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BUCHBESPRECHUNG/077: Mensch aus dem Nichts (Perry Rhodan Silberband) (SB)


Mensch aus dem Nichts


PERRY RHODAN - Silberband 95



Bereits seit vielen Jahren faßt der Pabel Moewig Verlag mehrere Heftromane der Science-fiction-Serie PERRY RHODAN zu sogenannten SILBERBÄNDEN zusammen. Inzwischen wurde in dieser Reihe Band 95, "Mensch aus dem Nichts", herausgegeben. Die Handlung spielt im Jahre 3583. Die Superintelligenz ES hat sich mit der Aufnahme von 20 Milliarden Bewußtseinen ihres wichtigsten Hilfsvolks, der Terraner, kurz vor dem Sturz der Erde durch den Schlund übernommen und sich sozusagen Erleichterung verschaffen müssen, indem sie beginnt, Bewußtseine wieder abzustoßen, und zwar vorzugsweise sieben auf einen Streich. Wie aus dem Nichts tauchen diese Menschen an verschiedenen Orten der Milchstraße auf und sind nicht nur selber verwirrt, sondern sorgen in ihrer Mitwelt auch für einige Verblüffung.

Der sogenannte Sieben-D-Mann stellt allerdings eine Ausnahme dar, denn seine sieben Bewußtseine sind zuvor von ES mit dem Auftrag versehen worden, den Menschen zu helfen. Dieses "Konzept" - nach dem "Hauptbewußtsein" Kershyll Vanne genannt - verfügt über einzigartige kognitive Fähigkeiten, so daß es sogar mit den in sieben Dimensionen denkenden Keloskern "mathelogisch" mithalten kann. Die im Grunde friedfertigen Kelosker arbeiten nach außen hin weiter für das "Konzil der Sieben" genannte Imperium, aber insgeheim an einem 80-Jahresplan zu Befreiung der Milchstraße von den Okkupatoren, die aus weit entfernten Galaxien stammen.

Abgesehen von dem Sieben-D-Mann und den Keloskern sinnen auch der Roboter Vario-500, der in der Bio-Maske des alternden Prospektors Clynt Talahassie auftritt, sowie das Neue Einsteinische Imperium (NEI) der Menschen und die Milchstraßenvölker der GAVÖK (Galaktische Völkerwürde Koalition) an Mitteln und Wegen, das von den Laren mit ihren einst technologisch unbezwingbaren SVE-Raumern errichtete und mit Hilfe der kollaborierenden Überschweren brutal verteidigte Besatzungsregime endgültig zu Fall zu bringen.

In den vorliegenden Sammelband sind die Romane "Mensch aus dem Nichts" (809) von Hans Kneifel, "Homo sapiens x 7" (810) von William Voltz, "Begegnung auf Olymp" (811) von Peter Terrid, "Der Howalgonier" (812) von H. G. Francis, "Im Strom der Ewigkeit" (813) von Clark Darlton, "Der Vario und der Wächter" (814) von Ernst Vlcek und "Der Sieben-D-Mann" (815) von Kurt Mahr eingeflossen.

Bei einem Vergleich mit den Heftromanen fällt auf, wie weit sich der Charakter der SILBERBÄNDE von den ursprünglichen Heftromanen entfernt hat. Dies soll stellvertretend an einem Beispiel deutlich gemacht werden. In "Der Vario und der Wächter" führt Ernst Vlcek eine Figur namens "Einsam" ein, welche die Nekropolis bewacht und sehr geheimnisvoll ist. Die Leserinnen und Leser erfahren Gedanken und Gewohnheiten Einsams, aber können zunächst noch wenig damit anfangen. Erwartungsgemäß löst sich das Rätsel, was es mit der Figur auf sich hat, erst zum Ende der Geschichte. Dadurch ist ein wichtiger Spannungsbogen entstanden.

In dem SILBERBAND dagegen wird ein wesentlicher Stützpfeiler dieses Spannungsbogens, nämlich das Mysterium um die Figur des Wächters, gleich zu Beginn sehr stark zusammengestrichen. Unter anderem fiel der Inhalt einer kompletten Spalte der zweispaltigen Heftausgabe dem Rotstift zum Opfer. Im folgenden sei eine Passage, die die Leser des SILBERBANDS nicht erfahren, von den ersten beiden Heftromanseiten zitiert:

Die Zeit verging, er maß sie nicht ... Das heißt, er konnte nicht anders, als die Zeit messen und sie bis hinab zu den kleinsten Einheiten einzuteilen. Aber er versuchte es wenigstens, sich dessen nicht bewußt zu werden.

Er kam seinen Pflichten mit der nötigen Sorgfalt nach, ja, er tat sogar mehr als das. Er ging bedächtig und umständlich ans Werk, mit geradezu pedantischer Akribie. Er machte seine Arbeit zu einem Zeremoniell.

Er hätte es einfacher haben können, denn ein einziger Impuls von ihm hätte genügt, um alles das, was er manuell verrichtete, vollautomatisch ablaufen zu lassen.

Doch sich selbst gegenüber entschuldigte er seine Umständlichkeit und die Ritualisierung seiner Tätigkeit damit, daß er den Helden diese Behandlung schuldig war.

Und er sagte ihre drei Millionen Namen auf.

Und er sang die Heldenlieder, Hymnen und Oden auf die Heroen, die auf den Llungorenischen Schlachtfeldern gekämpft haben.

Dort gesiegt und unsterblichen Ruhm erlangten.

Dort verwundet worden waren und unsterblichen Ruhm erlangten ...

Er unterbrach seinen Gesang, denn die wachsamen Sensoren lösten den Alarm aus. (Perry Rhodan, Heftroman Nr. 814, S. 8 f)

Aus der Sicht eines Redakteurs, der sieben Einzelromane zusammenfassen soll und darauf achten wird, daß die Darstellung der Kernhandlung gewährleistet bleibt, macht es womöglich wenig Sinn, die abwegig wirkenden Reflexionen und Aktivitäten eines Einsamkeit fühlenden Roboters, wie das Aufzählen von drei Millionen Heldennamen, die auf dem Schlachtfeld gefallen sind, zu erwähnen. Die Kürzung läuft jedoch auf eine Verarmung der Handlung heraus. Den Lesern wird die Chance genommen, sich auch mit Nebenfiguren näher zu befassen und eigene Phantasien an sie zu knüpfen.

Eine Figur wie Einsam, der ein Roboter mit Bio-Anteilen ist und an Schizophrenie leidet, verliert in der gestrafften Version des SILBERBANDS an Tiefe, und das wirkt sich sehr wohl auf den gesamten Handlungsbogen aus, der an Spannung verliert. Zwar wird die Rahmenhandlung wiedergegeben, aber das Besondere an der Heftromanserie PERRY RHODAN, an der mehrere Autoren mitschreiben, deren Stil sich unterscheidet, geht verloren. Immerhin wird in diesem Fall der Wächter bereits im Titel des Romans aufgeführt und somit auf gleiche Stufe mit dem Roboter Vario-500 gestellt, so daß zu erwarten gewesen wäre, daß dem bei der Leserschaft beliebten Vario-500 eine mindestens ebenso tiefschürfende Figur gegenübergestellt würde. Das fällt in dem SILBERBAND nicht vollständig, aber weitgehend unter den Tisch.

Was wir hier exemplarisch dargestellt haben, gilt auch für andere Figuren und Abläufe, die durch die Überarbeitung reduziert wurden. In diesem Sinne kann man sagen, daß sich der SILBERBAND von den Einzelromanen unterscheidet wie eine Tüte Fast-Food-Essen von einem mehrgängigen französischen Gericht.

02.10.2006


Mensch aus dem Nichts
PERRY RHODAN Silberband 95
Pabel-Moewig Verlag, Rastatt 2006
ISBN 10: 3-8118-4080-0
ISBN 13: 978-3-8118-4080-5