Schattenblick →INFOPOOL →BUCH → ROMANE

BUCHBESPRECHUNG/098: Rolf Meisinger - Des Zeichners Geheimnis (Mysteriöses) (SB)


Rolf Meisinger


Des Zeichners Geheimnis



In "Des Zeichners Geheimnis" schildert der Autor Rolf Meisinger, wie er als junger Mann zu einer Spezialeinheit der sowjetischen Streitkräfte kommt, deren Aufgabe daran bestand, mysteriöse Vorfälle und Anomalien vorwiegend im zentralasiatischen Raum zu erforschen. Er wird eine Art Geisterjäger auf sowjetisch, mit anderem Humor und ohne die typische Hollywoodisierung, bei der die Welt am Ende in Ordnung ist.

Soldat Meisinger, der die mysteriösen Orte und die Phänomene, mit denen seine Sondereinheit zu tun hat, zeichnen soll, ist unter anderem mit Figuren wie Major Galkin, Hauptmann Strisch und dem "Armenier" Voronjan unterwegs. Keine von ihnen wird besonders prägnant gezeichnet, mit Ausnahme vielleicht von Galkin, der die Führung des Trupps inne und üblicherweise einen Informationsvorsprung hat.

Der erste Einsatz führt irgendwo nach Turkmenistan - der Autor selbst behauptet, er sei häufig im unklaren gelassen worden, wohin genau seine Reisen gegangen seien. Dort untersucht die Gruppe eine Art Wiedergängerphänomen. Ein örtlicher Hexer will partout nicht von dieser Welt lassen und erschrickt durch sein Erscheinen die Familie. Auf der nächsten Reise kommt die Sondereinheit in der Hochebene von Usturt (Ustjurt) in Kontakt mit einer unbekannten, gefährlichen Spezies, die Sandrochen genannt wird, da sie sich unterhalb des Sandes fortbewegt - eine Mischung aus den Shai-Hulud in Frank Herberts Romanzyklus "Dune" ("Der Wüstenplanet") und H. P. Lovecrafts mythischen Shoggothen.

Außerdem sorgt eine bösartige Büste Lenins für Unruhe im Soldatenleben Meisingers und seiner Vorgesetzten, in Samarkand begibt sich die Spezialeinheit auf die Spuren eines Fluchs und im gebirgigen Teil Afghanistans, das damals noch von sowjetischen Truppen besetzt war, gerät sie unter den gesundheitsgefährdenden Einfluß einer Anomalie, wobei hier irgendwie auch Ufos und geheime Waffenversuche eine Rolle spielen.

Der Ancient Mail Verlag, der das Buch herausgegeben hat, behauptet auf dem Einband, es handle sich um "fast unglaubliche, aber wahre Geschichten". Das muß kein Gegensatz sein. Wenn etwas nicht einfach nur unglaublich ist, sondern"fast" unglaublich, müßte man dann nicht auch sagen können, daß die Geschichten "fast" wahr sind? Letztlich macht es jedoch keinen nennenswerten Unterschied, da "Wahrheit" von seiner Herkunft her "für wahr halten" bedeutet. Es wird damit also ein bestimmter Standpunkt und eine Sichtweise zum Ausdruck gebracht. Wenn also die Geschichten für den Autor wahr sind, muß das deswegen nicht für die Leserinnen und Leser gelten und schon gar nicht mit über den bloßen Lesegenuß hinausgehenden Konsequenzen verbunden sein.

Ob es sich um einen Genuß handelt, ist allerdings fraglich. Obschon die Geschichten des 1970 in Kasachstan geborenen Autoren den Reiz haben, aus einem Kulturkreis zu stammen, von dem man im deutschsprachigen Raum wenig mitbekommt, wirkt das gesamte Produkt unausgereift. Dazu trägt auch die teilweise recht rohe Sprache bei, die offenbar als Stilmittel eingesetzt wird, um den Umgangston der sowjetischen Soldaten untereinander möglichst lebensnah rüberzubringen. Das wirkt mitunter ziemlich unvermittelt und kommt nicht sonderlich gut an.

Kaum mehr als roh ist allerdings auch die Übersetzung vom Russischen ins Deutsche durch Tatjana Meisinger zu bezeichnen. Der Roman erweckt den Eindruck, als sei sie nicht mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen. Schließlich scheint es dem Buch völlig an einem Lektorat gemangelt zu haben, ansonsten wäre kaum erklärlich, wie die Fülle an Tippfehlern, grammatikalischen Fehlleistungen und stilistischen Blüten durchgehen konnte. Es bleibt des Zeichners Geheimnis, was dieses Buch von vielen anderen Produkten, die eigenem Bekunden zufolge jeweils von wahren mysteriösen Begebenheiten berichten, unterscheiden soll, so daß sich die Lektüre empföhle.

23. September 2011


Rolf Meisinger
Des Zeichners Geheimnis
Aus dem Russischen übersetzt von Tatjana Meisinger
Ancient Mail Verlag Werner Betz
2. Auflage April 2011
289 Seiten, 17,80 EUR
ISBN 978-3-935910-40-8