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REZENSION/022: Günter Merlau - Caine, Dark Fantasy (SB)


"Caine",
ein rasantes Dark Fantasy Hörspektakel mit Action Garantie
aus dem Hause Lausch




Steven Caine ist in der Lage, mit den Schatten in seiner Umgebung zu verschmelzen, seine Reflexe und Sinne sind so ausgebaut, dass er nahende Feinde bereits im Hausflur atmen hört und durch seine übermenschliche Stärke kann ihm im Gefecht kein Gegner etwas anhaben. Für einen Auftragskiller wie Caine sind diese Fähigkeiten eigentlich ein traumhafter Segen, doch leider hat die Sache einen riesigen Haken. Seine außergewöhnlichen Talente sind nämlich nur der Nebeneffekt eines Auftrags, den er nicht ablehnen konnte, erteilt von einer außerirdischen Rasse, die ihn als Trumpf in einer Auseinandersetzung von kosmischen Ausmaßen einsetzen will. Einst war Steven Caine San Franciscos bestbezahlter Berufsmörder und ziemlich zufrieden mit seinem Leben hinter den Kulissen der normalen Gesellschaft. Er selbst betrachtete seine Existenz wie folgt: "Ich war ein erfolgreicher Unternehmer in einer Wachstumsbranche mit fließenden Arbeitszeiten, flachen Hierarchiestrukturen und interessanten Aufgaben". Doch mit dieser Idylle ist es urplötzlich vorbei, nachdem Caine einen scheinbar leichten Job von dem italienischen Mafioso Moretti annimmt. Eigentlich wäre das Attentat auf einen Senator während seines Presseauftritts reine Routine, schnell verdientes Geld durch einen wohl platzierten Schuß aus dem Hinterhalt. Doch irgendetwas läuft an diesem Tag furchtbar schief, denn nachdem der Politiker getroffen wurde, tauchen schlagartig überall Polizisten und Bundesbeamte auf, die den Auftragskiller festnehmen und ihn in die Todeszelle verfrachten. Sein Schicksal scheint besiegelt, er erhält die Giftspritze, doch dann wird er unverhofft aus seiner aussichtslosen Lage gerettet. Statt im Jenseits findet er sich in einem feuchten Kellergewölbe wieder, wo Furcht erregende, blauschuppige Monster ihn mit brutaler Folter zu bedingungslosem Gehorsam gegenüber ihrem obersten Kriegsherren Torrkan zwingen. Die reptilienhaften Außerirdischen stammen vom fernen Planeten Kyan'Kor, der sich im Lauf der Jahrhunderte unaufhaltsam in eine lebensfeindliche Eiswüste verwandelt hat.

Das Volk von Kyan'Kor muß daher auf eine andere Welt umziehen und plant von langer Hand die Besetzung der warmen, fruchtbaren Erde. Allerdings sind sie nicht die einzigen Wesen, die sich den Heimatplaneten der Menschen unter den Nagel reißen wollen. Eine andere Spezies namens Aganoi hat ebenfalls begonnen, sich auf dem Globus breit zu machen und führt dabei einen erbitterten Krieg gegen die Kyan'Kor. Ihre Fähigkeit, grauenhafte Dämonen mit verheerender Kampfkraft herauf zu beschwören, macht die Aganoi zu schier unüberwindlichen Gegnern, weshalb Torrkan sich gezwungen sieht, eine verzweifelte Maßnahme zu ergreifen, die sein Volk vor dem sicheren Untergang bewahren soll. Er bannt den Geist eines barbarischen Massenmörders namens Kartaan, der zu seinen Lebzeiten unvergleichlichen Schrecken unter seinen Landsleuten verbreitet hat, in ein Amulett namens Penumbra. Caine wird zum Amuletträger umfunktioniert, der mithilfe der übernatürlichen Fähigkeiten des wiederbelebten Schlächters Kartaan im Konflikt zwischen Aganoi und Kyan'Kor das Zünglein an der Waage spielen und den Feind niedermachen soll. Die Verschmelzung beider Seelen in einem Leib verschafft Steven Caine zwar die eingangs erwähnten Superkräfte, doch zur gleichen Zeit gerät er vom Beginn der unfreiwilligen Partnerschaft an immer mehr unter die geistige Fuchtel des Ungeheuers Kartaan. Ein gnadenloser Kampf um die Vorherrschaft über Körper und Geist entbrennt zwischen den beiden aneinander geketteten Wesen. Caine selbst betrachtet diese Bürde wie folgt: "Sie quetschten die Seele von dem grausamsten Schlächter, dem beschissensten Wichser, der je über den gefrorenen Boden ihres Heimatplaneten gestiefelt ist, in ein Amulett. Bannten diesen super durchgeknallten Turboirren in ein magisches Familienerbstück, das, und das ist der beschissene Clou an der Sache, sie mir schließlich um den Hals hängten wie Godzilla ein Plutoniummassiv".

Trotz der Tatsache, dass das Schicksal von Caine ebenso wie der gesamte Handlungsverlauf im wesentlichen von fantastischen Ereignissen und außerirdischen Kreaturen bestimmt wird, kommen das Umfeld und die Charaktere darin doch zunächst eher bodenständig und realistisch daher. Dreh- und Angelpunkt der Erzählung ist, zumindest auf dem Planeten Erde, das San Francisco der Gegenwart. Dessen Bewohner, wie beispielsweise der altgediente Cop Kilkenny, der Mafiosi Moretti, die Stadtbewohner vom Gefängnisarzt bis zum Leichenverbrenner sowie Caine selbst sind im Wesentlichen damit beschäftigt, mit Hilfe von jeder Menge Zynismus, ihre trivialen Alltagsprobleme zu lösen. Von vornherein wird darauf verzichtet, irgendeine Form der Heldenaura um eine der Figuren aufzubauen oder deren Umgebung durch ein spezielles, futuristisches oder magisches Flair interessanter zu machen. Diese kompromisslose Herangehensweise ist ungewöhnlich, da besonders im Genre der Fantasy und Science Fiction der Reiz einer Story meistens durch den Aufbau einer alternativen Realität gesteigert wird. Allerdings täuscht den kritischen Hörer bei diesem geradlinigem Stil auch nichts darüber hinweg, dass der Plot von "Caine" an sich nicht besonders originell ist. Die Bedrohung der Erde durch Außerirdische, deren Kooperation mit menschlichen Dienern und eine weltweite Verschwörung innerhalb derer Geheimdienste und Regierungen ihre eigenen Ziele verfolgen, das ist alles schon häufiger da gewesen. Ebenso die Figur des moralisch gescheiterten Titelhelden, dem unfreiwillig eine tragende Rolle im Schicksal der Menschheit zu Teil wird, wobei es unerheblich ist, ob es sich dabei nun um einen Auftragskiller des Prototyps "Hitman", einen korrumpierten, trinkenden, Kette rauchenden Privatdetektiv oder irgendeine andere menschliche Schablone handelt.

So schnell, wie der Kern der Handlung dargelegt ist, so wenig unterhaltsam ist die Grundidee der Story. Das neuartige an diesem Hörstück ist vielmehr die Art, wie die Geschichte erzählt wird und diese kennzeichnet sie als eine beachtenswerte Spezialität aus dem Hause Lausch. Von der ersten Sekunde an wird der Hörer in den rasanten Ablauf der Ereignisse hineingezogen, indem er die volle Ladung realistischer Hintergrundgeräusche zu jeder Szene auf die Ohren bekommt. Sozusagen von null auf hundert befindet man sich in einem Raum mit dem frustrierten, alternden Gefängnisarzt, der den zum Tode Verurteilten die Giftspritze verabreicht und seinem laufenden Fernseher, in dem die Nachrichten von der baldigen Hinrichtung Caines künden. Ebenso schnell wechselt man mitsamt der Geräuschkulisse auf die hektischen, lauten Straßen San Franciscos in den Dienstwagen von Kilkenny, der selbstverständlich beim Fahren mit dem Handy telefonieren muß...

Viele Ereignisse in "Caine" überschneiden sich oder finden zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten statt und jedes wird von einer eigenen Soundkulisse begleitet. Die daraus resultierende Hektik sowie die Synchronizität verschiedenster Lebenssituationen geben recht gekonnt den rastlosen Lebensstil der gegenwärtigen Zeit wieder. Zudem wird der Zuhörer in einen Strom ständig wechselnder Perspektiven hineingezogen, der blitzartig immer neue Charaktere erschafft und in das Schauspiel integriert. Mit anderen Worten: Es kommt keine Langeweile auf. Man hat eher das Gefühl, einen sehr zügig angelegten Actionfilm anzusehen, als einem Hörspiel zu lauschen, was den kurzfristigen Unterhaltungseffekt von "Caine" sehr steigert. Beinahe nach jedem einzelnen Track wird ein Schnitt gemacht, nach dem die Orte und Personen ausgewechselt sind, und manche Szenen sind gerade eben lang genug für ein paar wenige Sätze oder eine einzelne Handlung.

Den roten Faden der Story im Blick zu behalten fällt jedoch innerhalb dieser schnellen, unterhaltsamen Struktur und wegen der frühen Einführung vieler verschiedener Figuren teilweise schwer. Es kann durchaus passieren, das man sich in den einzelnen Bruchstücken verliert oder den Zusammenhang bestimmter Gespräche mit dem großen Ganzen nicht mehr herstellen kann. Daher eignet sich diese Hörspielserie anfangs kaum zum entspannten Konsum, sondern fordert dem Hörer doch eine heftige Aufmerksamkeitsleistung ab. Manche Zusammenhänge erschließen sich gar erst viel später in der Serie oder müssen durch ein zweites Anhören richtig eingeordnet werden. Allerdings muß dazu gesagt werden, dass diese Zersplitterung der Erzählstruktur im Laufe der Zeit auf ein angenehmeres Maß heruntergefahren wird und dann auch wirksam den Fluß der Handlung unterstützt. Dementsprechend erhalten auch einige Orte, wie zum Beispiel das eisige, vom Wind durchzogene Kyan'Kor eine signifikante Atmosphäre, in die man als Hörer gut eintauchen kann. Was also die Konstruktion der Erzählung angeht, so kann man trotz gewisser Schwierigkeiten doch von einem interessanten, einfallsreichen Stil sprechen.

Naturgemäß und seinem Genre entsprechend enthält dieses Hörspiel selbstverständlich auch jede Menge Gewaltszenen, da wird natürlich nach Herzenslust gemordet und geschlachtet, was das Zeug hält, hauptsächlich, um Feinde aus der Unterwelt San Franciscos zu beseitigen oder eben in der Schlacht gegen die Dämonen und Monster der Aganoi. Das dabei das Blut trieft, der Schleim spritzt und abgehackte Körperteile durch die Gegend fliegen, ist schon logisch. Die Art, in welcher sich Kartaan und Caine abwechselnd detailliert an den Ergebnissen des jeweiligen Gemetzels ergötzen oder davor ekeln und sich dabei ausführlich in Vergleichen zwischen toten Wesen und Nahrungsmitteln ergehen, ist Geschmackssache. Der Tabubruch ist schließlich ein fester Bestandteil von Dark Fantasy und Horror und wird von deren Fans auch erwartet.

Allerdings stolpert man als halbwegs sensibler Mensch dann doch über eine bestimmte Szene im Hörspiel, in der Linda Watkins, die von ihrer Geheimorganisation zur Beobachtung auf Caine angesetzt wurde, sich kurzfristig ihrem sexuellen Verlangen nach dem Auftragskiller hingibt. Leider übernimmt jedoch Kartaan in diesem Moment die Kontrolle über Caines Körper und so artet der Sex in eine brutale Vergewaltigung aus, bei der der Übergang vom Rausch der Lust zur Brutalität der Schändung recht lange und ausführlich beschrieben wird. Aus der Perspektive des Schlächters werden diese beiden Zustände unterdessen jedoch kaum voneinander abgegrenzt. Durch die Vermischung von Sex und Gewalt auf der zwischenmenschlichen Ebene in einer solch ambivalenten Art und Weise wird hier eindeutig die Grenze zur Geschmacklosigkeit überschritten. Während man zu der comichaften Vorstellung vom Erschießen, Zerstückeln oder Erwürgen irgendwelcher Feindbilder noch problemlos eine fiktive Distanz schaffen kann, dürfte die grausame Vergewaltigung einer Bezugsperson in der Erzählung doch einige Hörer unangenehm berühren und den Reflex auslösen, das Hörspiel ganz auszustellen. Glücklicherweise ist diese Szene ein Einzelfall und bleibt es hoffentlich auch im weiteren Verlauf, denn es ist absolut unnötig, die Dramaturgie einer Erzählung durch derartige Ausfälle auszuschmücken. Dabei sollte auch die Altersfreigabe ab 14 Jahren berücksichtigt werden, welche angesichts einer solchen Darstellung doch etwas zweifelhaft wirkt. Immerhin ist es recht wahrscheinlich, dass nicht alle Jugendlichen in diesem Alter in der Lage sind, den enormen Gewaltanteil in dieser Szene angemessen zu reflektieren.

Bei aller Zweischneidigkeit im Hinblick auf das Niveau der Handlung muß aber betont werden, dass die Machern von "Caine" sehr gute Arbeit bei dem etappenweisen Ausbau der Hauptcharaktere zu richtigen Persönlichkeiten geleistet haben. Glaubt man am Anfang noch, es nur mit den gleichgültigen Fassaden stereotyper Zyniker zu tun zu haben, so gewinnen diese später überraschenderweise durch Rückblenden in ihre Vergangenheit eine gewisse Tiefe. So fällt es dem Hörer nach und nach leichter, sich mit den wichtigsten Personen zu identifizieren und Anteil an ihrem Schicksal zu nehmen. Ihre individuellen Geschichten erklären auch hinreichend, warum sie zunächst mit einer stoischen Ruhe darauf reagieren, wie die Welt um sie herum im Chaos versinkt und selbst mit den traumatischsten Zusammenstößen oder Begegnungen ziemlich leichtfüßig fertig werden. So wird beispielsweise durchaus nachvollziehbar, warum in einem ausgelaugten Cop wie Kilkenny, der sich als ständig überforderter Choleriker durch die Weltgeschichte pöbelt, letztendlich doch eine gute Portion Integrität und Heldenmut stecken, wenn man die einschneidenden Schicksalswendungen seiner Kindheit berücksichtigt.

Die Glaubwürdigkeit der Charaktere fußt aber neben ihrer ausgebauten Vita auch darauf, dass Lausch wirklich fantastische Sprecher für jede wichtige Rolle engagiert hat, die dem Hörer zum Teil bereits durch Film und Fernsehen bekannt sind. Torsten Michaelis, der Caine spricht, hat zum Beispiel schon extrem viele Spielfilme synchronisiert und spielt unter anderem als Feststimme von Wesley Snipes ("Blade") bereits seit längerem in der ersten Liga seiner Zunft. Mit Kaspar Eichel als Moretti und vielen anderen bekannten Sprechern hat der Hörspielproduzent Günter Merlau eine kompromisslos professionelle und fähige Mannschaft zusammengetrommelt, um "Caine" angemessen in Szene zu setzen. Einfach grandios gelungen ist die Darstellung von Kartaan, der dunklen Seele des Amuletts, welcher von Lutz Riedel wahrhaft überzeugend verkörpert wird. Schon durch seine Rolle als Jan Tenner im gleichnamigen 80er Jahre Kult-Hörspiel ist er eine Legende und die Synchronisation von Samuel L. Jackson ist nur ein weiterer Glanzpunkt im Portfolio des wandlungsfähigen Sprechers. Allein seine Umsetzung von Kartaan, der Caine ständig mit vor Hohn triefender Stimme verspottet und drangsaliert, ist herausragend. Selbst nach dem Abschalten des Hörspiels klingen einem seine sarkastischen Worte und psychotischen Witze noch lange im Kopf nach. Neben der Tatsache, dass besonders die letzten Teile der "Caine"-Serie trotz einiger zweischneidiger Komponenten doch die Neugier auf mehr erwecken, ist die umwerfende Darbietung von Lutz Riedel als Kartaan einer der Gründe, weshalb schließlich nur empfohlen werden kann, einmal ein gutes Stück in dieses Machwerk aus dem Hause Lausch hinein zu hören. Man kann sich dabei auf eine wilde Kombination aus herrlich aggressiver Musik der dänischen Band "Mnemic" mit einer aberwitzigen Story vor außergewöhnlicher Soundkulisse gefasst machen.

19. Februar 2009

Lausch - Phantastische Hörspiele
www.merlausch.de
Caine
Sprecher:
Hauptrolle: Torsten Michaelis
weitere Rollen: Lutz Riedel,
Klaus Sonnenschein, Peter Groeger,
Claudia-Urbschat-Mingues

01 Das Amulett von Kyan'Kor
02 Todesengel
03 Collin Drake und die Bruderschaft
04 Dunkelheit
05 Rebellion
06 Mordendyk
07 Dunkler Prophet
08 Torrkan
09 Kartaan
10 Apocalypso


empfohlen ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-939600-00-8