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SF-JOURNAL/050: Autoren... Poul Anderson, das All löst alle Probleme (SB)


Poul (William) Anderson, (1926 - 31.7.2001)


... ein Mann, der so viele Bücher verfasst hat, dass nicht einmal seine größten Verehrer wissen, wieviele es tatsächlich sind. Poul Anderson heißt dieser Mann, der drei Mal mit einer "Nebula" und sieben Mal mit einem "Hugo" [...] ausgezeichnet und vor vier Jahren zum "Großmeister" des Verbandes "Science Fiction and Fantasy Writers of America" ernannt wurde - und einer der erfolgreichsten Schriftsteller der vergangenen fünfzig Jahre ist." (aus dem Feuilleton der Süddeutschen Zeitung vom Samstag, 4.8.2001)

Zwar hat auch Poul Anderson in seinem Leben ein paar schlechte Bücher geschrieben, aber das kann er sich erlauben. [...] Seine Romane [...] sind von Romantik und der Finsternis unserer Träume vom Weltraum erfüllt.
(aus John Clute: Science Fiction - Die illustrierte Enzyklopädie, Heyne Verlag München 1996, 1995 by John Clute, deutsche Übersetzung von Ronald M. Hahn, S. 150)

Poul Anderson steht dazu, Unterhaltungs-Science Fiction zu schreiben. Die meisten seiner Romane sind spannende Weltraumabenteuer, Space Operas reinsten Wassers. Vielleicht gehört er deshalb zu den beliebtesten Autoren bei gestandenen SF-Lesern.


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Persönliche Daten und Werke

Die biographischen Daten von Poul (William) Anderson sind unspektakulär und schnell zusammengefaßt: Er wurde in Bristol/Pennsylvania geboren und wuchs in Texas auf. Nachdem er 1948 sein Physikstudium an der Universität von Minnesota mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, begann seine Karriere als Schriftsteller. Geschrieben hatte er schon während des Studiums und sogar auf diese Weise seine letzten Semester finanzieren können. So lag es auch nahe, daß er sich, vor der Schwierigkeit stehend, einen Job zu finden, dazu entschloß, freier Schriftsteller zu werden. Einen Namen hatte er sich bereits gemacht.

Poul Andersons Vorfahren stammten aus Dänemark und waren in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Dies und auch seine Kenntnis skandinavischer Sprachen dürfte seine Vorliebe für Stoffe aus nordischen Sagen erklären, die in vielen seiner Romane und Erzählungen zum Ausdruck kommt. Die übermächtigen Wesen sind allerdings meist motiviert vom amerikanischen Stolz auf technische Perfektion und von bürgerlichen Moralvorstellungen.

Anderson ist hauptsächlich als "Hard Science"-Autor bekannt. Seine frühen Arbeiten beschäftigen sich - dem Zeitgeist der 50er Jahre entsprechend - mit zukünftigen Entwicklungen in Wissenschaft und Technik. Er bemühte sich um realistische Darstellung und war auf einen schnörkellosen Stil bedacht. Es dauerte ein Jahrzehnt, bis er 1959 als Ehrengast beim World Science Fiction-Con erschien, und weitere 10 Jahre später wurde er zum Präsidenten der Science Fiction Writers of America ernannt.

Er schuf zahlreiche Serien-Charaktere wie den interstellar agierenden Kaufmann Nicholas von Rijn, den terranischen Agenten Dominic Flandry und - in Zusammenarbeit mit Gordon R. Dickson -die Hokas, teddybärähnliche, intelligente Aliens. Liest man die wichtigsten seiner Zyklen im Zusammenhang, ergeben sie eine lange, lose, abwechslungsreiche FUTURE HISTORY, deren Gesamttitel "Technic History" (1958 bis 1983) lautet. Viele dieser Erzählungen spielen in einem gemeinsamen Universum, etwa die Geschichten um "The Psychotechnic League" (1956 bis 1981). Zeitreise und Evolution sind die bevorzugten Themen seiner Stories, wobei Anderson meist darauf besteht, daß die Evolution glücklich verläuft. Von entsprechend positiver Grundhaltung ist auch sein herausragendstes Werk, sein Erstling "Brain Wave": Kosmische Strahlung bewirkt einen evolutionären Sprung bei Menschen und Tieren.

Für sein vielfältiges und umfangreiches Werk hat Poul Anderson alle wichtigen Preise bekommen und meist mehr als nur einmal. Er verfaßte nicht nur Science Fiction, sondern auch Erzählungen, Fantasy, Krimis, Jugendbücher, historische Romane, Mainstream-Romane, Sachbücher und Anthologien.

Am 31.7.2001 verstarb Poul Anderson im Alter von vierundsiebzig Jahren in Orinda bei San Francisco. *

"Leseprobe"

Um einen Eindruck vom Umfang seiner Zukunftsideen und dem ununterbrochenen Schwung zu vermitteln, mit dem Poul Anderson geschrieben hat, wird an dieser Stelle statt einer Leseprobe die Darstellung seiner FUTURE HISTORY zitiert. John Clute, von dem die folgende Zusammenfassung stammt, legt die beiden Zyklen "Psychotechnik-Bund" und "Dominic Flandry" zugrunde:

[Die Geschichten, Anm. d. Red.] geleiten die Menschheit durch das Sonnensystem und den ferneren Raum und schildern eine UNO, die sich von der heutigen stark unterscheidet.

1950

Eine Periode politischer Instabilität führt zum Koreakrieg, zum 3. Weltkrieg [in dem die Sowjets geschlagen werden], zu europäischen Bürgerkriegen und einem Großen Djihad. Das Nachkriegschaos löst sich schrittweise in ein sozialistisches Amerika, religiösen Fanatismus und eine sehr starke UNO auf, die von ihren Mitgliedsstaaten nicht mehr kontrolliert werden kann. Zum technischen Fortschritt gehören Mondbasen, die Kolonisation von Mars und Venus, synthetisches Erdöl und die Anfänge der Psychotechnik.

1980

Die UNO bereitet eine Weltregierung vor und unterdrückt mit offenen und verdeckten Mitteln den brasilianisch-argentinischen Krieg, eine Anti-UN-Junta und einen Putsch. Zum technischen Fortschritt gehören verbesserte Raumschiffe, ozeanische Kolonien, Klimaanlagen im Freien, Arctologie-Raumschiffe, automatische Fabriken, Schock- und Lähmstrahlen, zunehmende Langlebigkeit und die Formulierung einer allgemeinen Feldtheorie, die Relativitäts- und Quantenphysik vereint.

2010

Als nationale Armeen abgeschafft werden, nähert man sich weiter einer Weltregierung. Die Luna-Universität wird gegründet, die Venus bricht mit der UNO. Beginn der Zweiten industriellen Revolution. Zum Fortschritt zählen die Nutzbarmachung neuer Energiequellen, synthetische Nahrung und die Erschaffung synthetischer Viren.

2040

Gründung der UN-Raummarine und des Planetaren Industriekorps. Es kommt zu einer Währungsreform und der Entwicklung einer Grundsprache. Der venusische Nationalismus wird unterdrückt, Ganymed kolonisiert. Zum technischen Fortschritt zählen denkende Maschinen und interplanetarer Funk.

2070

Auf der Erde wächst Unmut, da man die Probleme der Zweiten industriellen Revolution nicht lösen kann. Es kommt zu Anti- Roboter-Tumulten. Militär- und anthropoide Roboter werden entwickelt, ebenso vollautomatische Raumfahrzeuge. Gründung des Ordens der Planeteningenieure und der Enzyklopädischen Stiftung.

2100

Nach weiterer Expansion und Konsolidierung im All wird die Venus bewohnbar gemacht. Man nimmt einen Raumliniendienst in Betrieb. Die Solare Union wird gegründet. Ein humanistisches Manifest wird verkündet, eine pankosmische Religion gegründet. Auf der Venus entwickelt sich ein Clan-System. Eine Raumarche wird nach Centauri geschickt.

2130

Eine Periode sich verschlechternder Zustände führt auf der Erde zur Emigration. Der Mars wird bewohnbar gemacht. Es gibt Enthüllungen über Regierungskorruption, und die 210-Jahre-Reise wird als Mittel eingesetzt, um Unzufriedene loszuwerden.

2160

Es kommt zu einer Humanisten-Revolution. Der wissenschaftliche Fortschritt muß leichte Rückschläge hinnehmen.

2190

Die Jupiter-Diktatur wird überwunden.

(aus John Clute, a.a.O., S. 66)


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Autoren
- Persönliche Daten
- neue Akzente für die Science Fiction-Literatur
- Zur Schreibtechnik
- Stellungnahmen zur Science Fiction
in Interviews und Romanen
- Werke mit Auszeichnungen und Verfilmungen
- Leseproben

Erstveröffentlichung 2001

10. Januar 2007