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REZENSION/432: Klaus Steiniger - CIA, FBI & Co. (SB)


Klaus Steiniger


CIA, FBI & Co.

Das Kartell der US-Geheimdienste



Wer von Klaus Steinigers "CIA, FBI & Co." Enthüllungen erwartet, wie sie auf der Rückseite des Buchs vom Verlag Das Neue Berlin versprochen werden, wird enttäuscht, denn es enthält keine. Statt dessen wartet der langjährige Redakteur und Auslandskorrespondent der Zeitung "Neues Deutschland" mit einem nicht sonderlich originellen Sammelsurium längst bekannter Episoden aus dem Kalten Krieg auf. Schlimmer noch, die vorliegende Lektüre scheint auf das bereits 1998 erschienene Buch Steinigers "Tops und Flops - die Geschäfte der US-Geheimdienste" zurückzugehen, ohne daß die Entwicklungen der Ära George Bush jun. oder die Erkenntnisse der letzten Jahre über weiter zurückliegende historische Ereignisse angemessen berücksichtigt werden. Von einer im Prélude vom Autor angekündigten, inhaltlichen Erweiterung ist wenig zu merken. Diese Mängel hebt auch das von Rainer Rupp, dem ehemaligen Topspion der DDR bei der NATO, im Januar 2008 verfaßte und beigesteuerte Vor- bzw. Nachwort nicht auf.

Auf der Rückseite ist auch von einer "umfassend recherchierten Studie" die Rede. Führt man sich jedoch die 136 am Ende des Buchs aufgelisteten Anmerkungen vor Augen, fällt einem auf, daß die jüngste auf das Jahr 1997 zurückgeht. Die beiden Werke, auf die sich Steiniger am meisten stützt, "The Lawless State - The Crimes of the U. S. Intelligence Agencies" von Morton Halperin, Jerry Berman, Robert Borosage und Christine Marwick (28 Fußnoten) sowie das halbinoffizielle "The Central Intelligence Agency - A Photographic History" (18 Fußnoten) stammen aus den Jahren 1976 respektive 1986. Dagegen wäre zunächst nichts einzuwenden, schließlich gilt das Buch von Halperin et al. als Standardwerk. Doch bedenkt man die zahlreichen Bücher, die uns in den letzten Jahren neue Erkenntnisse über die von Steiniger behandelten Vorgänge gebracht haben, bleibt die fehlende Berücksichtigung derselben unerklärlich.

Zu den wichtigsten Veröffentlichungen jüngeren Datums, deren brisanter Inhalt hätte behandelt werden müssen, gehören James Bamfords "Body of Secrets" über die National Security Agency (NSA), Steve Colls "Ghost Wars" über die Zusammenarbeit zwischen der CIA und den afghanischen Mudschaheddin in den achtziger Jahren und die Entstehung von Al Kaida, Stephen Kinzers "All the Shah's Men" über den 1953 von Washington durchgeführten Sturz der iranischen Regierung Mohammed Mossadeghs, William Peppers "An Act of State" über die Beteiligung staatlicher Stellen an der Ermordung des schwarzen Predigers und Friedensnobelpreisträgers Martin Luther King sowie nicht zuletzt die 2007 von der Zeitschrift Rolling Stone publikgemachte Sterbebettbeichte E. Howard Hunts, des einstigen Mitgliedes der berühmten "Klempner"-Truppe, deren Einbruch in den Watergate-Komplex 1972 zwei Jahre später Richard Nixon den Job als US-Präsident kosten sollte. Hunt gab zu, daß er, Frank Sturgis und andere CIA-Veteranen der gescheiterten Schweinebuchtinvasion auf Kuba und nicht Lee Harvey Oswald 1963 in Dallas US-Präsident John F. Kennedy erschossen hatten. Als Auftraggeber nannte Hunt den damaligen Vizepräsidenten und späteren Kennedy-Nachfolger Lyndon Johnson.

Mit nicht wenig Akribie beleuchtet Steiniger die Entstehungsgeschichte der CIA. Besonders lobenswert sind auch die häufigen Verweise auf die engen persönlichen und geschäftlichen Verbindungen von Angehörigen der CIA-Führungselite wie Alan Dulles, William Donovan, Richard Helms und Frank Wisner zum Großkapital der Wall Street. Steinigers Kritik an der alarmierenden Häufigkeit, mit der über Jahrzehnte hinweg FBI, NSA und Internal Revenue Service (IRS) auf Amerikas Oppositionelle und Regierungsgegner angesetzt worden sind, ist heute noch hochaktuell, wie die jüngste Demontage des demokratischen Gouverneurs von New York, Eliot Spitzer, infolge eines drittklassigen Sexskandals oder der noch laufende Streit zwischen Präsident Bush und den Demokraten im Repräsentantenhaus um die Legalisierung einer gigantischen und illegalen, vom Weißen Haus 2001 angeordneten Überwachung sämtlichen Telefon- und E-Mail-Verkehrs in den USA durch die NSA zeigen.

Dennoch weist Steinigers Geschichte der Zeit bis 1998 einige frappante Lücken auf. Es fehlen unter anderem Hinweise auf: den von der CIA mitinitiierten Aufstand der Tibeter 1956/1957 gegen die Volksrepublik China; die Vertuschung der Beinaheversenkung des NSA-Spionageschiffs Liberty und der Tötung von 39 Besatzungsmitgliedern während des Sechstagekrieges 1967 durch die Israelis; die Erkenntnisse Alfred McCoys über die Teilnahme der CIA am Heroinschmuggel während des Vietnamkrieges; die Förderung der Karriere des jungen Saddam Hussein durch den US-Auslandsgeheimdienst; die Kriegstreiberei des sogenannten B Teams, das sich später als neokonservativer Flügel der Bush-Administration etablierte und auf dessen Konto auch die Diskreditierung der nüchternen Analyse Langleys hinsichtlich der lediglich geringfügigen Bedrohung Amerikas durch die Sowjetunion in den siebziger Jahren ging; den tödlichen Autobombenanschlag auf den ehemaligen chilenischen Außenminister Orlando Letelier am 21. September 1976 am hellichten Tag in Washington; die Geheimverhandlungen George Bush sen. und William Caseys 1980 mit dem "Mullah-Regime" in Teheran, damit die Botschaftsgeiseln im Iran blieben und Ronald Reagan in November desselben Jahres die Präsidentschaftswahl gewinnen konnte (daraus wurde später der Iran-Contra-Skandal); die "Strategie der Spannung" in Italien der siebziger und achtziger Jahre; die Ausbildung sogenannter "Terroristen" in Muammar Gaddhafis Libyen mit Hilfe der beiden CIA-Subunternehmer Ed Wilson und Frank Terpil; die Enthüllungen Gary Webbs über die Rolle der CIA beim Kokainschmuggel von Kolumbien nach Kalifornien; die nachgewiesene Verwicklung des FBI in den ersten Bombenanschlag auf das New Yorker World Trade Center im Februar 1993 (6 Tote und 1000 Verletzte); das vom FBI angezettelte Massaker unter den Branch Davidianiern (86 Tote) zwei Monate später in Waco, Texas; die bis heute nicht geklärte Rolle des FBI, des Büros für Alkohol, Tabak und Feuerwaffen (ATF) und des deutschen Bundesnachrichtendienstes in der Person des ehemaligen Bundeswehroffiziers Andreas Strassmeir beim Oklahoma-Anschlag (169 Tote) im April 1995.

Auch die Gastbeiträge von Rainer Rupp lassen zu wünschen übrig. In seinem Nachwort schreibt der frühere Spion, der erste WTC-Anschlag von 1993 und ähnliche Aktivitäten der früheren Verbündeten Washingtons aus dem Afghanistankrieg gegen die Sowjets hätten die CIA nicht "aufgeweckt" (S. 236) und Langley habe von Osama Bin Laden und seinem Al-Kaida-"Netzwerk" lange Zeit "keine Ahnung" (S. 239) gehabt. Auf letzterer Seite behauptet Rupp in Bezug auf die Anschläge 1993 auf die New Yorker Zwillingstürme, 1996 auf die Khobar Towers im saudischen Dahran (20 Tote), 1998 auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam (224 Tote) und 2000 auf den US-Lenkwaffenzerstörer Cole im Hafen von Aden (19 Tote): "In keinem dieser Fälle hatte die CIA die Betroffenen rechtzeitig warnen können. Es war ihr weder gelungen, Al-Qaida zu penetrieren, noch das elektronische 'Geschnatter' im Äther richtig zu interpretieren, das von den Spezialisten des US-Geheimdienstes 'National Security Agency' (NSA) als sogenannte SIGINT gesammelt wurde."

Wie bitte? Hat Rupp niemals von Ali Mohamed gehört? Der ehemalige Major der ägyptischen Armee mit Ausbildung in psychologischer Kriegführung hat Anfang der neunziger Jahre, noch während er als Feldwebel am John F. Kennedy Special Warfare Center in Fort Bragg, North Carolina, diente, die Bombenleger für den ersten WTC-Anschlag ausgebildet. Später ging er als CIA- und FBI-Doppelagent nach Afghanistan, freundete sich mit Bin Laden an und wurde während des Exils des saudischen Al-Kaida-Chefs im Sudan dessen Leibwächter. Von Khartum aus organisierte Mohamed die Botschaftsanschläge. Möglicherweise hat er sogar die mutmaßlichen Attentäter vom 11. September in der Kaperung von Passagiermaschinen unterwiesen. Fest steht, daß Ali Mohamed in jenem Daily Presidential Briefing (DFB) erwähnt wird, das unter dem Titel "Bin Laden entschlossen, in den USA zuzuschlagen" am 4. August 2001 George Bush auf dessen Ranch in Crawford, Texas, vorgelegt wurde. Berichten zufolge befindet sich der mutmaßliche Agent provocateur seit Oktober 2000 im Zeugenschutzprogramm des FBI.

Man kann es Steiniger und Rupp nicht verdenken, wenn sie im nachhinein auf die unbestreitbaren Erfolge der Hauptverwaltung für Aufklärung (HVA) der DDR im Kalten Krieg und die Pannen der CIA abheben. Schließlich hat der CIA-Direktor im Rahmen der Reformen nach dem 11. September die Verantwortung für die Koordinierung aller 16 US-Geheimdienste an den neuen National Intelligence Director (NID) verloren, was für Langley mit einem erheblichen Prestigeverlust einherging. Die nachvollziehbare Freude über die Mißerfolge der CIA täuscht jedoch nicht darüber hinweg, daß heute möglicherweise noch mehr als während des Kalten Krieges die US-Geheimdienste und die hinter ihnen stehenden, reaktionären Kräfte mit ihren Dauerforderungen nach geeigneten Maßnahmen, welche den Sieg im "Global War on Terror" vorantreiben sollen, die Weltinnenpolitik bestimmen wie beispielsweise ihr vehementes Eintreten für den gläsernen Bürger. Die Tatsache, daß die unheilvolle geopolitische Entwicklung seit dem 11. September 2001 einschließlich der unbeantworteten Fragen zu den Hintergründen der Flugzeuganschläge sowie der Skandale um die CIA-Folterflüge, die Manipulation der Geheimdiensterkenntnisse über die vom Irak Saddam Husseins angeblich ausgehenden Gefahren, die Enttarnung der Undercoveragentin Valerie Plame, die jahrelange Deckung des Atomschmuggelrings um den pakistanischen Wissenschaftler Abdul Qadeer Khan durch die CIA und die Entlassung der FBI-Übersetzerin Sibel Edmonds von Steiniger und Rupp kaum bis gar nicht abgehandelt werden, könnte deshalb allzu leicht den Eindruck erwecken, daß die beiden hervorragenden Autoren dem Anspruch des von ihnen gewählten Buchthemas nicht gewachsen wären.

1. April 2008


Klaus Steiniger
CIA, FBI & Co.
Das Kartell der US-Geheimdienste
Verlag Das Neue Berlin, Berlin, 2008
256 Seiten
ISBN: 978-3-360-01941-7