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REZENSION/309: N. Parsa - Terroristen oder Geheimdienstmarionetten? (SB)


Nasrin Parsa


Terroristen oder Geheimdienstmarionetten?

Enthüllungen zum Frankfurter Terroristenprozeß



Spätestens seit den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 in den USA sehen sich die Menschen weltweit dem Schreckgespenst des "internationalen Terrorismus" ausgesetzt, mit dem als Hintergrund der lange befürchtete Kampf der Kulturen zwischen den jüdisch-christlichen Industrienationen und der islamischen Welt - siehe die Eroberungen Afghanistans und des Iraks durch westliche Streitkräfte, die Kontroverse um die Mohammed-Karikaturen, den drohenden Krieg der USA gegen den Iran - scheinbar unaufhaltsam zur grausamen Realität wird. In sämtlichen westlichen Demokratien sind in den letzten viereinhalb Jahren die Bürgerrechte wegen der vermeintlichen Erfordernisse der Terrorbekämpfung erheblich eingeschränkt worden. Für den Fall eines erneuten Großanschlags in den USA rechnet man dort - so jedenfalls der frühere US-Oberbefehlshaber am Persischen Golf, General a. D. Tommy Franks - mit der Verhängung des Kriegsrechts und der Suspendierung des Kongresses.

So unangenehm und bedrohlich es auch erscheinen mag, der mündige Bürger kommt angesichts dieser Gemengelage nicht darum herum, sich mit den Hintergründen des von US-Präsident George W. Bush im Herbst 2001 ausgerufenen, das bisherige 21. Jahrhundert beherrschenden, "globalen Antiterrorkrieges" zu befassen. Hierzu bietet Nasrin Parsas "Terroristen oder Geheimdienstmarionetten? - Enthüllungen zum Frankfurter Terroristenprozeß" den idealen Einstieg. Die aus dem Iran stammende Journalistin ist der Geschichte der fünf algerischen Männer nachgegangen, die vor drei Jahren in der Mainmetropole zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind, weil man es als erwiesen ansah, daß sie für Ende 2000 einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg geplant hatten.

Parsa hat als fast einzige des Arabischen mächtige Person - von den Angeklagten abgesehen - dem damaligen "Al-Kaida-Prozeß" vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt beigewohnt. Zwar hatten die meisten der Angeklagten einige Zeit in irgendwelchen Trainingslagern in Afghanistan verbracht, doch konnte ihnen weder eine Verbindung zum Al- Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens noch die Bildung einer terroristischen Vereinigung nachgewiesen werden. Die Autorin kommt den Beschuldigten ein wenig näher, erforscht ihre Lebensläufe und führt Interviews mit deren Freunden und Verwandten. Das Ergebnis von Parsas Nachforschungen bestätigt voll und ganz das, was vor einiger Zeit Michael Opperskalski, Herausgeber der Zeitschrift Geheim, festgestellt hat:

Personen und Organisationen, die an erster Stelle mit Al Qaida identifiziert werden, sind fast ausnahmslos Mosaiksteine, Führungsfiguren, Strandgut oder Randfiguren westlicher Geheimdienstoperationen, die spätestens in den 70er Jahren im Rahmen des so genannten 'Kalten Krieges' angelaufen waren. Ohne ihre Auftraggeber und Ausrüster in den Führungsetagen westlicher Geheimdienste, vor allem der CIA und des MOSSAD, wäre vieles, was heute unter Al Qaida durch die Medien geistert, so nie entstanden. Auch seit dem 11. September sind Teile dieses Netzwerkes noch in diesem Sinne aktiv und werden von westlichen Geheimdiensten im Interesse geostrategischer Schachzüge instrumentalisiert.
[1]

Die Angeklagten des Frankfurter Prozesses sind allesamt vor den Ereignissen in ihrem Heimatland Algerien, in dem seit Anfang der neunziger Jahre ein mörderischer Bürgerkrieg zwischen der Diktatur und islamischen Rebellengruppen tobt, geflohen. Wie viele in Europa lebende junge Muslime treibt sie das, was in Nordafrika und im Nahen Osten vor sich geht - die Unterdrückung vieler Völker durch pro- westliche Marionettenregime, der israelisch-palästinensische Konflikt und vieles mehr -, um. Ohne feste Verankerung in der deutschen Gesellschaft, die meisten von ihnen halten sich durch Aktivitäten im Drogen- und Kleinganovenmilieu über Wasser, gelangen sie auf der Suche nach Halt im eigenen Kulturkreis an dubiose Gestalten, fundamentalistische Imane in London wie Abu Qatada, die sowohl Kontakt zu Bin Laden wie auch zu den westlichen Geheimdiensten pflegen, und landen schließlich in irgendwelchen Camps in Afghanistan und Pakistan. Dort lernen sie weitere nützliche Idioten wie den aus England stammenden, späteren "Schuhbomber" Richard Reid oder den aus Frankreich stammenden sogenannten "20. Hijacker" des 11. Septembers, Zacarias Moussaoui, kennen.

In Frankfurt wieder angekommen, laufen die Vorbereitungen eines Anschlags an. Sprengstoffmaterial und Waffen werden zusammengetragen. Am 23. Dezember 2000 kommt es zur berühmten, auf Video festgehaltenen Autofahrt nach Straßburg. Nach Angaben der Angeklagten wollte man eine dortige Synagoge zu einem Zeitpunkt in die Luft jagen, an dem das Gebetshaus nicht besucht wurde. Weil man die Synagoge aber angeblich nicht finden konnte, hat man die Bilder vom Weihnachtsmarkt und vom Münster gemacht, um zu belegen, daß man in der nordfranzösischen Stadt gewesen sei. Interessant ist in dem Zusammenhang die Tatsache, daß die "Terroristen" in spe bereits zu diesem Zeitpunkt von den deutschen und französischen Geheimdiensten auf Schritt und Tritt verfolgt werden. Die Observation erfolgt nicht einmal verdeckt. Die mutmaßlichen Täter bekommen die offene Beschattung mit.

Als Anstifter der Aktion identifiziert Nasrin Parsa eine schattenhafte Figur namens Muthanna, von der sie schreibt, daß es sich bei ihr offenbar um einen "V-Mann des Geheimdienstes" handelt. Interessanterweise hat Beindali, nach offizieller Leseart der Anführer der Frankfurter Gruppe, in den Stunden vor deren Verhaftung am 26. Dezember 2000 mehrmals mit Muthanna telefoniert, von dem es in den Prozeßakten heißt, daß von ihm "bisher keine Personalien ermittelt werden" konnten. Alle diese Gespräche sind von deutschen Geheimdiensten mitgeschnitten worden. Fatalerweise erinnern die Telefonate Beindali-Muthanna stark an diejenigen, die zwischen Timothy McVeigh und dem mutmaßlichen BND-Undercoveragenten und ehemaligen Bundeswehroffizier Andreas Strassmeir nachgewiesenermaßen am Vorabend des Oklahoma-Anschlags im Frühjahr 1995 geführt worden sind. Damals brachte Strassmeir einer Gruppe amerikanischer Neonazis, zu denen McVeigh in Kontakt stand, den Bombenbau bei.

Muthanna steht folglich mit anderen mutmaßlichen Agents provokateurs wie Emad Eli Salem und Haroon Rashid Aswat in einer Linie. Als Doppelagent der US-Bundespolizei hatte Salem, ein ehemaliger Offizier der ägyptischen Armee, Anfang der neunziger Jahre die Gruppe um den blinden Geistlichen und Ex-CIA-Kontaktmann Omar Abdel Rahman unterwandert und diese nach Rücksprache mit dem FBI zu verschiedenen Anschlägen angeregt. Tatsächlich hat Salem zusammen mit Ramsi Jousef die am 26. Februar 1993 beim ersten Anschlag auf das World Trade Center verwendete Lastwagenbombe gebaut. Da Salem rund zwei Jahre lang bei allen Zusammenkünften mit den Mitverschwörern verdrahtet war und das FBI folglich die Gespräche abhören konnte, besteht bis heute der begründete Verdacht, daß die US-Bundespolizei den ersten WTC-Anschlag geschehen ließ. [2] Ein ähnliches Bild ergibt sich aus einer näheren Beschäftigung mit den Umständen der Bombenanschläge im letzten Sommer auf das öffentliche Verkehrsnetz Londons, die 56 Menschen das Leben kosteten. Nach Informationen des angesehenen US-Sicherheitsexperten John Loftus handelt es sich bei dem Drahtzieher Haroon Aswat, einem britischen Bürger indischer Herkunft, um einen klassischen Doppelagenten, der seit den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien im Auftrag sowohl des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 als auch des in Großbritannien verrufenen Islamistenvereins Al-Muhajiroun unterwegs gewesen ist. [3]

Parsa, die als Exiliranerin in Frankfurt wegen ihres emanzipierten Lebenstils tätlichen Angriffen seitens engstirniger, selbsternannter Hüter vermeintlich islamischer Wertvorstellungen ausgesetzt gewesen ist, ist über jeden Verdacht einer heimlichen Sympathie für die "Terror-Zelle" um Beindali erhaben. Das hindert sie aber nicht im geringsten daran, die packende und für sie nicht ganz ungefährliche Frage nach den eigentlichen Hintermännern des geplanten Straßburger Anschlags auf die Spitze zu treiben. Folglich kann man ihr Buch als ein Stück erstklassiger Aufklärungsarbeit bezeichnen, die ihren Platz gleich neben den immer noch brisanten, aber leider viel zu wenig beachteten Recherchen Daniel Hopsickers [4] über die Umtriebe Mohammed Attas in Florida in den Wochen und Monaten vor dem 11. September 2001 verdient. Das Problem des "islamischen Terrorismus" läßt sich vom herrischen Umgang des Westens mit den Ländern der muslimischen Welt nicht trennen - eine Erkenntnis, die inzwischen selbst Michael Scheuer, der ehemalige Leiter der Bin-Laden-Abteilung bei der CIA, teilt. Leider scheint es so zu sein, daß bestimmte Kräfte vornehmlich in den USA bei der Durchsetzung ihrer weltweiten Interessen einige "aufgebrachte Moslems" [4] eingeplant und bereits erfolgreich deren gewalttätige Reaktionen als Mobilisierungsmoment in das größere Konzept - Stichwort "globaler Antiterrorkrieg" - integriert haben.

Fußnoten:

[1] Ronald Thoden (Hg.), "Terror und Staat - Der 11. September: Hintergründe und Folgen, Geostrategie, Terror, Geheimdienste, Medien, Kriege, Folter", Kai-Homilius-Verlag, Berlin, 2004, S. 173.

[2] Ralph Blumenthal, "Tapes depict Proposal to Thwart Bomb Used in Trade Center Blast", New York Times, 28. Oktober 1993.

[3] Interview des US-Nachrichtensenders Fox News mit John Loftus am 29. Juli 2005.

[4] Daniel Hopsicker, "Welcome to Terrorland - Mohammed Atta und seine amerikanischen Helfer", Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main, 2004.

[5] Siehe das Interview Zbigniew Brzezinskis mit der französischen Zeitschrift Le Nouvel Observateur, Ausgabe 15-21. Januar 1998, S. 76.


Nasrin Parsa
Terroristen oder Geheimdienstmarionetten?
Enthüllungen zum Frankfurter Terroristenprozeß
Zambon Verlag, Frankfurt am Main, 2006
277 Seiten, Euro 13,80
ISBN 3-88975-106-7

9. März 2006