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AKTION/1123: Urgent Action - Iran, Inhaftierter Journalist im Hungerstreik


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-204/2012, AI-Index: MDE 13/046/2012, Datum: 11. Juli 2012 - gs

Iran
Inhaftierter Journalist im Hungerstreik

Amnesty International hat im Jahr 2007 schon einmal eine Urgent Action und Follow-ups zugunsten von Mohammad Sadiq Kabudvand gestartet (s. UA-171/2007 und weitere Informationen).



Herr MOHAMMAD SADIQ KABUDVAND

Der im Teheraner Evin-Gefängnis inhaftierte Journalist Mohammad Sadiq Kabudvand befindet sich seit dem 26. Mai 2012 im Hungerstreik. Seine Aktion ist Ausdruck des Protests gegen die Ablehnung seines mehrfach eingereichten Antrags, seinen schwer erkrankten Sohn besuchen zu dürfen. Bei Mohammad Sadiq Kabudvand handelt es sich um einen gewaltlosen politischen Gefangenen.

Der Sohn von Mohammad Sadiq Kabudvand namens Pejman leidet seit Januar 2012 an einer bislang nicht erkannten Krankheit, die offensichtlich seine Nierenfunktion beeinträchtigt und seine Beinvenen verstopft. Nachdem Mohammad Sadiq Kabudvand von der Erkrankung seines Sohnes erfahren hatte, durfte er ihn im Februar ein einziges Mal für rund zweieinhalb Stunden in der Klinik besuchen. Seitdem hat Mohammad Sadiq Kabudvand seinen Sohn nicht mehr gesehen. Die Strafvollzugsvorschriften im Iran gestatten Freigänge von Gefangenen, wenn Anlässe wie die Erkrankung eines Familienangehörigen vorliegen. In der Regel werden entsprechende Anträge auch genehmigt.

Mohammad Sadiq Kabudvand ist die Genehmigung möglicherweise verwehrt worden, um ihn auf diese Weise zu zwingen, sich im Gefängnis jedweder Art von Aktivismus zu enthalten, beispielsweise keine Offenen Briefe mehr an staatliche FunktionsträgerInnen zu verschicken. Durch den Hungerstreik ist Mohammad Sadiq Kabudvand in schlechter gesundheitlicher Verfassung. Der medizinische Sachverständige des Gefängnisses wie auch ÄrztInnen habe empfohlen, ihn in ein Krankenhaus zu verlegen, damit er dort sachgerecht behandelt werden kann. Mohammad Sadiq Kabudvand lehnte jedoch seine Einweisung in eine Klinik ab, weil ihm während seines dortigen Aufenthaltes Handschellen angelegt werden sollten. Außerdem befürchtete er, im Krankenhaus intravenös oder auf andere Weise zwangsernährt zu werden. Derzeit spritzen die Gefängnisärzte Mohammad Sadiq Kabudvand täglich Injektionen, um seine geschwächte Nierenfunktion zu stabilisieren.

Mohammad Sadiq Kabudvand. Begründer der Nichtregierungsorganisation Human Rights Organization of Kurdistan, ist am 1. Juli 2007 festgenommen worden. Er verbüßt eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten, zu der er wegen seiner journalistischen Tätigkeit und seines menschenrechtlichen Engagements verurteilt worden ist.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 27. Mai 2012 verfasste Mohammad Sadiq Kabudvand einen Offenen Brief, in dem er ausführte: "Staatsanwalt und Sicherheitsapparat verweigern mir nach wie vor Hafturlaub, weil sie mir als Menschenrechtsaktivisten feindlich gesonnen sind und Groll gegen mich hegen. Dabei habe ich bereits die Hälfte meiner rechtswidrigen und ungerechten Freiheitsstrafe verbüßt. Mein Sohn ist unheilbar krank. Er befindet sich in einer schweren Krise ... Ich bin deshalb aus Protest gegen die gesetzeswidrige und unmenschliche Haltung dieser Justiz- und Sicherheitsbediensteten am Samstag, den 26. Mai 2012, um 21.00 Uhr erneut in einen unbefristeten Hungerstreik getreten." Nach seiner Festnahme am 1. Juli 2007 war Mohammad Sadiq Kabudvand zunächst in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses, der aller Wahrscheinlichkeit nach der Kontrolle des Geheimdienstministeriums untersteht, in Haft gehalten worden. Er verbrachte 40 Tage in Einzelhaft. Während dieser Zeit wurde Mohammad Sadiq Kabudvand nach eigenen Angaben verhört, während ihm die Augen verbunden sowie Hände und Füße gefesselt waren. Aus Protest gegen seine Haftbedingungen und die Art und Weise seiner Vernehmung verweigerte Mohammad Sadiq Kabudvand acht Tage lang jede Nahrungsaufnahme. Während dieser Zeit sagte ihm das Gefängnispersonal, er müsse einen schriftlichen Antrag stellen, falls er die Toilette benutzen wolle. Dadurch verschlimmerte sich die bereits bestehende Nierenerkrankung des Häftlings.

Am 19. Mai 2008 verlor Mohammad Sadiq Kabudvand für rund 30 Minuten das Bewusstsein. Ein mit ihm inhaftierter Arzt leistete damals erste Hilfe, während andere Insassen das Wachpersonal herbeiriefen, um Mohammad Sadiq Kabudvand in das Gefängniskrankenhaus bringen zu lassen. Die Wärter ließen ihn jedoch in seiner Zelle ausharren. Tags darauf musste Mohammad Sadiq Kabudvand zu einer bereits terminierten Gerichtsverhandlung erscheinen. Da die Staatsanwaltschaft keinen Vertreter entsandte, wurde die Verhandlung vertagt. Der Richter ordnete zugleich an, Mohammad Sadiq Kabudvand in ein Krankenhaus außerhalb des Evin-Gefängnisses zu bringen, um dort die notwendige medizinische Versorgung zu erhalten. Der richterlichen Anweisung wurde allerdings nicht Folge geleistet, vielmehr blieb Mohammad Sadiq Kabudvand im Krankentrakt des Gefängnisses inhaftiert.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, Mohammad Sadiq Kabudvand unverzüglich und bedingungslos freizulassen, da er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Journalist und in seiner Funktion als Menschenrechtsaktivist allein aufgrund der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit inhaftiert ist.
  • Ich fordere Sie weiterhin auf sicherzustellen, dass Mohammad Sadiq Kabudvand jede notwendige medizinische Versorgung erfährt. Dazu zählt auch - wie von den Ärzten im Evin-Gefängnis angeraten - seine Behandlung in einer außerhalb des Gefängnisses gelegenen medizinischen Einrichtung.
  • Ich bitte Sie eindringlich, Mohammad Sadiq Kabudvand die in der Strafvollzugsordnung vorgesehene Möglichkeit einzuräumen, seinen schwerkranken Sohn zu besuchen.

APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid
Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN (korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Twitter: @khamenei_ir #Iran must release Kabudvand now
E-Mail: info_leader@leader.ir

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[c/o] Public Relations Office, Number 4
2 Azizi Street intersection
Tehran, IRAN (korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: bia.judi@yahoo.com (Betreff: FAO Ayatollah Sadegh Larijani)


KOPIEN AN

LEITER DER STAATLICHEN
MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
MOHAMMAD JAVAD LARIJANI
High Council for Human Rights
[c/o] Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave
south of Serah-e Jomhouri
Tehran, IRAN (korrekte Anrede: Dear Sir / Sehr geehrter Herr Larijani)
(Betreff: FAO Mohammed Javad Larijani)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de oder
info@iranbotschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. August 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Iranian authorities to release Mohammad Sadiq Kabudvand immediately and unconditionally, as he is a prisoner of conscience, held solely for the peaceful exercise of his rights to freedom of expression and association in his journalism and human rights work.
  • Calling on them to ensure that Mohammad Sadiq Kabudvand receives any medical attention he may require, includingtreatment at a medical facility outside the prison, as recommend by the doctors of Evin Prison.
  • Calling on them to allow him prison leave to visit his ailing son as stipulated in the Prison Regulations.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Am 9. Januar 2012 wurde Mohammad Sadiq Kabudvand schließlich doch in eine Klinik verlegt. Seine Ehefrau Parinaz Baghbani Hassani, die ihn kurz zuvor am oder um den 30. Dezember 2011 herum im Evin-Gefängnis besucht hatte, berichtete, er habe sich benommen gefühlt. Am 10. Januar habe er sie angerufen und ihr mitgeteilt, er sei tags zuvor zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht worden. Dort habe man seine Prostata und seine Herzkranzgefäße untersucht sowie einen Bluttest gemacht. Die Untersuchungsbefunde veranlassten ÄrztInnen zu der Empfehlung, Mohammad Sadiq Kabudvand stationär im Krankenhaus aufzunehmen und ihn einer Operation an der Vorsteherdrüse zu unterziehen. Statt dessen wurde er aber ins Evin-Gefängnis zurückgebracht. Ob Mohammad Sadiq Kabudvand die notwendige medizinische Behandlung erhalten, ist unklar.

Mohammad Sadiq Kabudvand, ein Angehöriger der kurdischen Minderheit in Iran, ist Gründer und Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation von Kurdistan HROK (bekannt auch als RMMK in Ableitung aus den Initialen ihrer kurdischen Organisationsbezeichnung). Bis 2004 war Mohammad Sadiq Kabudvand zudem Herausgeber der Wochenzeitung Payam-e Mardome Kordestan, die in ihren Artikeln die kulturellen, sozialen und politischen Rechte der kurdischen Minderheit im Iran thematisierte. Am 27. Juni 2004 wurde die Zeitung von der iranischen Justiz wegen "Verbreitung separatistischen Gedankenguts und Veröffentlichung falscher Behauptungen" mit einem dreijährigen Erscheinungsverbot belegt. Der Oberste Gerichtshof hob das Verbot in der Berufung wieder auf, bislang hat Payam-e Mardome Kordestan jedoch ihre Publikationstätigkeit noch nicht wieder aufgenommen.

Am 16. Juli 2009 war Mohammad Sadiq Kabudvand in das Mahabad-Gefängnis in der im Nordwesten des Iran gelegenen Provinz West-Aserbaidschan verlegt worden. Drei Tage später war er der 1. Kammer des Revolutionsgerichts in der im Nordosten von Iran gelegenen Stadt Mahabad vorgeführt und wegen der Veröffentlichung und Verbreitung von Schriften über kurdische Frauen der "Propaganda gegen das System" angeklagt worden. Mohammad Sadiq Kabudvand soll seinerzeit gegenüber dem Gericht ausgeführt haben, dass "die in der Schrift enthaltenen Angaben, auf die sich die Anklage bezieht, keinerlei Ähnlichkeit mit der von HROK veröffentlichten Literatur aufweist". Er betonte des Weiteren: "Die von HROK herausgebrachten Schriften tragen das Logo der Organisation und enthalten ihre Adresse. Wir können nur für die Materialen verantwortlich gemacht werden, die auf der Website der Organisation veröffentlicht worden sind." Über ein Urteil im damaligen Prozess liegen keine Informationen vor.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-204/2012, AI-Index: MDE 13/046/2012, Datum: 11. Juli 2012 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2012