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REZENSION/061: Ronald Kocher - Tiere zeichnen und malen (Maltechnik) (SB)


Ronald Kocher


Tiere zeichnen und malen



Ein Übungs- und Lernprogramm, das sich mit Tierbildern befaßt, stellt eine willkommene Bereicherung für den Hobbykünstler dar. Denn Tierbilder gehören zu einem Spezialgebiet künstlerischer Tätigkeit, dem sich sogar erfahrene Künstler nur selten stellen.

In einem weit größeren Umfang als andere Bildmotive erfordern Tiere ein flinkes Auge, das in Windeseile die charakteristischen Proportionen des Körperbaus und die typischen Merkmale der übrigen äußeren Erscheinung erfaßt. Tiere halten nicht still, um sich porträtieren zu lassen. Auch zahme Haustiere unterscheiden sich diesbezüglich in nichts von ihren Artgenossen in der freien Natur.

Mit einer solchen Aufgabe ist ein Laie selbstverständlich so vollkommen überfordert, daß eine Anleitung für einen möglichst unkompliziert und erfolgreichen Start nur zu begrüßen ist.

Leider jedoch erfüllt das vorliegende Sachbuch diese Erwartungen in keinster Weise. Es hält nicht einmal, was es verspricht. Mit der hier vorgeschlagenen Methode wird weder ein schneller Einstieg glücken, noch lassen sich die angekündigten Bewegungsstudien als solche erkennen. Auch die bunte Vielfalt der verwendeten Maltechniken kann über diese Mängel nicht hinwegtäuschen. Zwar soll nicht ausgeschlossen werden, daß man durch die Lektüre des Buches etwas lernt. Mit Sicherheit jedoch kann gesagt werden, daß der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis stehen wird.

Die Hauptkritik bezieht sich auf die abstrakte, zusammenhangslose Lernmethode. Das Lernprogramm von Ronald Kocher gibt dem Hobbykünstler kein grundlegendes, allgemeines Instrumentarium in die Hand, auf dem er allmählich und zunehmend selbständiger aufbauen kann. Es handelt sich vielmehr um eine Gebrauchsanweisung, die den Hobbykünstler dazu zwingt, die verschiedenen Tierformen einzeln und immer wieder neu, Strich für Strich und Teil für Teil, zu erlernen, um sie dann additiv zusammenzufügen. Ein Beispiel dieser Methode soll verdeutlichen, was gemeint ist:

Ronald Kocher beginnt jede Tierzeichnung mit einer abstrakten Linie von der jeweiligen Rückenpartie eines Tieres in Seitenansicht. Die Linie beginnt an keinem definierten Körperteil und hört auch nicht an einem solchen auf. Nur der erfahrene Zeichner und Tierbeobachter kann an der isolierten Linie erahnen, was gemeint sein soll. Seine Erfahrung ermöglicht es ihm, aus der Vorstellung die restlichen Körperteile des Tieres hinzuzufügen, während ein Laie wahrscheinlich nicht einmal erahnt, wo Kopf oder Schwanz des Tieres ergänzt werden müßten. Für den unvorbereiteten Laien "schwebt" lediglich eine sehr präzis geschwungene Linie in der Mitte eines weißen Blattes. Wären die darauffolgenden Etappen der Tierzeichnung nicht mitabgebildet, bliebe völlig offen, um welche Körpersilhouette es sich bei dem Linienschwung handelt.

Statt dem Anfänger ein Grundgerüst für Säugetiere, Vögel, Fische und Reptilien anzubieten, das er nach der individuellen Gestalt des Tieres in den Proportionen sinnvoll abwandeln könnte, wird der Lernende mit dieser Methode auf eine erste typische Linie fixiert. Die charakteristische Umrißlinie, die eigentlich erst das Ergebnis eines erfolgreichen Naturstudiums bildet, steht am Anfang. In dieser Reihenfolge kann ein schneller Einstieg in die Materie kaum glücken. Es ist viel zu schwierig, eine Kontur zu übertragen, deren präzise Wiedergabe schließlich für die richtigen Proportionen des Tieres ausschlaggebend ist. Das Ergebnis wird frustrierend sein.

Zwar schlägt der Autor vor, unbedingt und vorzugsweise in der Natur nach dem lebenden Modell in freier Skizze zu zeichnen und zu studieren Doch in Ermangelung von Beispielen werden solche Ratschläge wohl kaum animieren.

Auch die angekündigten zahlreichen Bewegungsstudien beschränken sich hauptsächlich auf Tierdarstellungen im Profil, deren einzige Abwechslung es zu sein scheint, das Vorder- oder Hinterbein in der Seitenansicht mal nach vorne und mal nach hinten zu stellen.

Die Überladung des Lernstoffes mit einer Vielzahl von Maltechniken trägt nicht dazu bei, Basiskenntnisse zu schaffen. Zudem verschleiert sie, daß der Autor das eigentliche Thema weder grundsätzlich noch erschöpfend behandelt. Auch die beiläufig eingestreuten Informationen über Abstammung der Tiere, Lebensraum oder Fortpflanzungsgewohnheiten böte unter anderen Umständen einen hübschen und ergänzenden Rahmen zum Thema Tierzeichnung. Im Interesse des Hobbykünstlers wäre es jedenfalls in dieser Zusammenstellung wünschenswert gewesen, die Mühe auf eine fundiertere Qualität für die Abbildung von Tieren zu verwenden.

Vielleicht ist es nicht einmal nötig, vor dem Kauf des Buches zu warnen, denn auch ein Laie wird beim Durchblättern des Werkes bemerken, daß der Verfasser selbst keine Koryphäe auf dem Gebiet der Tierzeichnung sein kann. Seine Illustrationen veranschaulichen das abschreckende Ergebnis seiner konsequent angewandten Lernmethode. Die Tierbilder, welche meist ungelenke oder sogar falsche Vorlagen abgeben, sind auch für bescheidene Ansprüche keine Empfehlung.


Ronald Kocher
Tiere zeichnen und malen
Augustus Verlag, Augsburg 1997
ISBN 3-8043-0533-4