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SF-JOURNAL/040: Autoren... Douglas Adams, das Universum und der Rest (SB)


Douglas Adams, (geb. 1952)


Douglas Adams gilt als einer der erfolgreichsten englischen Autoren unserer Tage - Auflage über 15 Millionen Bücher -, mit der kleinen Schwierigkeit, daß ihm das Schreiben ein Greuel ist. "Die Bücher [es geht um die Serie: "Per Anhalter durch die Galaxis", d. Red.] waren nicht leicht zu schreiben. Und am allerschwierigsten war es, ihnen den Anschein zu geben, daß sie ganz leicht zu schreiben gewesen wären."

Heute ist er Gründer der Multimediafirma "The Digital Village" (http://www.tdv.com) und sieht die Zukunft der Welt digital. Schon lange geht es ihm nicht mehr nur ums Schreiben, sondern um das geschäftliche Kalkül.


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Persönliche Daten und Werke

Douglas Adams wurde 1952 in Cambridge, England, geboren. Dort studierte er auch und versuchte sich gleichzeitig im Umfeld der alternativen Comedy-Szene um die Monty-Python-Gruppe, allerdings ohne großen Erfolg. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich u.a. als Pförtner, Scheunenbauer und Leibwächter für die Familie eines arabischen Ölscheichs.

Anfang 1977 gelang es ihm schließlich, bei der BBC Fuß zu fassen. Ein Freund, der für die BBC eine Radio-Show produzierte, fragte ihn, ob er eine Idee für eine Comedy-Show hätte. Spontan erinnerte sich Adams wieder an einen kleinen Einfall, den er Mitte der 70er Jahre eines Nachts auf einem Campingplatz bei Innsbruck gehabt hatte. Er war damals schon eine Weile durch Europa getrampt, knapp bei Kasse und überlegte sich, auf dem Rücken im Gras liegend und zum Sternenhimmel aufblickend, wie ein Außerirdischer sein Geld verdient: Er trampt durchs Universum, besucht fremde Planeten und beschreibt sie als Vertragspartner für den Reiseführer "Per Anhalter durch die Galaxis".

Sein Konzept für eine mehrteilige Science Fiction-Hörfunkserie wurde angenommen. Zunächst gab man sich bei der BBC skeptisch, weil es das erste Science Fiction-Hörspiel seit den 50er Jahren war. Deshalb wurde es nicht angekündigt und die Sendezeit auf mittwochs um halb elf nachts festgesetzt (damit nur wenige zuhörten). Außerdem war die Fertigstellung der Sendungen eine Prozedur gewesen, weil Adams immer wieder neue Teile in die fertigen Szenen einbauen wollte und darauf bestand, im Mehrspurverfahren zu produzieren (ein Achtspur- Aufnahmegerät mußte erst beschafft werden, denn keiner hatte bisher damit gearbeitet). Schließlich wurde Adams aus dem Regieraum ausgesperrt.

Es war der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte, denn "Per Anhalter durch die Galaxis" (die "Hitch-Hiker"-Serie) wurde zu einem Welterfolg in nahezu allen Medien: Auf das ursprüngliche Hörspiel folgte kurze Zeit später das Buch mit insgesamt vier Fortsetzungen. Nach und nach entstanden die BBC-Fernsehserie, Theaterfassungen, ein Computerspiel, das Hörspiel auf Kassette und CD, die Romane als Hörbücher und Comics und nicht zuletzt grandiose Live-Lesungen des Autors.

Science Fiction war Mitte der 70er Jahre "in", alternative Utopien lagen in der Luft, Späthippie-Gefühle wurden in den Weltraum verlängert. Endlich schrieb jemand eine witzige Spielart des Genres mit irrwitziger Logik und staubtrockenem englischen Humor. "Die Intellektuellen zogen Vergleiche zu Jonathan Swift, und die Vierzehnjährigen lachten sich kaputt, wenn depressive Roboter durch die Gegend klapperten." (Geoffrey Perkins, Produzent der Hörspiel- Serie)

Von 1978 bis 1980 arbeitete Douglas Adams als Redakteur der BBC- Fernsehserie "Doctor Who" und schrieb auch selbst einige der Drehbücher. Seit 1980 ist er als freischaffender Autor tätig. Er veröffentlichte ein skurriles Wörterbuch, zwei Detektiv-Fantasy- Horror-Romane und Artikel für Magazine über das Aussterben bedrohter Tierarten.

1981 erschein "der Anhalter" auf Deutsch, im Jahr darauf als gemeinsame Hörspiel-Großproduktion von Südwestfunk, Westdeutschem und Bayerischem Rundfunk mit hochkarätiger Besetzung.

1999 ist Adams mit seiner Familie nach Kalifornien gezogen. Dort arbeitet er am Drehbuch für die Anhalter-Verfilmung durch die Disney- Tochterfirma "Hollywood Pictures"...

... und natürlich an h2g2. Mit einigen Gleichgesinnten gründete er nämlich die digitale Multimediafirma "The Digital Village" (http://www.tdv.com) Ihr erstes großes Projekt: "Ein Abenteuerspiel auf CD-ROM, bei dem modernste Graphik mit einem Spracherkennungssystem kombiniert und so der Spieler in die Lage versetzt werden sollte, die Figuren in ein Gespräch zu verwickeln. Und plötzlich trat das "Raumschiff Titanic" aus der Menge heraus." (aus dem Nachwort S.251 von: Douglas Adams/Terry Jones: Raumschiff Titanic, 1997 by Adams, 1998 by Goldmann Verlag, München), zu dem es seit 1997 den Roman gibt.

Im Mai 2000 reiste Adams nach Deutschland und hielt hier einen Vortrag zum Thema "Leben in der virtuellen Welt". Er stellte in der Berliner Kulturbrauerei eine neue Idee für das Internet vor, ein Nachschlagewerk "über das Leben, das Universum und den ganzen Rest." Der Anhalter-Führer soll nun ausführlich ausgestaltet und ganz real werden, ein Lexikon, das in Echtzeit von eben den Leuten geschrieben wird, die es gleichzeitig benutzen. Adams fand, sein fiktiver Reiseführer sei "ein ziemlich gutes Modell dafür, wie das Web funktioniert". Also kann seit einem Jahr jeder Internet-Nutzer unter www.h2g2.com Einträge verfassen und einsehen ("h2g2 bedeutet eigentlich hhgg, eine Kurzform des Buchtitels "The Hitch Hiker's Guide to the Galaxy"). Heute hört das Projekt auf den Namen "Wap- kompatibles Mobiltelefon", eine Art tragbares Internet. Damit möchten Adams und seine Multimedia-Firma Digital Village einen "Online-Führer für die Erde" erschaffen "der absolut live und interaktiv ist". Das Konzept hat in Deutschland allerdings noch nicht richtig gegriffen. Schaut man unter "Germany" nach, so finden sich bislang nur Einträge über "Autobahnen", "Schrebergärten" und "Sauerkraut".

Nun, bei den traditionellen Reiseführern wird der Kram auf zermanschte Holzfasern gedruckt und kommt jedes Jahr neu heraus. Der Platz ist begrenzt und die Redaktionszeiten auch. Ein Reiseführer hingegen, zu dem Verfasser wie Nutzer Zugang haben, bedeutet: Jeder kann etwas reintun, jeder etwas rausholen, jeder alles verbessern. Die Inhalte werden nicht mehr von oben durchgereicht, sondern sie kommen von unten, von der Basis.
(Douglas Adams im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 10.05.2000)

und:

Thematische Beschränkungen gibt es auch hier nicht, wohl aber geschmackliche Grenzen. Rassistische oder sexistische Inhalte oder sprachliche Rüpeleien sollen natürlich keinen Eingang finden.
(aus DIE ZEIT Nr. 21 vom 18. 5. 2000: Mehr als harmlos)

und:

Das Internet hat uns etwas sehr Menschliches zurückgegeben, was wir vor Jahrhunderten verloren hatten. Als die Welt aus der Sicht jedes Einzelnen noch aus seiner Jagdsippe bestand, konnte jeder mit jedem alles klären. Je komplizierter das Leben dann wurde, desto schwieriger wurde auch die Verständigung. Briefe dauern lange. Filme, Radio, Zeitungen müssen die Leute hinnehmen, ohne eine echte Chance, unmittelbar darauf zu reagieren. Das Internet macht das wieder möglich. Jeder kann mit jedem, überall und sofort.
(Douglas Adams im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 10.05.2000)

Die Entwicklung Adams vom Schriftsteller zum Multimedia-Geschäftsmann widerspricht sich nicht. Was im "Anhalter" gesellschaftskritisch klingt, ist eigentlich nur absurd, dem stilistischen Prinzip entsprechend, mit dem er vorgeht. Er versucht, den Leser (und sich selbst) zu überraschen, indem er die Dinge aus einer neuen Perspektive betrachtet, wodurch die vertraute Welt zu etwas völlig Fremdem wird. - Sonst paßt er sich dem Trend an und fragt sich beim Schreiben: "Wie werden es die Leute finden? Was werden sie nächstes Jahr davon halten? Wird es in fünf Jahren völlig veraltet sein?"


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Leseprobe

Bei der Auswahl einer Leseprobe kommt man um "Per Anhalter durch die Galaxis" nicht herum. Es ist einfach bis heute das herausragende Werk Douglas Adams geblieben. Die Szenen und Figuren haben Kultcharakter bekommen - und entsprechend schwer fällt eine Entscheidung für Typisches: Marvin, der depressive Roboter, dessen Gehirn von der Größe eines Planeten ist und von dem man verlangt, ein Türöffner zu sein; oder als endlich die Antwort auf die Frage nach den Sinn des Lebens gegeben wird; oder der Anfang, als das Raumschiff der Vogonen vom Galaktischen Hyperraum-Planungsrat der Erde mitteilt, daß sie gesprengt werden muß, weil der Planet einem Hyperraum- Expressroutenbau im Wege steht; oder die Szene, als es doch dazu kommt, was laut "Anhalter-Buch" unbedingt vermieden werden muß: "Auf gar keinen Fall erlaube man einem Vogonen, daß er einem Gedichte vorliest".

Die Gefangenen saßen auf Poesiewürdigungsstühlen - festgeschnallt. Die Vogonen gaben sich, was die allgemeine Wertschätzung ihrer Werke betraf, keinen Illusionen hin. Ihre frühen Kompositionsversuche waren als Teil eines gewalttätigen Beharrens darauf anzusehen, als vollständig entwickelte und kultivierte Rasse akzeptiert zu werden, jetzt aber trieb sie nur noch reine Mordgier.

Kalter Schweiß stand Ford Prefect auf der Stirn und rann um die Elektroden herum, die an seinen Schläfen befestigt waren. Die Elektroden waren mit einer ganzen Batterie elektronischer Apparaturen verbunden - Bildverstärkern, Rhythmusmodulatoren, Alliterationsverwertern und Gleichniskippen -, die alle dazu dienten, das Erlebnis des Gedichts zu steigern und sicherzustellen, daß auch nicht die kleinste Nuance des dichterischen Gedankens verlorenging.

Arthur Dent saß da und zitterte. Er konnte sich nicht vorstellen, was auf ihn zukam, wußte aber, daß ihm nichts von alldem, was bisher passiert war, gefallen hatte, und glaubte deshalb auch nicht, daß sich daran irgendwas ändern würde.

Der Vogone fing an zu lesen - eine mistige kurze Passage seines Machwerks.

"Oh zerfrettelter Grunzwanzling... " begann er. Krämpfe gingen zuckend durch Fords Körper - das war schlimmer, als selbst er es sich vorgestellt hatte.

"...dein Harngedränge ist für mich / Wie Schnatterfleck auf Bienenstich."

"Aaaaaaaarrrchchchchch!" machte Ford Prefect und warf seinen Kopf zurück, den Schmerzwellen durchpochten. Undeutlich konnte er Arthur neben sich wahrnehmen, der auf seinen Stuhl gefläzt dasaß und sich nachlässig räkelte. Er biß die Zähne zusammen.

"Grupp, ich beschwöre dich", fuhr erbarmungslos der Vogone fort, "mein punzig Turteldrom."

Seine Stimme schraubte sich zu grauenhaft erregter Schärfe hoch. "Und drängel reifig mich mit krinklen Bindelwördeln / Denn sonst werd ich dich rändern in deine Gobberwarzen / Mit meinem Börgelkranze, wart's nur ab!"

"Nnnnnnnnnaaaaaiiiiiiiiinnnrrrrrrchchchch!" schrie Ford Prefect in einer allerletzten Zuckung, als die elektronische Verstärkung der letzten Zeile ihm mit Volldampf durch die Schläfen fetzte. Ihm wurde schwarz vor Augen.

Arthur räkelte sich.

"Also, Erdlinge... ", schnarrte der Vogone [er wußte nicht, daß Ford Prefect in Wirklichkeit von einem kleinen Planeten irgendwo in der Nähe von Beteigeuze stammte, und wenn er es gewußt hätte, wär's ihm auch wurscht gewesen], "ich stelle euch vor eine einfache Wahl! Entweder ihr sterbt in der luftleeren Weite des Raums, oder...", er machte der melodramatischen Wirkung wegen eine Pause, "ihr sagt mir, wie gut euch mein Gedicht gefallen hat!"

Er schmiß sich in einen riesigen ledernen Fledermaussessel und sah sie gespannt an. Er setzte wieder sein Lächeln auf.

Ford rang keuchend nach Atem. Er wälzte seine trockene Zunge in der ausgedörrten Mundhöhle herum und stöhnte.

Arthur sagte fröhlich: "Eigentlich gefiel's mir ganz gut."

Ford drehte sich um und starrte ihn fassungslos an. Hier tat sich eine Möglichkeit auf, an die er einfach nicht gedacht hatte.

Der Vogone zog überrascht eine Augenbraue hoch, was höchst wirkungsvoll seine Nase verdeckte und also gar nicht übel war.

"Oh schön...", schnarrte er sichtlich überrascht.

"Oh ja", sagte Arthur, "ich fand einiges von der
metaphysischen Bildsprache wirklich außerordentlich
wirkungsvoll."

Ford starrte ihn noch immer an, während er sich langsam mit diesem völlig neuen Gedanken vertraut machte. Sollte es ihnen tatsächlich gelingen, sich aus dieser Situation rauszuwinden?

"Ja, sprich weiter...", forderte ihn der Vogone auf.

"Oh... und äh... auch die interessanten rhythmischen Erfindungen", fuhr Arthur fort, "die sich scheinbar im Gegensatz befinden zum... äh... äh...", quälte er sich rum.

Ford sprang ihm, alles auf eine Karte setzend, bei: "... zum Surrealismus der Grundmetapher der... äh..."

Auch er wußte nicht weiter, doch Arthur war schon wieder startklar.

"...Humanität der... "

"Vogonität", zischte Ford ihm zu.

"Ja genau, der Vogonität [pardon] der mitfühlenden Dichterseele", Arthur fühlte, jetzt war er auf der Zielgeraden, "der es mittels der Versstruktur gelingt, dieses zu sublimieren, jenes zu transzendieren und die fundamentalen Dichotomien miteinander zu verbinden", [er erreichte ein triumphales Crescendo], "so daß man einen tiefen und nachhaltigen Einblick in... in... äh...", [aber der kam ihm plötzlich wieder abhanden]. Ford eilte ihm mit dem coup de grâce zu Hilfe: "... in alles erhält, worum es in dem Gedicht geht!" schrie er. Und leise aus dem Mundwinkel: "Gut gemacht, Arthur, das war sehr gut."

Der Vogone sah sie aufmerksam an. Einen Moment lang war seine verbitterte Rassistenseele gerührt gewesen, aber nein, dachte er - zu wenig, zu spät. Seine Stimme hörte sich plötzlich an wie eine Katze, die Nylonstrümpfe zerfetzt.

"Ihr wollt also damit sagen, daß ich Gedichte schreibe, weil ich mich hinter meinem erbärmlichen, teilnahmslosen und hartherzigen Äußeren einfach nach Liebe sehne", sagte er. Er machte eine Pause. "Habe ich recht?"

Ford brachte ein nervöses Lächeln zustande. "Naja, ich meine... ja", sagte er, "sehnen wir uns nicht alle, tief in uns, nicht wahr.. äh..."

Vogone erhob sich.

"Nein. Da irrt ihr euch vollkommen", sagte er. "Ich schreibe Gedichte, nur um auf mein erbärmliches, teilnahmsloses und hartherziges Äußeres ausdrücklich hinzuweisen. Auf der Stelle lasse ich euch aus dem Raumschiff werfen. Wache! Bring die Gefangenen zur Druckschleuse Drei und schmeiß sie raus!"
(aus Douglas Adams: Per Anhalter durch die Galaxis, 1981 by Rogner & Bernhard, 1979 by Douglas Adams, Ffm, aus dem Englischen übersetzt von Benjamin Schwarz, S. 65f)


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Erstveröffentlichung 2000

10. Januar 2007