und durch angeekelt war von der Berührung dieser ... Dinger ... gab es etwas in mir, das ... das einfach vor Entzücken schnatterte ... Dadurch sah ich Dinge - und wußte um Dinge - schreckliche, wüste Dinge, an die ich mich nicht mehr richtig erinnern kann. Ich besuchte unglaubliche Orte, blickte nach rückwärts durch das Gedächtnis dieses - Wesens -, mit dem ich eins war, und sah ... Gott, ich wollte, ich könnte mich erinnern!" - "Du solltest deinem Gott danken, daß du es nicht kannst", sagte Yarol nüchtern."
(aus "Shambleau" in C.L. Moore: Der Kuß des Schwarzen Gottes, 1975 by C.L. Moore, 1979 Heyne Verlag, München, S. 47f)


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Ein anderes Wesen, der Alendar in der Geschichte "Schwarzer Durst", entstammt einer Rasse, die älter ist als das Menschengeschlecht. Hier versteht man die Schwierigkeit, die Werke C.L. Moores einem Genre zuzuordnen. Mit dem Fantasy-Anteil ist sie ihrer Zeit weit voraus:

"Hör zu!" sagte der Alendar, ohne den Kopf zu wenden. "Das Leben ist sehr alt. Es gibt Rassen, die älter sind als der Mensch. Die meine gehört dazu. Das Leben stieg aus dem schwarzen Schleim des Meeresgrundes und wuchs auf vielen auseinanderstrebenden Bahnen dem Licht entgegen. Manche Rassen erreichten Reife und tiefe Weisheit, als der Mensch sich noch im Dschungel von Baum zu Baum schwang.

Seit vielen Jahrhunderten, nach der Zeitrechnung des Menschen, wohnt der Alendar jetzt hier und züchtet Schönheit. In späteren Jahren hat er einige von seinen minderen Schönheiten verkauft, vielleicht um der Menschheit etwas zu ihrer Zufriedenheit zu erklären, was sie niemals verstehen könnte, wenn sie die Wahrheit erführe. [...] Meine Rasse ist sehr entfernt verwandt mit den Rassen, die dem Menschen das Blut aussaugen, weniger weit entfernt mit denen, die die Lebenskräfte des Menschen trinken, um sich davon zu ernähren. Ich habe meinen Geschmack noch mehr verfeinert. Ich trinke - Schönheit. Ich lebe von der Schönheit. Ja, im wahrsten Sinne des Wortes.

Schönheit ist in gewissem Sinne ebenso greifbar wie Blut. Sie ist eine separate, selbständige Kraft, die den Körpern von Männern und Frauen innewohnt. Du mußt die Leere bemerkt haben, die bei so vielen Frauen zusammen mit vollkommener Schönheit auftritt ... die Kraft ist so stark, daß sie alle anderen Kräfte vertreibt und wie ein Vampir auf Kosten von Intelligenz, Güte, Gewissen und allem anderen lebt."
(aus "Schwarzer Durst" in C.L. Moore: Der Kuß des Schwarzen Gottes, 1975 by C.L. Moore, 1979 Heyne Verlag, München, S. 81f)


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Autoren
- Persönliche Daten
- neue Akzente für die Science Fiction-Literatur
- Zur Schreibtechnik
- Stellungnahmen zur Science Fiction
in Interviews und Romanen
- Werke mit Auszeichnungen und Verfilmungen
- Leseproben

Erstveröffentlichung 1997

8. Januar 2007