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AKTION/1029: Urgent Action - Brasilien - Amazonas-Gemeinden bedroht


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-115/2012, AI-Index: AMR 19/007/2012, Datum: 24. April 2012 - we

Brasilien
Amazonas-Gemeinden bedroht



In Gefahr:
Frau NILCILENE MIGUEL DE LIMA
BEWOHNERINNEN DES BEZIRKS LÁBREA
Getötet:
Frau DINHANA NINK

GemeindesprecherInnen und bäuerliche Gemeinschaften in einem abgelegenen Gebiet des Bundesstaates Amazonas im Norden Brasiliens werden immer wieder von illegalen HolzfällerInnen und Landräubern (grileiros) bedroht und angegriffen. Es gibt keine Polizei mehr in dem betroffenen Gebiet. Berichten zufolge werden die illegalen Aktivitäten auch nicht von staatlichen Stellen untersucht. Die BewohnerInnen der Region befinden sich in großer Gefahr. Illegale HolzfällerInnen und Landräuber bedrohen kleine von der Landwirtschaft lebende Gemeinden, die in rechtlich anerkannten Reservaten im Bezirk Lábrea im Nordosten des Bundesstaates Amazonas leben. Mit Schlägen, Drohungen, Brandanschlägen und Diebstahl wird versucht, die SprecherInnen dieser Gemeinden von ihrem Land zu vertreiben. Viele sind bereits aus Angst um ihr Leben aus der Region geflohen. Nachdem Dinhana Nink auf die Situation aufmerksam gemacht hatte, wurde sie in einer Stadt im benachbarten Bundesstaat Rondonia vor den Augen ihres Sohnes erschossen. Sie war zuvor aus Lábrea weggezogen, nachdem man dort ihr Haus niedergebrannt hatte. Nachdem eine Freundin von Dinhana Nink, die Gemeindesprecherin Nilcilene Miguel de Lima, das Eindringen der illegalen HolzfällerInnen in die Reservate angeprangert hatte, wurde sie geschlagen, mit vorgehaltener Waffe bedroht, und man brannte in ihrer Abwesenheit ihr Haus nieder. Seit Oktober 2011 steht Nilcilene Miguel de Lima unter bewaffnetem Schutz der Bundesbehörden. Sie erhält noch immer Drohungen. Im März 2012‍ ‍leiteten BewohnerInnen ihrer Gemeinde eine Nachricht an sie weiter, in der es hieß: "Deine kugelsichere Weste kann deinen Körper schützen, nicht aber deinen Kopf" ("O colete a prova de balas pode proteger seu corpo mas sua cabeça não"). Anfang April musste sie mit Hilfe der Regierung Lábrea verlassen. Es hatte Belege dafür gegeben, dass man sie und die BeamtInnen, die sie schützen, in einen Hinterhalt locken und töten wollte. Nur sie und eine weitere Person in Lábrea erhalten auf Anordnung der brasilianischen Regierung Schutz durch bewaffnete PolizeibeamtInnen. Diese Schutzmaßnahmen müssen jeweils nach drei Monaten erneut überprüft und bewilligt werden. Nichtregierungsorganisationen berichten, dass wegen der fehlenden Präsenz einer örtlichen Polizei in diesem Gebiet nur wenige oder sogar keine Untersuchungen hinsichtlich der illegalen Aktivitäten der kriminellen Banden durchgeführt werden. Seit 2007 sind in dieser Region mindestens sechs Menschen getötet worden. Die kirchliche Organisation Commisão Pastoral da Terra gibt an, dass ihr Berichte über mindestens acht Personen vorliegen, die 2011 Morddrohungen erhalten haben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Lábrea-Region befindet sich in einem so abgelegenen Teil des Landes, dass dort so gut wie keine staatlichen Leistungen, wie beispielsweise polizeilicher Schutz, Gesundheitsfürsorge oder Schulen angeboten werden. Die Polizeiwache, die für diese Region zuständig ist, befindet sich Hunderte Kilometer weiter nördlich und ist nur mit dem Flugzeug zu erreichen.

Als Nilcilene Miguel de Lima 2009 Vorsitzende der Deus Proverá, einer Vereinigung von Kleinbauern, wurde und begann, die Übergriffe der illegalen HolzfällerInnen anzuprangern, ergingen die ersten Drohungen gegen sie. Im Juni 2010 soll Nilcilene Miguel de Lima vor den Augen eines Angehörigen des Nationalen Instituts für Landerschließung und Agrarreform (Instituto Nacional de Colonização e Reforma Agrária - INCRA) brutal zusammengeschlagen worden ein. Acht Tage später wurde sie in ihrem Haus von einem bewaffneten Mann bedroht und musste fliehen. Als sie wieder zurückkehrte, fand sie ihr Haus niedergebrannt vor. Im Mai 2010, nachdem bei dem Besuch von Angehörigen des brasilianischen Bundesumweltamts (Instituto Brasileiro do Meio Ambiente - IBAMA) drei Kettensägen konfisziert worden waren, nahmen die Drohungen weiter zu. Im Oktober wurden erstmals Schutzmaßnahmen für Nilcilene Miguel de Lima ergriffen. Neun bewaffnete Wachleute der Força Nacional, einer Eliteeinheit der bundesstaatlichen Militärpolizei, die von der Regierung in Notfallsituationen eingesetzt wird, wurden zu ihrem Schutz abgestellt. Die Erforderlichkeit der Schutzmaßnahmen muss alle drei Monate neu überprüft werden. Die letzte Überprüfung hat Ende April stattgefunden. Trotz der Überwachung halten die Drohungen gegen Nilcilene Miguel de Lima weiter an. Im März wurde ihr Hund mit einem Kopfschuss getötet. Die Gefahr für sie ist in der Zwischenzeit so groß geworden, dass sie aus der Region wegziehen musste. Ein weiterer Gemeindevorsteher, Pastor Antonio Vasconcelos de Souza, befindet sich ebenfalls unter staatlichem Schutz.

Zwei örtliche Verbände, die die in den Reservaten lebenden Gemeinden vertreten, schrieben in einem offenen Brief: "Wir blicken mit großer Sorge und Angst in die Zukunft. Wir haben gesehen, dass sie bereits einen weiteren unserer FreundInnen im Süden von Lábrea getötet haben und fürchten deshalb um unser Leben. Wir wissen nicht, wer der nächste sein wird" ("Estamos apreensivos e com medo do que possa acontecer vimos que já mataram mais uma companheira nossa no sul de Lábrea então tememos por nossa vida. Não sabemos que será o próximo").

EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, sofort Maßnahmen einzuleiten, um die Sicherheit aller Menschen, die in den Reservaten im Bezirk Lábrea leben, sicherzustellen. Dies beinhaltet auch die dauerhafte Einrichtung einer Sicherheitsbehörde.

- Ich bitte Sie eindringlich, die Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen die Gemeinden in den Reservaten zu untersuchen. Machen sie die Ergebnisse dieser Untersuchung öffentlich und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.

- Ich appelliere an Sie, sofort die systematischen illegalen Aktivitäten der HolzfällerInnen und Landräuber in der Region anzugehen und den rechtlichen Status der Gemeinden in extraktivistischen Reservaten erneut zu bestätigen sowie den Schutz der BewohnerInnen sicherzustellen.


APPELLE AN

GOUVERNEUR DES BUNDESSTAATES AMAZONAS
Exmo. Sr. Omar José Abdel Aziz
Av. Brasil, s/nº Compensa 2
69.036-110 - Manaus/AM
BRASILIEN
(korrekte Anrede: Exmo. Sr. Governador / Dear Governor / Sehr geehrter Gouverneur)
Fax: (00 55) 92 3303 8447

JUSTIZMINISTER
Exmo. Sr. José Eduardo Martins Cardozo
Esplanada dos Ministérios
Bloco "T", 4º andar, 70712-902 - Brasília/DF
BRASILIEN
(korrekte Anrede: Exmo. Sr. Ministro / Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 55) 61 2025 7803


KOPIEN AN

ÖRTLICHE NICHTREGIERUNGSORGANISATION
CPT Amazonas
Rua Silva Ramos, 555
Centro,
69025-030, Manaus/AM
BRASILIEN

BOTSCHAFT DER FÖDERATIVEN REPUBLIK BRASILIEN
S. E. Herrn Everton Vieira Vargas
Wallstraße 57
10179‍ ‍Berlin
Fax: 030-7262 83-20
oder 030-7262 83-21
E-Mail: brasil@brasemberlim.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Portugiesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 5. Juni 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the authorities to take immediate steps to ensure the safety of all those living on reserves in Lábrea municipality, including providing them with a permanent public security presence.

- Urging them to investigate the threats and harassment of those living on these reserves, with the results made public and those responsible brought to justice.

- Calling on them urgently to address the systematic illegal activities of logging and land-grabbing in the region, to reaffirm the legal status of the extractivist communities and guarantee the safety of the residents.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-115/2012, AI-Index: AMR 19/007/2012, Datum: 24. April 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2012