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REZENSION/019: Hellboy - Der Teufel erwacht, Teil 1 und 2 (SB)


Ein explosives Gemisch aus Abenteuer und Verschwörung
zündet im zweiten Hellboy Hörspiel




"Der Teufel erwacht" lautet der viel versprechende Titel des zweiten Teils der neuen Hellboy Hörspielserie, in welcher die Comics des Autoren Mike Mignola durch die Macht der Sprache zum Leben erweckt werden sollen.

In tiefschwarzer Herbstnacht stellte ich daher meine Lauscher auf Empfang, um zu hören, ob es den Stimmen der Sprecher gelänge, mich nun permanent in den Bann ihrer höllischen Geschichte zu schlagen, und diesmal sprang der Funke der Erzählung auch wirklich über. Es verschlägt die Agenten der "Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen" nach Europa in das ferne Rumänien, wo sie die Wiederauferstehung eines Vampirs aus dem achtzehnten Jahrhundert verhindern sollen. Sein Name ist Vladimir Giurescu und alten Aufzeichnungen zufolge soll er mit jener Gruppe von machtgierigen Nazis in Verbindung stehen, die einst halfen, den rothäutigen Jungen aus der Hölle herauf zu beschwören. Offenbar scheint es dem unsterblichen Offizier aus napoleonischer Zeit gelungen zu sein, dem Tod immer wieder ein Schnippchen zu schlagen und sich nach jedem Dahinscheiden durch ein geheimnisvolles Ritual bei Mondschein wieder unter die Lebenden zu stehlen. Die einzige Schwierigkeit besteht darin, daß diese Prozedur nur in einem bestimmten Raum seines alten Schlosses durchgeführt werden kann. Seit Giurescu 1944 in Dachau auf Hitlers Befehl hingerichtet wurde, befanden sich seine sterblichen Überreste in Amerika und somit weit weg vom rettenden Schloß. Nun ist seine Leiche aber gestohlen worden und man befürchtet in der Behörde, der untote Offizier könnte wiederbelebt werden...

Trotz aller Fakten aus den Archiven erscheint die ganze Geschichte dem sarkastischen Hellboy bloß als hergeholte Verschwörungstheorie und deswegen nach Rumänien zu fliegen kommt ihm völlig absurd vor. Zu allem Überfluß soll der rote Haudegen ganz allein eines von drei in Frage kommenden Schlössern im Land der Vampire auf verdächtige Aktivitäten abchecken.

Ebenfalls mit von der Partie sind wieder seine Kollegen Liz Sherman und Abe Sapien sowie zwei weitere Agenten, die als Verstärkung mit auf diese Reise gehen. Aber der Einsatz steht von Anfang an unter keinem guten Stern, da die technischen Hilfsmittel für die Mission nicht nur in entscheidenden Momenten streiken, sondern für die Abgesandten der Behörde sogar lebensgefährlich werden. Was so harmlos beginnt, entwickelt sich bald zu einem infernalischen Albtraum, denn der totgeglaubte Magier Rasputin hat ebenso seine Finger im Spiel wie das Chaos höchstpersönlich in Form monströser, blutgieriger Erscheinungen.

In diesem Teil der Hellboy Saga wurden wirklich alle Register gezogen, um die Spannung von Anfang bis Ende aufrecht zu erhalten, und der Versuch ist rundum geglückt. Wo im ersten Teil noch etliche überflüssige oder falsch platzierte historische Einlassungen den Fluß der Geschichte störten, fügt sich in "Der Teufel erwacht" alles zu einem homogenen und gut nachvollziehbaren Handlungsstrang zusammen.

So erhält die Figur des Vampirs Vladimir Giurescu durch eine geschickte Verbindung seiner Person mit tatsächlichen geschichtlichen Ereignissen eine gute Substanz und Glaubwürdigkeit. Außerdem spannen die Stationen seines Lebens einen stringenten Bogen vom der neunzehnten Jahrhundert in die Gegenwart, der dem Zuhörer auch als eine Art Brücke in die Vergangenheit der Nationalsozialistin Ilsa von Hauptstein und ihrer Mitstreiter dient. In diesem Fall ist es gelungen, den vordergründigen, actiongeladenen Teil der Erzählung mit einem Hintergrund aufzufüllen, der dem Ganzen mehr Tiefe und Komplexität verleiht. Davon profitieren vor allem jene düsteren Charaktere, die als Hellboys Gegenspieler auftreten, denn sie gewinnen deutlich an Profil. Ilsa von Hauptstein erhält beispielsweise durch ihre leidenschaftliche Liebe zu dem Vampir Vladimir plötzlich menschliche Züge und ganz nebenbei auch ein Motiv für ihre Handlungen. Ihr bisher eindimensionales, rein hysterisches Auftreten bekommt im Laufe der Auseinandersetzungen aus verständlichen Gründen Risse und enthüllt eine panische, verletzte Seele voller Unsicherheit. Natürlich gleicht auch dieser einfache, psychologische Dreh einer Schwarz-Weiß Karikatur, dennoch werden dem Hörer neue, wandelbare Charakterzüge angeboten.

Auch Rasputins Gründe, die menschliche Rasse vernichten zu wollen, erhalten eine neue Dimension, indem offen gelegt wird, inwiefern seine eigene Unsterblichkeit auf einem Pakt mit dem Fleisch gewordenen Chaos beruht. Wo man im ersten Teil nur fragmentarisches Gefasel über irgendein mysteriöses Wesen vorgekaut bekam, entsteht nun ein plastisches Bild von der Schlange "Ogdru Jahad". Sie verkörpert eine formlose Macht aus dem Raum zwischen den Welten, der Rasputin sich verschrieben hat, und bietet seinem Bestreben, den Grenzen des sterblichen Körpers sowie der Enge des menschlichen Geistes zu entkommen, eine Art Fixpunkt. Dieser starke Antrieb befähigt Rasputin nicht nur, selbst nach dem Tod seines stofflichen Körpers weiter zu existieren. Zudem verleiht er dem Magier auch eine spezielle Präsenz nebst der Fähigkeit, all seine Verbündeten nach Strich und Faden zu manipulieren und anschließend skrupellos zu entsorgen. Die Figur mag zwar nach wie vor überzeichnet sein, doch vor dem beschriebenen Hintergrund seiner reellen Auseinandersetzung mit universellen Kräften erscheint sie weitaus weniger lächerlich als noch im ersten Teil des Hörspiels oder gar im Film. Hinzu kommt Rasputins geschickt eingefädelte, systematische Sabotage der Transportmittel und Waffen, mit denen seine Gegenspieler von der B.U.A.P ausgerüstet sind. Damit entpuppt er sich als intelligenter Puppenspieler, der in dem ganzen Spiel zwischen Ordnung und Chaos ein paar wichtige Fäden zieht.

Durch die neue Komplexität der Charaktere und zusätzliche Hintergrundinformationen verdichtet sich auch die Atmosphäre aller Schilderungen, ob es nun um die Leere zwischen den Sternen oder die gespenstische Szenerie im alten rumänischen Schloss geht, in dem Hellboy ganz alleine durch düstere Gewölbe streift. Gekonnt wird hier auch die Isolation der einzelnen Teams als Spannungsfaktor eingesetzt, indem ihre Versuche, sich über Funkkontakt zu koordinieren, immer wieder fehlschlagen.

Vor allem der rote Held ist mit seiner steinernen Faust auf sich allein angewiesen, während er in den staubigen Gängen und Katakomben des Schlosses entdeckt, daß er es neben Vampir Vladimir plötzlich auch noch mit anderen mythischen Gestalten wie der Hexe Hekate zu tun bekommt. Auch diesen Wesen wird ein kurzer Rückgriff in die Vergangenheit gewidmet, worin ihre Natur und die Entstehung der äußeren Gestalt fein mit den paranormalen Fähigkeiten verwoben werden, bis der Hörer schließlich ein sehr plastisches Bild von Hellboys Widersacherin vor Augen hat. Diese Genauigkeit im Heraufbeschwören gegnerischer Kreaturen ist neu und eine hervorragend investierte Nutzung der etwas verlängerten Spielzeit in diesem Teil des Hörspiels.

Wie bereits im ersten Teil werden auch hier einige Klassiker aus der Kiste geholt, wie man sie schon aus anderen Gruselgeschichten kennt, doch in diesem Fall besteht der Kniff darin, einmal solche Besonderheiten der Ungeheuer auszuschlachten, die normalerweise oft vernachlässigt werden. So macht der uralte Vampir Hellboy weniger als rasendes, Blut saugendes Monster zu schaffen, sondern vielmehr durch seine Fähigkeit, sich in alles Mögliche verwandeln zu können und damit ständig dem groben Zugriff des roten Helden zu entschlüpfen. Interessant ist auch die symbiotische Beziehung zwischen Vladimir und der Hexe Hekate, welche die beiden Kreaturen zunächst schier unüberwindlich macht. Diese hintersinnige Art von Machtzuwachs durch das Nutzen lokaler Umstände kommt in modernen Hörspielen nicht so oft vor und hat mich auf angenehme Weise an alte Märchen erinnert, wie ich sie aus meiner Kindheit kenne.

Es mag sein, daß man es allein durch die Kenntnisse aus dem ersten Teil der Hörspiele im zweiten Teil als Hörer leichter hat, die einzelnen Informationen und Charakterstudien besser zu verarbeiten, weshalb das Gesamtbild der Erzählung im Endeffekt schlüssiger erscheint als zuvor. Dennoch bin ich mir sicher, eine deutliche Steigerung im Vergleich zum vorangegangenen Werk festgestellt zu haben, insbesondere, was die Vernetzung vergangener und gegenwärtiger Ereignisse miteinander angeht.

Glücklicherweise wurde auch weitgehend auf bombastische Musikeinlagen verzichtet, was eine Wohltat für die Ohren ist. Dafür erscheint der Einsatz von Geräuschkulissen insgesamt stimmig und weniger übertrieben als im ersten Teil, zumal auch öfter an den passenden Stellen auf leise Töne gesetzt wird.

Trotz aller Feinheiten in der Darstellung einzelner Personen und Kreaturen kommen aber auch Action- und Kampfszenen nicht zu kurz, ebenso wenig wie die Kraftausdrücke und trockenen Kommentare aus Hellboys Schandmaul. Einziger Wermutstropfen bleibt der Umstand, daß der Charakter des Höllenjungen leider genauso flach und vorhersehbar ist wie im ersten Hörspiel. Gerade durch die vertiefte, vielschichtigere Zeichnung der anderen, ihn umgebenden Charaktere wirkt der Gute noch eindimensionaler als zuvor.

Bedauerlicherweise schwächelt die Stringenz der Erzählung zum Ende hin noch einmal erheblich, da die lange aufgebaute, finale Konfrontation zwischen Hellboy und dem personifizierten Chaos ganz plötzlich ohne einen richtigen Showdown abbricht. Zumindest bleiben die Gründe, warum der rote Held am Ende den Sieg davonträgt, für mich irgendwie verschwommen. Dennoch kann ich alles in allem sagen, daß der zweite Teil der Hellboy Hörspiele meine Erwartungen in fast jeder Hinsicht übertroffen hat. Sollte die Entwicklung der Geschichte auf diesem Niveau weitergeführt werden, können sich alle Fans des glühenden Monsterjägers in dieser kalten Jahreszeit noch einige Stunden heißer Unterhaltung auf die Ohren drücken.

15. Oktober 2008


Lausch - Phantastische Hörspiele
www.merlausch.de
Hellboy 3: Der Teufel erwacht 1
Hellboy 4: Der Teufel erwacht 2
Spielbuch: Robert Schlunze
nach den Comics von Mike Mignola
Regie und Produktion: Günter Merlau
2 CDs, Spieldauer je ca. 60 min.
empfohlen ab 14 Jahren
Artikelnummer/Bestellnummern:
Hellboy 3: ISBN 978-3-939600-49-7
Hellboy 4: ISBN 978-3-939600-50-3