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AKTION/1048: Urgent Action - Haiti - Drohende Zwangsräumung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-144/2012, AI-Index: AMR 36/004/2012, Datum: 21. Mai 2012 - gs 300 FAMILIEN

Haiti
Drohende Zwangsräumung



Rund 300 Familien, die durch das Erdbeben vom Januar 2010 obdachlos geworden waren, müssen damit rechnen, in naher Zukunft auch aus ihrer provisorischen Unterkunft in Port au Prince vertrieben zu werden. Amnesty International befürchtet, dass die Familien dann erneut obdachlos sein werden.

BewohnerInnen von Camp Mormon, einem provisorischen Lager in Delmas in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince, droht in naher Zukunft die Zwangsräumung. In einem Gespräch mit Delegierten von Amnesty International berichteten die BewohnerInnen, am 14. Mai gegen 3 Uhr seien rund 20 Männer, unter ihnen Angestellte der Stadtverwaltung, in dem Lager aufgetaucht. Die Männer hätten die Anwesenden gewarnt, sie müssten mit der Zwangsräumung des provisorischen Lagers rechnen, sollten sie ihre Unterkünfte innerhalb der nächsten 15 Tagen nicht freiwillig verlassen haben. Einige der Männer waren bewaffnet und eröffneten das Feuer auf eine Gruppe von BewohnerInnen, von denen vier Verletzungen davontrugen, als sie auf der Suche nach Schutz davon zu laufen versuchten. Vor diesem Zwischenfall war den BewohnerInnen wiederholt die Zwangsräumung und die Anwendung von Gewalt angedroht worden, sollten sie das Lager nicht aus freien Stücken verlassen. Am 8. Februar drohten Angehörige der Stadtverwaltung, die von bewaffneten Männern begleitet wurden, damit, das Lager niederzubrennen und das Feuer auf BewohnerInnen zu eröffnen, die das Camp dann nicht verlassen wollten. BewohnerInnen des Lagers haben bei der Staatsanwaltschaft beide Zwischenfälle zur Anzeige gebracht.

Bislang ist den LagerbewohnerInnen weder ein gerichtlicher Räumungsbeschluss noch eine sonstige rechtsverbindliche Benachrichtigung zugestellt worden. Ebenso wenig ist mit den betroffenen Familien ein Beratungsprozess in Gang gesetzt oder ihnen das Angebot auf Bereitstellung einer Ersatzunterkunft unterbreitet worden. Die BewohnerInnen von Camp Mormon leben in Behelfsunterkünften. Sie haben keinen Zugang zu fließendem Wasser, die sanitären Anlagen sind völlig unzureichend. Mehrere dort untergebrachte Frauen sind schwanger oder haben erst kürzlich ein Kind zur Welt gebracht. Auch haben Frauen meist die Verantwortung für die Familie.

Am 4. Mai gegen 16.00 Uhr räumte die Stadtverwaltung ohne rechtsstaatliches Verfahren und ohne Bereitstellung einer Ersatzunterkunft das benachbarte Lager Mozayik, in dem 126 Familien lebten. Amnesty International befürchtet, dass den BewohnerInnen von Camp Mormon das gleiche Schicksal droht.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die in Camp Mormon lebenden Familien waren wie Hundertausende andere HaitianerInnen durch das verheerende Erdbeben vom Januar 2010 obdachlos geworden. Sie hatten keine andere Wahl, als sich aus eigenem Antrieb eine neue Unterkunft zu errichten, wo immer sie hierfür eine Möglichkeit sahen. 28 Monate später harren die Familien ebenso wie annähernd eine halbe Million weitere Menschen nach wie vor in Behelfsunterkünften aus. Ihre Rechte auf angemessenes Wohnen und auf Grundversorgung werden missachtet. In mindestens 60 Prozent der notdürftig errichteten Lager droht den dort lebenden Menschen die Vertreibung. Seit dem Erdbeben sind bereits mehrere tausend Familien ohne rechtsstaatliches Verfahren aus ihren Behelfsunterkünften vertrieben worden und dadurch erneut obdachlos geworden. Die Bereitstellung angemessener und für eine dauerhafte Unterbringung errichteter Ersatzunterkünfte kommt nur schleppend voran. Am 4. Mai wurden sämtliche im benachbarten Camp Mozayik lebenden 126 Familien von den örtlichen Behörden ohne rechtsstaatliches Verfahren und ohne das Angebot einer Ersatzunterkunft aus dem Lager vertrieben. Vielen der Familien blieb nicht einmal die Zeit, ihr Hab und Gut aus den Unterkünften zu bergen, bevor diese abgerissen wurden. Rund die Hälfte der Familien haben sich mehrere Kilometer entfernt am nördlichen Stadtrand von Port-au-Prince in der dort kurz nach dem Erdbeben errichteten informellen Siedlung Canaan eine neue Bleibe geschaffen. Dort leben inzwischen mehrere tausend Familien ohne Zugang zu fließendem Wasser und sanitären Einrichtungen. Mit dem erwarteten Eintreffen weiterer Opfer von Zwangsräumungen wird sich die Situation in der Siedlung weiter zuspitzen. Wo die übrigen aus Camp Mozayik vertriebenen Familien gestrandet sind, ist nicht bekannt. Mitte 2011 waren in Delmas bereits zahlreiche Familien von den städtischen Behörden aus ihren provisorischen Unterkünften vertrieben worden.

EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Stellen Sie bitte sicher, dass in Camp Mormon keine Zwangsräumungen ohne rechtliche Grundlage und ohne eine angemessene Bekanntmachung und vorherige Beratung der BewohnerInnen durchgeführt werden. Sorgen Sie weiterhin dafür, dass allen Betroffenen angemessene Alternativunterkünfte zur Verfügung gestellt werden.

- Ich bitte Sie eindringlich, für die Sicherheit der BewohnerInnen zu sorgen und eine Untersuchung der gegen sie gerichteten Drohungen und mutmaßlichen Gewalthandlungen durchzuführen.

- Außerdem fordere ich, dass den BewohnerInnen von Camp Mormon dauerhafte Lösungen angeboten werden, die ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechen. Dies beinhaltet auch, dass ihnen angemessene Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden und ihr Zugang zu Dienstleistungen der Grundversorgung gewährleistet ist.


APPELLE AN

PREMIERMINISTER
Laurent Lamothe
Primature d'Haiti
33 Boulevard Harry Truman
Port-au-Prince
HT-6110
HAITI
(korrekte Anrede: Monsieur le Premier Ministre / Dear Prime Minister / Sehr geehrter Premierminister)
E-Mail: ecrire@laurentlamothe.com
Twitter: @LaurentLamothe "Calling on Haitian PM @LaurentLamothe to stop illegal forced evictions in Camp Mormon Delmas #Haiti Please RT"

GENERALDIREKTOR DER HAITIANISCHEN POLIZEI
Mario Andrésol
Directeur Général de la PNH
Police Nationale d'Haiti
Port-au-Prince
HAITI
(korrekte Anrede: Monsieur le Directeur Général / Dear Director / Sehr geehrter Herr Generaldirektor)
E-Mail: marioandresol@yahoo.fr

BÜRGERMEISTER VON DELMAS
Wilson Jeudi
Mairie de Demas, Rue Charbonnière
Delmas 33
HAITI
(korrekte Anrede: Monsieur le maire / Dear Mayor / Sehr geehrter Bürgermeister)
E-Mail: wilsonjeudy@yahoo.fr


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK HAITI
Herrn Charles Emmanuel
Geschäftsträger a.i.
Botschaftsrat
Uhlandstraße 14
10623 Berlin
Fax: 030-8862 4279
E-Mail: amb.allemagne@diplomatie.ht


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the Haitian authorities to ensure that residents of Camp Mormon are not evicted without due process, adequate notice, consultation and that all those affected have access to adequate alternative accommodation.

- Urging them to ensure the protection of the Camp Mormon residents and launch an investigation into the threats and alleged acts of violence perpetrated against them.

- Calling for Camp Mormon residents and the families evicted from Camp Mozayik to have access to durable solutions according to their needs and wishes, including adequate housing and access to services.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-144/2012, AI-Index: AMR 36/004/2012, Datum: 21. Mai 2012 - gs 300 FAMILIEN
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Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2012