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BUCHBESPRECHUNG/091: "Unter Verschluss" von Herbert Mandelartz (Kriminalroman) (Klaus Ludwig Helf)


Herbert Mandelartz
"Unter Verschluss"

von Klaus Ludwig Helf, Januar 2016


In einer Mülltonne in Berlin-Neukölln wird eine nackte männliche Leiche gefunden - mit Einschussloch in der Stirn und mit Folterspuren; ein Auto wurde in der Nähe abgestellt. Nach einigen Hinweisen und nach dem Auffinden einer Brieftasche in der Oder wird der Tote als Werner Küster identifiziert, Reporter für Sonderaufgaben bei der "Brandenburgischen Allgemeine". Er hatte kurz zuvor eine Veranstaltung über grenzüberschreitende Kriminalität moderiert. Warum musste er sterben? Wonach hat er gesucht? War es organisierte Kriminalität? Drogen-, Menschen- oder Waffenhandel?

Autor des Kriminalromans ist Herbert Mandelartz; es ist bereits sein dritter im Gmeiner Verlag. Mandelartz (*48) studierte Rechtswissenschaften, wurde 1979 promoviert, war 1985 bis 1999 im Innenministerium des Saarlandes zuletzt als Staatssekretär, dann 2001 bis 2006 im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, zuletzt als stellvertretender Chef; seit dieser Zeit ist er u.a. Autor und Lehrbeauftragter an der juristischen Fakultät der Humboldt Universität.

Nach seinem Kriminalroman "Rotkäppchen und Wodka" im Jahr 2014 hat Herbert Mandelartz eine Fortsetzung geschrieben. Damals wurde in einem verworrenen Netzwerk aus Partei-Politik, Staatsraison und deutscher Geschichte der mysteriöse Tod von Hans Schwenk aufgeklärt, Staatssekretär im Brandenburgischen Innenministerium. Dessen damalige Abteilungsleiterin, Astrid Ruter, hatte mit ihm eine Affäre.

Im neuen Roman ist die ehrgeizige und durchsetzungsstarke Karriere-Beamtin jetzt Staatssekretärin und schafft sogar den weiteren Aufstieg, wie sie voller Stolz resümiert: "Die kleine Astrid schaffte es an die Spitze eines Ministeriums in Brandenburg und wird zugleich stellvertretende Ministerpräsidentin ... Sie, die ihren Vater gerächt hatte, indem sie Dr. Schwenk in den Selbstmord getrieben hatte, ohne dass man ihr etwas nachweisen konnte". Wir erleben sie, wie sie sich gegen Ämterpatronage und Parteienfilz, gegen Cliquen und Klüngel in der brandenburgischen SPD prinzipienfest und geschickt, aber auch ausgebufft und erfolgreich durchsetzt - auch gegen den selbstgefälligen und scheinbar allmächtigen Parteivorsitzenden. Sie schafft es sogar, diesen in seiner Funktion abzulösen; allerdings muss sie dabei mit intriganten Methoden etwas nachhelfen - es geht um zwei nachweisbare Korruptionsfälle, in die der "Große Vorsitzende" - wie Dieter Kehl genannt wurde - verstrickt war. Als ruchbar wird, dass er den Chef des Verfassungsschutzes um Ausspähung seiner Erzrivalin gebeten hatte und deshalb auch den Fraktionsvorsitz aufgeben muss, geht der "Krieg" der beiden bis zum bitteren Ende weiter.

Dazwischen wird im Mordfall Küster ermittelt und es begegnen uns wieder bekannte Figuren aus dem vorangegangenen Roman. Es ist wieder der - wie aus dem Ei gepellt dargestellte - exzellente, unbestechliche und versierte Ministerialbeamte Dr. Theodor Leuschner (Leiter der Zentralabteilung des Innenministeriums), Förderer und väterlicher Berater von Astrid Ruter, der die entscheidenden Tipps für die Aufklärung des Mordfalls gibt. Die Spuren führen in das Swinger-Club-Milieu im grenznahen Polen. Werner Küster recherchierte dort offenbar einen anonymen Hinweis, dass ein Mitglied der Landesregierung ständiger Gast sei. "Geheimer" Treffpunkt und Umschlagplatz für den Austausch aller möglichen Informationen und Strategien im Roman ist wieder die Eckkneipe "Bei Kati" - wie überhaupt in diesem Roman reichlich Bier, Schnaps (vor allem Wodka) und Wein fließen; aber auch andere kulturelle Aspekte kommen nicht zu kurz: u.a. Gedichte von Brecht, Romane von Fontane, die Passionskantate von Händel, Brandenburgisches Konzert Nr. 5, Goldberg-Variationen helfen den geplagten Protagonisten im alltäglichen Leben weiter.

Mit vereinten Kräften gelingt es schließlich, in einem spannenden Show-down, den ehemals "Großen Vorsitzenden" wegen seiner mittlerweile kriminellen Machenschaften endgültig zur Strecke zu bringen und den Mordfall aufzuklären; im Swinger-Club "Jagdhaus Lust" in Kunowice ereignen sich dramatische Szenen. Doch - wie in jedem guten Krimi - kommt es anders als man denkt.

Wer sich nicht nur für Mord, Totschlag und Schießereien interessiert, sondern auch für das soziale und gesellschaftliche Umfeld, für politische Intrigen und Machenschaften, für menschliche Stärken und Schwächen, dem kann man diesen Roman sehr empfehlen. Der Roman lässt sich leicht und süffig lesen; er ist spannend und abwechslungsreich komponiert; die Milieus in Politik, Ministerialbürokratie und im Swinger-Club sind plastisch und kenntnisreich geschildert.

Herbert Mandelartz:
Unter Verschluss.
Kriminalroman.
Gmeiner Verlag GmbH, Meßkirch 2015
361 Seiten
exklusiv als E-Book erhältlich
6,99 EUR

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Quelle:
© 2016 by Klaus Ludwig Helf
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2016

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