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BUCHBESPRECHUNG/029: Dafydd ab Hugh - Gefallene Helden (STAR TREK) (SB)


Dafydd ab Hugh


Gefallene Helden

Deep Space Nine



Das vorliegende Buch von Dafydd ab Hugh verdient Respekt, denn es geht sehr respektlos mit unseren Helden um, die in der Fernsehserie gewöhnlich unbeschadet aus jedem Schlamassel hervorkriechen. Doch in diesem Fall kommen sie alle ums Leben, fast alle, um genau zu sein, und dennoch verzichtet auch "Gefallene Helden" nicht auf ein Happy-end. Aber bis es dazu kommt, fragt sich der gespannte Leser ununterbrochen, wie der Autor wohl noch die Kurve bekommt, da er eine Figur nach der anderen auf grausame Weise sterben läßt. Was ist geschehen? Die Raumstation Deep Space Nine wird von einem einzigen Raumschiff unbekannter Herkunft angegriffen. Nur mit Mühe kann sich die Station verteidigen, allerdings ohne zu verhindern, daß sie geentert wird. Invasoren in schwarz glänzenden Rüstungen und Blasenhelmen beamen sich in mehreren Stoßtrupps an Bord und fragen jeden, wo der andere sei, der so sei wie sie. Da niemand etwas mit dieser kryptischen Frage anfangen kann, werden sie erschossen. Nicht weniger gefühlskalt wie die Borg, morden sich die Invasoren von Ring zu Ring und stellen immer wieder diese eine Frage.

Selbstverständlich werden ihnen mit Lasern bewaffnete Sicherheitsleute entgegengeworfen, aber die erleben eine böse Überraschung. Ihre Waffen sind wirkungslos! Die Strahlen werden von den Anzügen der Fremden nicht etwa absorbiert, wie man das gewohnt ist, sondern reflektiert. Sie prallen einfach ab und richten dabei eher noch Zerstörungen an der eigenen Station an oder gefährden gar das eigene Leben. Allein diese Szenen sind so ungewohnt blutig und schonungslos grausam beschrieben, daß der Rezensent dem Autor guten Gewissens attestiert, daß er eines der eindrücklichsten Action-Bücher aus dem Star-Trek- Universum geschrieben hat. Wer diese von den Star-Trek-Autoren nur sehr selten eingeschlagene Richtung mag, findet an "Gefallene Helden" sicherlich sein Vergnügen. Hier eine kurze Leseprobe:

"Major Kira rollte sich herum und wollte aufstehen, brach jedoch sofort wieder zusammen. Als sie an sich herunterschaute, stellte sie fest, daß ihr rechtes Bein direkt unter der Kniescheibe endete. Zum Glück hatte die Explosion, die ihr das Bein abgerissen hatte, die Wunde fast versiegelt. 'Jetzt werde ich vielleicht herausfinden, wie gut der liebe Doktor Julian wirklich ist.' Kira blieb liegen und sah sich um. Sie entdeckte das erbeutete Gewehr keine zehn Meter von sich entfernt. Sie kroch langsam darauf zu und fragte sich, wieso sie im rechten Bein keine Schmerzen hatte. Sie hätte sogar schwören können, das Bein selbst zu spüren, zu fühlen, wie der Stiefel über den Boden scharrte, jede einzelne Niete zu spüren, über die ihre nicht vorhandenen Zehen streiften. Sie spürte sogar das Zusammenziehen der Muskeln. Sie erreichte das Gewehr in dem Augenblick, in dem die nach ihr suchenden Blasenköpfe sie entdeckten. Sie knieten nieder, um zu schießen, doch Kira packte das Gewehr, rollte sich auf den Rücken und gab einen Schuß aus dem Stegreif ab. Erstaunt runzelte sie die Stirn, als die Kugel einen der knienden Invasoren in die Kehle traf. Er fiel zurück, griff sich an den Hals und zuckte vor Schmerzen. Der zweite Invasor zielte sorgfältig und schoß eine Salve ab, die Kira in den Leib traf. Sie spürte einen Schlag in den Magen wie von einem Schmiedehammer. Ein unerträglicher Druck explodierte in ihrem Hals. Kiras linke Seite begann unbeherrscht zu zittern. Sie rollte sich herum und spürte einen schrecklichen Schmerz direkt unter ihrem Brustkorb. Indem sie das Gewehr zwischen ihre Brüste legte, konnte sie es ruhig genug halten, um einen weiteren gezielten Schuß abzugeben. Die Kugel traf den zweiten Invasor ins Gesicht, und er verkochte."

Von solchen Kampfszenen wimmelt das Buch. Die Fremden bleiben fremd, ihre Motive sind lange Zeit nicht abzuschätzen, und Commander Sisko, der als einziger Offizier auf der Brücke aushält, weil alle anderen in der Schlacht gefallen oder schlicht verschollen sind, versucht, mit dem Angebot der Kapitulation noch zu retten, was zu retten ist.

Doch nicht alle Helden fallen im Gefecht, mit zwei von ihnen hat das Schicksal der Ferengi-Götter ein Nachsehen gehabt. Oder sie haben deren Los als Strafe vorgesehen, denn was Quark und sein ständiger Aufpasser, Constable Odo, auf der Station erleben, ist durch und durch grausam. Es ist so schonungslos grausam, daß selbst Quark mehrmals seinen Profit vergißt, weil er innerlich allzu aufgewühlt ist. Denn es begann alles damit, daß der Ferengi einen unbekannten Gegenstand aus dem Gamma-Quadranten, eingeschlossen in einem cardassianischen Tresor, in Kommission nahm. Odo witterte mal wieder Unheil und ließ einen Bioscan des Tresors durchführen - negativ. Der Inhalt schien tatsächlich harmlos. Deshalb drückte Quark auch bedenkenlos jenen unheilvollen Knopf an dem cardassianischen Tresor ...

Erst wurden die beiden in eine blaue Blase eingeschlossen, und als sie wieder freikamen, war die Station funktechnisch tot, der Computer zerstört, die Einrichtungen auf unglaubliche Weise verwüstet, und die Bewohner? Sie waren alle tot, dahingemordet von Hochgeschwindigkeitsprojektilwaffen mit chemischem Treibstoff, wie Odo herausfindet. Die beiden erbitterten Gegner von einst wandeln sich nun in das klassische Gespann Holmes- Watson. Odo hat jedenfalls die Funktion des Sherlock Holmes übernommen, der aus den vorliegenden Fakten Rückschlüsse auf die Ereignisse zieht, wobei Quark ihn dabei unterstützt. Während sie nach und nach aufrollen, was geschehen ist, finden sie unsere Protagonisten. Zunächst Keiko - der halbe Körper weggerissen -, später dann Miles O'Brain - eingeklemmt in eine Wartungsröhre, tot, ein Auge herausgeschossen - und schließlich auch Jadzia Dax - ein letztes triumphierendes Lächeln umspielt ihre toten Lippen.

Ihr war als eine der wenigen gelungen, einen Angreifer zu töten. Dessen Leiche wurde auch nicht durch das in den Anzug eingebaute automatische Vernichtungssystem aufgelöst. Dadurch erhält Odo erstmals einen Blick auf die reptilienartigen Invasoren, und da fällt ihm ein alter Bericht der Cardassianer ein, die von einem absolut xenophilen Volk berichteten, das keinerlei Kontakt zu anderen Völkern aufnehmen wollte, keine Handelsverträge abschloß und aus dem Gamma-Quadranten stammte, die Bekkirs. Diese könnten zwei Dinge absolut nicht ausstehen, wußte Odo zu berichten: Wenn man herauszufinden versucht, wo ihre Heimatwelt liegt, und wenn man einen von ihnen gefangen nimmt.

Jetzt erst, zur Mitte des Buches, weiß der Leser, wie die beiden Handlungsstränge zusammenhängen. Daß sie zusammengeführt werden, war von Anfang an klar, auch bestand kein Zweifel daran, daß Quarks halblegale Machenschaften dahintersteckten, aber jetzt offenbart sich, daß der Tresor einen persönlichen Sender barg, der ein automatisches Signal in den Gamma-Quadranten schickte. Der Satz "Wo ist der andere, der so ist wie wir?" wird damit aufgeklärt.

In wechselnden Sequenzen schildert Dafydd ab Hugh, wie die einzelnen Helden - O'Brian, Dax, Kira, Sisko, Jake und Nog sowie das Gespann Odo und Quark - die Invasion erleben und was sie dagegen zu tun gedenken. Aber während es den Star-Trek-Helden normalerweise gelingt, sich selbst gegen kriegslüsterne Klingonen durchzusetzen, beschreitet der Autor hier gänzlich andere Wege. Das ist ein abwechslungsreicher und gelungener Kontrast zu den vielen anderen Episoden, in denen es um juristische, gesellschaftliche oder religiöse Fragen geht. Aus diesem Grund ist das Buch empfehlenswert, denn es steht für eine Facette des Star-Trek-Universum, die selten reflektiert wird: Die körperliche Auseinandersetzung mit einem überlegenen Gegner und die Erkenntnis der eigenen Ohnmacht.

Wie das Buch ausgeht, soll nicht verraten werden, aber die Serie Deep Space Nine dürfte es nicht mehr geben, wenn ...


Dafydd ab Hugh
Gefallene Helden
Deep Space Nine
vgs Verlagsgesellschaft, 1. Aufl. Köln, 1995
ISBN 3-8025-2328-8