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AKTION/1012: Urgent Action - Saudi-Arabien - Prozesstermin anberaumt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-304/2011-1, AI-Index: MDE 23/008/2012, Datum: 5. April 2012 - gs

Saudi-Arabien
Prozesstermin anberaumt


Herr FADHEL MAKI AL-MANASIF (FADEL MAKKI AL-MANASEF), 26 Jahre alt

Gegen den Menschenrechtsverteidiger Fadhel Maki al-Manasif war für den 9. April ein Gerichtsverfahren anberaumt worden. Kurz vor Prozessbeginn wurde die Verhandlung auf den 9. Mai verschoben. Mit der Anklage wird die Wahrnehmung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit in Saudi-Arabien zur Straftat erklärt.

Der 26 Jahre alte Fadhel Maki al-Manasif wird seit Oktober 2011 in Dammam in der Ostprovinz im dortigen Untersuchungsgefängnis in Haft gehalten. Seine Familie darf ihn nicht besuchen, ihm wird lediglich zwei Mal im Monat ein Telefongespräch mit seinen Angehörigen gestattet. Das Verfahren gegen den Menschenrechtsverteidiger findet vor dem Sonderstrafgericht in Riad statt, einem Richtergremium, das zur Verhandlung von terroristischen Straftaten und Verbrechen gegen die Sicherheit eingesetzt worden ist. Die Anklagen gegen Fadhel Maki al-Manasif lauten unter anderem: "Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Herrscher", "Anstiftung zum Aufruhr", "Aufwiegelung", "Störung der öffentlichen Ordnung durch Teilnahme an Protestmärschen" und "Unterstützung einer vom Staat gesuchten Person". Die Anklagen beziehen sich auf Vorgänge im März 2009. Tatsächlich könnte die Festnahme von Fadhel Maki al-Manasif und der gegen ihn angestrengte Prozess aber auf sein menschenrechtliches Engagement zurückzuführen sein.

Fadhel Maki al-Manasif wurde im März 2009 festgenommen, offenbar weil er an einer Zusammenkunft in der Ostprovinz teilgenommen hatte. Nachdem er schriftlich zugesichert hatte, sich an keinen weiteren Zusammenkünften mehr zu beteiligen, kam der Menschenrechtsverteidiger wieder frei. Am 1. Mai 2011 wurde er im Zusammenhang mit Protesten in der Ostprovinz erneut verhaftet und wegen des Treffens im Jahr 2009 der oben genannten Straftaten angeklagt. Am 22. August 2011 kam Fadhel Maki al-Manasif wieder frei, nachdem er erneut zugesichert haben soll, zukünftig nicht an Protesten teilzunehmen. Am 2. Oktober 2011‍ ‍wurde er aber ein weiteres Mal festgenommen. Am 28. Februar 2012 stellte man Fadhel Maki al-Manasif vor das Sonderstrafgericht in Riad und klagte ihn derselben oben erwähnten Straftatbestände an. Amnesty International geht davon aus, dass gegen Fadhel Maki al-Manasif strafrechtliche Schritte eingeleitet worden sind, weil er seiner Sorge über die Behandlung wie zum Beispiel Inhaftierung von Mitgliedern der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien Ausdruck verliehen hatte.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Im Februar 2009 machten Mitglieder der islamischen Religionspolizei Mutawa'een (Komitee zur Verhütung des Lasters und Verbreitung der Tugend) Videoaufnahmen von schiitischen Frauen, welche die Grabstätte des Propheten Mohammed in Medina besuchten. Das Vorgehen der Mutawa'een erregte den Unmut einer größeren Gruppe schiitischer Männer und Frauen, die sich dort ebenfalls aufhielten. Die Gruppe beschloss, ihrem Protest vor dem Bürogebäude der Religionspolizei in Medina Ausdruck zu verleihen und die Aushändigung der Aufnahmen zu verlangen. Als daraufhin Mitglieder der Mutawa'een die Protestierenden angriffen, spitzte sich die Situation zu. Es kam zu Zusammenstößen, in deren Verlauf mehrere ProtestteilnehmerInnen verletzt wurden. Mindestens neun Protestierende wurden festgenommen, rund eine Woche später aber wieder frei gelassen. Nach Angaben des Innenministers Prinz Naif bin Abdul Aziz Al Saud nahmen die saudischen Behörden auch mehrere Sunniten in Haft.

Am 14. März 2009 äußerte sich der Innenminister, als er die Festnahmen bekannt gab, mit den Worten: "Bürger haben Rechte und Pflichten; ihre Handlungen sollen der Ummah-Doktrin ("Ummah" bedeutet muslimische Gemeinde) nicht zuwiderlaufen. Es ist die Lehre der Sunniten und unserer rechtmäßigen Vorfahren. Es gibt Bürger, die einer anderen Schule folgen, die Intelligenten unter ihnen müssen diese Lehre respektieren."

Am 19. März 2009 fand in Awwamiya in der Ostprovinz eine Protestkundgebung gegen die Ausstellung eines Haftbefehls zur Festnahme von Scheich Nimr Baqir al-Nimr statt, Imam der Moschee in Awwamiya und führender schiitischer Geistlicher. Auslöser für den Haftbefehl soll die von dem Geistlichen geäußerte Kritik an den Anschlägen gegen schiitische BesucherInnen der Grabstätte des Propheten Mohammed und die generell im Land zu beobachtende religiöse Intoleranz gegenüber der schiitischen Glaubensgemeinschaft gewesen sein.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere die umgehende und bedingungslose Freilassung von Fadhel Maki al-Manasif, falls er nur deshalb in Haft gehalten wird, weil er von seinen Rechten auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit in friedlicher Weise Gebrauch gemacht hat.

- Ich bitte Sie nachdrücklich, alle Anklagen gegen Fadhel Maki al-Manasif zurückzunehmen, von denen eine Kriminalisierung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ausgeht. Sorgen Sie bitte dafür, dass alle übrigen Anklagen daraufhin überprüft werden, ob sie überhaupt durch Beweise erhärtet werden können. Stellen Sie sicher, dass sämtliche gegen Fadhel Maki al-Manasif eingeleiteten rechtlichen Schritte internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren genügen.

- Sorgen Sie bitte dafür, dass Fadhel Maki al-Manasif weder gefoltert noch misshandelt wird, regelmäßig von seiner Familie und RechtsanwältInnen seines Vertrauens besucht werden kann und bei Bedarf medizinisch versorgt wird.


APPELLE AN

KÖNIG
His Majesty King Abdullah Bin Abdul Aziz Al-Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 966) 1 403 3125 (über Innenministerium)

INNENMINISTER His Royal Highness Prince Naif bin Abdul Aziz Al Saud
Ministry of the Interior
P.O. Box 2933, Airport Road
Riyadh 11134, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Your Royal Highness / Eure Königliche Hoheit)
Fax: (00 966) 1 403 3125


KOPIEN AN

JUSTIZMINISTER
His Excellency Shaikh Dr. Mohammed bin Abdul kareem Al-Issa
Ministry of Justice
University Street
Riyadh 11137
SAUDI-ARABIEN
Fax: (00 966) 1 401 1741

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S.E. Herrn
Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34
10785‍ ‍Berlin
Fax: 030-8892 5179 oder 030-8892 5176
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 17. Mai 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE SEND APPEALS IMMEDIATELY

- Calling on the Saudi Arabian authorities to release Fadhel Maki al-Manasif immediately and unconditionally if he is being held solely for peacefully exercising his right to freedom of expression and assembly.

- Calling on them to quash all charges that amount to the criminalization of the rights to freedom of expression and assembly and to review all evidence against him for all other charges, and ensure that any legal proceedings against him conform to international fair trial standards.

- Urging the Saudi Arabian authorities to ensure that he is protected from torture or other ill-treatment, given regular access to his family, lawyers of his own choosing and any medical care he may require.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Seit Februar 2011 treffen aus der Stadt al-Qatif, der Nachbarmetropole Awwamiya und der Gegend von al-Ahsa in der Ostprovinz regelmäßig Meldungen über Protestveranstaltungen der schiitischen Minderheit ein, auf denen zumeist die Freilassung von Menschen gefordert wird, die sich ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft befinden.

Am 5. März 2011 bekräftigte die Regierung das bereits seit langer Zeit in Saudi-Arabien geltende generelle Demonstrationsverbot. Im Jahr 2011 wurden in Saudi-Arabien Berichten zufolge mindestens 300 SchiitInnen festgenommen, die überwiegende Mehrzahl in der Gegend von al-Qatif. Die meisten der Festgenommenen befinden sich mittlerweile wieder in Freiheit, gegen mehrere von ihnen sind jedoch Reiseverbote anhängig. Einer Reihe dieser Personen soll der Arbeitsplatz gekündigt worden sein. Vermutlich musste der überwiegende Teil der Freigelassenen zudem schriftlich zusichern, zukünftig nicht mehr an Protestveranstaltungen teilzunehmen. Amnesty International betrachtet alle, die allein wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Protesten festgenommen worden sind, als gewaltlose politische Gefangene. Weitere Informationen über die Inhaftierung von Fadhel Maki al-Manasif im Mai 2011 und seine im August desselben Jahres erfolgte Freilassung finden Sie auf Englisch unter
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE23/012/2011/en und
www.amnesty.org/en/library/info/MDE23/022/2011/en.

KritikerInnen der saudischen Regierung drohen schwere Menschenrechtsverletzungen. Oftmals werden sie ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten, bisweilen in Einzelhaft. Sie dürfen keinen Kontakt zu RechtsanwältInnen aufnehmen und auch die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung nicht vor Gericht anfechten. Häufig werden Gefangene gefoltert oder anderweitig misshandelt, um von ihnen "Geständnisse" zu erpressen, sie wegen "mangelnder Reue" zu bestrafen oder zu dem Versprechen zu zwingen, fortan keinerlei Kritik mehr an der Regierung zu üben. In Saudi-Arabien werden Menschen oftmals so lange ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten, bis sie ein "Geständnis" ablegen. Dies kann Monate oder sogar Jahre dauern. Amnesty International hat in dem am 1. Dezember 2011 veröffentlichten Bericht Saudi Arabia: Repression in the name of security die Niederschlagung der Proteste und Einschränkungen der freien Meinungsäußerung in Saudi-Arabien dokumentiert (siehe
http://www.amnesty.org/en/news/saudi-arabia-protesters-and-reformists-targeted-name-security-2011-12-01).

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-304/2011-1, AI-Index: MDE 23/008/2012, Datum: 5. April 2012 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2012