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FRANZÖSISCH/004: Mit dem Wörterbuch auf Kriegsfuß? (SB)


Mit dem Wörterbuch auf Kriegsfuß?


Teil 1 - eine Annäherung



Es gibt eigentlich kaum jemanden, den ich kenne, der mit Wörterbüchern auf gutem Fuß steht. Für die meisten Menschen scheinen sie sich mit einem furchtbar öden Kapitel ihrer Fremdsprachenlaufbahn zu verbinden. Dabei kann ein Wörterbuch viel mehr bieten als eine Antwort auf bestimmte Vokabelfragen.

Ich habe zum Beispiel oft Freude daran, einfach darin zu blättern. Das ist eigentlich nichts Ungewöhnliches, wenn man bedenkt, wie gern man sich bei Auslandsreisen wiederum darauf verläßt. Da blättert man dann durchaus allein oder auch mit einem Landesbewohner darin herum, um sich zu verständigen, und das geht oft recht munter zu.

Langweilig am Wörterbuch ist die eigene Herangehensweise, das Buch an sich kann nichts dafür. Häufig geht man davon aus, daß der Umgang mit dem Wörterbuch etwas Quälendes hat und nur mit Arbeit verbunden ist. Man macht es sich nicht als Hilfsmittel, und wenn es auf die flüchtigste Weise ist, zunutze - die Gewohnheit steht einfach im Weg. Darüber hinaus wird in der Schule selten beigebracht, wie gut man Wörterbücher nutzen kann. Im Wörterbuch einfach nach Lust und Laune zu blättern und es auch einfach wieder sein zu lassen, das gehört mit Sicherheit nicht zum Lehrplan und wird sicher nicht als Methode angesehen, eine Fremdsprache zu lernen. Dennoch meine, hat man eine ganze Menge davon, wenn man dabei dem Grundsatz treu bleibt, es auf keinen Fall in Arbeit auszuarten zu lassen.

Ein Wörterbuch kann man überall hin mitnehmen und in jeder Warteminute aufschlagen - höre ich da jemanden stöhnen bei dem Gedanken? Es kann sogar in dieser Situation wesentlich unterhaltsamer sein, als ein anderes Buch, dessen Lektüre immer wieder unterbrochen wird. Dabei verliert man oft den Faden. Hier geht es geradezu um die Unterbrechung und um das kurzfristige Blättern. Möglicherweise führt das zu einigen Entdeckungen, vielleicht freundet man sich sogar ein wenig mit diesem Hilfsmittel an und entwickelt die Bereitschaft, sich eingehender damit zu befassen. Vielleicht mit den Abkürzungen, mit denen bestimmte Begriffe versehen sind oder auch den Hinweisen auf die Grammatik, die man eigentlich gern übersieht.


Aber zunächst einmal ein kurzer Blick:

Schon die Eintragungen unter einem der allerersten Worte im Buch, unter der Präposition "à", bieten eine ganze Reihe von Bedeutungen und Begriffen, auf die man sonst vielleicht gar nicht so einfach stößt. Man erfährt die Bedeutung dieser Präposition in ihrer örtlichen und zeitlichen Komponente mit Anwendungsbeispielen und, je nach Größe des Wörterbuchs, noch 20 weitere dazu.

Hier steht, daß man sich durch Arbeit umbringen kann: "se tuer à (force de) travailler" - totarbeiten - und durchs Spiel ruinieren: "se ruiner au jeu". Man trinkt "à la rivière", nicht "de la rivière" und "à même la bouteille", nicht "de la bouteille" und "on ne comprend rien à qch." - versteht nichts von (à) einer Sache, nicht: "de qch.". Und idiomatische Ausdrücke wie zum Beispiel: "manger à plusieurs râteliers" - mehreren Herren dienen; mehrere lohnende Pöstchen bekleiden - sind auch zu finden.

Im nächsten Wörterbuch stoße ich dann zufällig auf "le perce-neige", das Schneeglöckchen. "Percer" heißt in diesem Fall durchkommen, zum Vorschein kommen, also, das, was den Schnee durchdringt.

Und so blättert man weiter, liest erst hier, dann da, je nach Interesse. Wenn man das nächste Buch in Angriff nimmt, erinnert man sich dann vielleicht, daß man das Wort schon einmal gesehen hat oder eventuell sogar an seine Bedeutung. Vielleicht hat man dann auch Lust, es nachzuschlagen...

(Fortsetzung folgt)


Erstveröffentlichung am 18. Januar 1995


27. Januar 2007