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BUCHBESPRECHUNG/094: Facetten der Ewigkeit (Perry Rhodan) (SB)


Facetten der Ewigkeit


Perry Rhodan Silberband 103



Bei der Charakterisierung der Schurken entfalten die Perry Rhodan-Autoren genauso viel Phantasie wie bei der der Helden. Mindestens genauso viel. Figuren wie Mirona Thetin alias Faktor I, der Supermutant Ribald Corello, Monos, der von dem Kosmokraten Taurec aus einer Eizelle Gesils (Perry Rhodans ehemalige Lebensabschnittspartnerin) stammte, oder Boyt Margor, der einer der Haupthandlungsträger des vorliegenden Silberbands 103 ist, waren von Geheimnissen umgeben, wie man sie sich den manchmal allzu blaß bleibenden Helden, die über einen Zellaktivator verfügen, wünscht.

Der Mutant Boyt Margor, auf dem Planeten Zwottertracht in der Provcon Faust geboren und von Zwottern aufgezogen, besitzt die Fähigkeit, anderen Menschen Energie zu entziehen, so daß sie regelrecht mumifiziert werden, und wendet sie skrupellos an. Außerdem vermag er Personen, zu denen er eine psionische Affinität besitzt, zu seinen bis zur Selbstaufgabe willfährigen Helfern zu machen, den Paratendern. Diese setzt der weißhäutige, schwächlich wirkende Mutant wirksam ein, um seinen Machtbereich auf der Erde bis in die Spitzen der Regierung hinein auszudehnen.

Dank der Paratender bringt Boyt Margor das Auge des Kosmokratenroboters Laire in seine Gewalt. Dadurch beschwört er einen Konflikt zwischen der Erde und dem uralten Volk der Loower herauf. Diese überwachen seit Ewigkeiten das Auge, das einst von ihren Vorfahren auf der Erde versteckt worden war und im Abstand von Äonen einen Impuls aussendet. Bereits die alten Ägypter zur Zeit der Pharaonen hatten es entdeckt und, ohne daß sie im entferntesten begriffen, um was es sich bei dem Gegenstand handelt, in eine der Pyramiden von Giseh eingemauert.

Während Margor mit Hilfe des Auges eine Hyperraumnische konstruiert, in der er sich verstecken kann und für Normalsterbliche unangreifbar wird, sucht die terranische Regierung unter Julian Tifflor verzweifelt nach Verständigung mit den Loowern, die mit 18.000 Raumschiffen das Solsystem besetzen und die Herausgabe des Auges verlangen. Die Loower sind unfähig zu begreifen, daß nicht alle Menschen an einem Strang ziehen und untereinander Diebstahl begehen können. (Einem Kosmokratenroboter das Auge zu stehlen, wie es die Loower vor langer, langer Zeit taten, ist natürlich etwas ganz anderes ...)

Ein zweiter Haupthandlungsstrang dreht sich um die Molekülverformer, die Gys-Voolbeerah, über deren Herkunft und wechselvolle Geschichte erstmals ausführlich berichtet wird. Die Molekülverformer zählten dank der Fähigkeit, ihre Gestalt nach Belieben zu wandeln, eine Zeitlang zu den gefährlichsten Gegnern der Liga Freier Terraner (LFT) und sorgten für zahlreiche zumeist spannende Romane, welche - unter Federführung vor allem von Perry Rhodan-Autor H. G. Ewers - hin und wieder recht skurrile Episoden hervorbrachten. Im Silberband 103 wird der kosmologische Hintergrund mitsamt der Entstehungsgeschichte der Molekülverformer sowie das vorläufige Ende der großen Mehrheit der Mitglieder dieses Volkes geschildert. Sie nehmen ihre mit einem genetisch implementierten Tabu versehene schneeflockenartige Ursprungsgestalt an, verlieren dadurch ihre gestaltwandlerische Gabe und siedeln sich dauerhaft auf dem Planeten Targriffe an, den sie von Julian Tifflor zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Regierung der Erde, welche erst seit rund einem Jahr wieder ihren ursprünglichen Platz zwischen Mars und Venus des Solsystems eingenommen hat und seitdem von den aus dem Exil in der Provcon-Faust zurückgekehrten Menschen besiedelt wird, hat alle Hände voll mit dem Neuaufbau zu tun. Da ist sie froh, daß zumindest die Gefahr durch die Molekülverformer gebannt ist. Doch Boyt Margor und auch die Loower erweisen sich als zwei Bedrohungen, die jede für sich schon alle Aufmerksamkeit erfordern.

Die Autoren probieren hier eine interessante Spielart aus, indem sie weder Perry Rhodan noch Reginald Bull noch Atlan an die Spitze der Menschheit stellen und sie beschützen lassen. Diese Aufgabe kommt den beiden Zellaktivatorträgern Julian Tifflor und Homer G. Adams zu (sowie - eigentlich zuverlässig - dem Mondgehirn Nathan). Beide Figuren zeigen jedoch nur wenig eigenes Profil, was, selbst wenn dies von den Schreibern nicht beabsichtigt war, kein Nachteil ist. Denn erstens könnte man die These vertreten, daß sich die Leserinnen und Leser um so mehr eine Rückkehr Perry Rhodans, der zu jener Zeit mit dem Fernraumschiff SOL unterwegs ist, um die Gefahr durch das Sporenschiff PAN-THAU-RA zu bannen, wünschen. Zweitens, und das ist der wichtigere Grund, kommen dadurch andere Figuren in den Einzelromanen, die in dem Silberband 103 zusammengefaßt werden, mehr zu Geltung.

Das führt nicht nur zur Aufwertung Boyt Margors, sondern verleiht auch Nebenfiguren wie den beiden Molekülverformern Ytter und Nchr, den Loowern Gnogger-Zam und Jarkus-Telft sowie - mit Einschränkungen - auch den drei gäanischen Mutanten Dun Vapido, Eawy ter Gedan und Bran Howatzer, die sich im Kampf gegen Margor allerdings nicht sonderlich geschickt anstellen, ein interessantes Profil. Alles in allem dominieren solche "Neben"-Handlungsträger den vorliegenden Sammelband.

Noch ein abschließendes Wort zum Volk der Loower. Die Perry Rhodan-Autoren experimentieren häufiger damit, einer Person oder einer Rasse mehrere Bewußtseinsebenen zu verleihen. In diesem Fall ist das besonders gut gelungen. Es läßt die Loower fremdartig erscheinen, daß sie über zwei Bewußtseine verfügen, ein Ordinärbewußtsein und ein Sekundär- bzw. Tiefenbewußtsein, dem steten Quell der bemerkenswerten loowerischen Geisteshaltung der Entelechie. Dabei handelt es sich um ein der aristotelischen Philosophie entlehntes Konzept, wonach das Ziel in einer Person bereits enthalten ist.

Nun widerspricht dies scheinbar völlig dem tatsächlichen Gebaren der Loower, die ihr Ziel, durch eine Materiequelle zu den Kosmokraten zu gelangen, seit unzähligen Generationen verfolgen, was bedeutet, daß sie ihr Ziel solange niemals erreichen, solange sie es anstreben. Aber vielleicht verschließt sich die Logik der Entelechiedem Rezensenten, dessen eiweißgestütztes Ordinärbewußtsein a priori nicht in der Lage ist, die höheren Sphären des entelechischen Denkens auch nur zu streifen, geschweige denn sie zu begreifen ...

In den Silberband 103 sind folgende Einzelromane eingeflossen: Impulse aus dem Nichts (PR 878), Sturm auf Terra (PR 879), Gegner im Dunkel (PR 880), Erbe des Tba (PR 881), Brennpunkt Milchstraße (PR 882), Die große Pyramide (PR 883), Auge zum Hyperraum (PR 890), Geschenk der Götter (PR 891) und Facetten der Ewigkeit (PR 892).

14. September 2009


Facetten der Ewigkeit
Perry Rhodan Silberband 103
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt 2008
400 Seiten
ISBN: 978-3-8118-4089-8