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REZENSION/723: Bruce Lee - Die Geheimnisse meines Erfolgs (SB)


Bruce Lee


Know Yourself

Die Geheimnisse meines Erfolgs



Als Bruce Lee am 20. Juli 1973 bei Dreharbeiten in Kowloon mit nur 32 Jahren überraschend starb, löste dies bei Millionen seiner Fans rund um die Welt Bestürzung und Trauer aus. Lee galt als fittester Mann auf Erden. Mit einer Reihe höchst erfolgreicher, von ihm choreographierter Kung-Fu-Kinostreifen hat er nicht nur den Actionfilm revolutioniert, sondern auch weltweit reges Interesse an fernöstlichen Kampfkünsten entfacht. Deshalb kursierten damals Gerüchte, Lee sei einem mysteriösen Anschlag zum Opfer gefallen - entweder seitens der chinesischen Triaden, mit denen er sich als Jugendlicher in Hongkong angelegt hatte, worauf ihn seine Eltern an die Hochschule nach Seattle schickten, oder irgendwelcher Kung-Fu-Mönche, die verhindern wollten, daß er ihre Geheimtechniken publik machte. Laut Obduktionsbericht fiel Lee einem Hirnschlag zum Opfer, der eventuell durch die Einnahme von Schmerzmitteln und Kortison zur Behandlung eines Bandscheibenvorfalls begünstigt bzw. herbeigeführt wurde.

Bruce Lee, einst Schüler des Wing-Chung-Großmeisters Yip Man, geht als größter Kampfkünstler des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein - zurecht. Der Zweikampf zwischen ihm und dem damaligen Karateweltmeister Chuck Norris aus den USA in den Katakomben des römischen Kolosseums im Film "The Way of the Dragon" ("Die Todeskralle schlägt wieder zu"), aus dem Jahr 1972 stellt einen absoluten Meilenstein der Cinematographie dar. Von nicht geringerer Bedeutung ist auch die Tatsache, daß Lee als Hauptdarsteller seiner Filme das damals im Westen gängige Klischeebild des Chinesen, der in Western entweder als namenloser Eisenbahnverleger oder als Koch, wie Hop Sing in der TV-Serie Bonanza, oder in Horrorstreifen als finstere Gestalt wie der nach Weltherrschaft strebende Dr. Fu Manchu zu sehen gewesen war, vollkommen zertrümmerte. In dem ebenfalls 1972 erschienenen "Fist of Fury" ("Todesgrüße aus Schanghai") kämpft Lee als nationalistischer Kung-Fu-Vertreter gegen Angehörige des japanischen Besatzungsregimes zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Paris des Orients, entlarvt deren hölzernen Karate-Stil als unterlegen und erklärt stolz am Ende, die Chinesen seien nicht länger die "Kranken Männer Asiens".

1972 war auch das Jahr, in dem sich China durch den historischen einwöchigen Besuch des US-Präsidenten Richard Nixon einschließlich des Treffens zwischen ihm und Revolutionsführer Mao Zedong in Peking der Welt wieder öffnete. Nach mehr als einem Jahrhundert grausamster kolonialer Ausbeutung, zweier verheerender Weltkriege sowie eines blutigen Bürgerkriegs zwischen Kommunisten und Nationalisten hatte sich ab 1949 die neue Volksrepublik von der Welt praktisch abgeschottet, um die Wunden zu heilen und wieder auf die Beine zu kommen. Wie der Zufall so will, verkörperte Lee Anfang der siebziger Jahre geradezu das wiedererwachte China und wurde deshalb auch von Millionen von Menschen in den Ländern Asiens und Afrikas, die sich ab 1945 von der europäischen oder japanischen Kolonialherrschaft befreien konnten, angehimmelt.

Gerade in einer Phase, in der sich die Beziehungen zwischen den USA und der aufstrebenden Supermacht China rapide und drastisch verschlechtern - nicht zuletzt wegen der extrem aggressiven Haltung der Regierung Donald Trumps - mutet es mehr als opportunistisch an, daß Regisseur Quentin Tarantino, nach eigenem Dafürhalten der größte Kenner und Bewunderer asiatischer Kung-Fu-Filme überhaupt, in seiner jüngsten Produktion "Once Upon a Time in Hollywood", die Ende der sechziger Jahre in der Traumfabrik in Los Angeles spielt, den noch nicht berühmten Bruce Lee als arroganten, eingebildeten Luftikus zeigt, der am Filmset für die TV-Serie "Green Hornet" vor versammelter Crew behauptet, im Ring hätte Schwergewichtsboxweltmeister Muhammad Ali gegen ihn nicht die geringste Chance, und dafür gleich bei einem Sparring-Duell mit dem amerikanischen Stuntman Clint Booth, gespielt von Brad Pitt, recht schnell auf den harten Boden der Realität geschickt wird.

Zweifelsohne hätte es Lee in seiner kurzen Filmkarriere ohne eine gehörige Portion Selbstbehauptungswillen und Durchsetzungsvermögen nicht so weit gebracht. Doch von Freunden und Kollegen wurde er sehr geschätzt. Steve McQueen und James Coburn, gleich zwei von John Sturges' "Glorreichen Sieben", waren Schüler Lees in Los Angeles. Die beiden großen Actionhelden haben Lee bei seiner Beerdigung in Seattle am 30. Juli 1973 als Sargträger die letzte Ehre erwiesen. McQueen und Coburn kommen am Ende des Buchs "Know Yourself - Die Geheimnisse meines Wissens", einer Sammlung der philosophischen Reflexionen Lees, zu Wort. Sie bezeugen seine Offenheit, Brüderlichkeit sowie seinen Drang zu ständiger Selbstkritik. Der große Basketball-Star Kareem Abdul-Jabbar, der während seiner Zeit als Spieler für die L.A. Lakers ebenfalls bei Lee dessen Stil Jeet Kune Do studierte, hebt sogar die "Integrität, mit der Bruce sein Leben führte ... Philosophie gelehrt und versucht [hat], Wissen und Weisheit zu verbreiten" hervor. Alle drei Männer bezeugen den großen Einfluß, den die Gespräche mit Lee auf ihr Leben gehabt haben.

Zu behaupten, Lee habe ein eigenes philosophisches Denkgebäude hinterlassen, wäre übertrieben. Das Buch "Know Yourself" gewährt dem Leser gleichwohl einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt Lees, läßt ihn an seinen Ansichten und Eindrücken teilhaben. Die vorliegende Lektüre besteht aus Notizen, die Lee zwecks besserer Selbsterkenntnis angelegt hatte. Seine Lebensphilosophie, wenn man so will, besteht zum größten Teil aus Elementen der östlichen Glaubensrichtungen Taoismus und Zen-Buddhismus, dazu kommen ethische Aspekte aus dem Konfuzianismus sowie Anregungen aus der humanistischen Psychologie Abraham Maslows. Alles steht im Zeichen der Selbstverwirklichung, als müßte man nur "sich selbst treu" sein, um ein glückliches, erfülltes Leben führen zu können.

Da Lee praktisch ganz am Anfang seiner philosophische Reise stand, als er starb, wäre es vollkommen ungerecht, ihm an dieser Stelle Oberflächlichkeit vorzuwerfen. Hätte er länger gelebt, hätte Bruce Lee seine persönlichen Notizen vermutlich niemals in dieser Form der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sondern bestenfalls als Sammelablage für ein tiefergehendes Schriftwerk benutzt. So werden zahlreiche Begriffe wie "Selbst" oder "Wahrheit" unhinterfragt als Axiome benutzt. Völlig nebulös bleiben auch Anweisungen wie "sei wie Wasser". Heißt das, der Mensch sollte sich in eine Qualle verwandeln? "Die Geheimnisse" von Lees Erfolg sind in Wirklichkeit keine. Dafür jedoch lernt man die Motivlage und die Ansichten eines der profiliertesten Grenzgängers zwischen Ost und West auf dem Höhepunkt seines Ruhms kennen und wird zudem von diesem an die fernöstliche Philosophie - Prinzipien wie Yin und Yang oder auch Wu-hsin - herangeführt. Wem das genügt - und es ist nicht wenig - kommt mit "Striking Thoughts", so lautet der englische Originaltitel, voll auf seine Kosten.

9. Juni 2020


Bruce Lee
Know Yourself
Die Geheimnisse meines Erfolgs
O. W. Barth, München, 2020
265 Seiten
ISBN: 978-3-426-29302-7


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