Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/1131: Urgent Action - Syrien - Weiterhin ohne Kontakt zur Aussenwelt in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-067/2012-2, AI-Index: MDE 24/065/2012, Datum: 13. Juli 2012 - gs

Syrien
Weiterhin ohne Kontakt zur Aussenwelt in Haft

Weitere Informationen zu UA-067/2012 (MDE 24/019/2012, 29. Februar 2012 und MDE 24/047/2012, 22. Mai 2012)



MAZEN DARWISH, Leiter des Medienzentrums
Herr HANI AL-ZITANI
Herr ABD AL-RAHMAN HAMADA
Herr HUSSEIN GHARIR
Herr MANSOUR AL-OMARI

Mazen Darwish, Leiter des Syrischen Zentrums für Medien und Freie Meinungsäußerung, und vier seiner Mitarbeiter befinden sich nach wie vor unter Bedingungen in Haft, die dem Verschwindenlassen gleichkommen, obwohl die Männer laut richterlicher Weisung einem Militärgericht vorgeführt werden sollen.

Am 16. Februar wurde während einer Razzia im Syrischen Zentrum für Medien und Freie Meinungsäußerung (Syrian Centre for Media and Freedom of Expression - SCM) der Leiter des Zentrums, Mazen Darwish, zusammen mit 13 MitarbeiterInnen und zwei BesucherInnen festgenommen. Die Razzia wurde von uniformierten Männern durchgeführt, bei denen es sich vermutlich um Angehörige des Luftwaffengeheimdienstes handelt. Elf der Häftlinge sind inzwischen wieder freigekommen, acht von ihnen gegen Kaution. Diesen acht Personen droht ein Prozess vor einem Militärgericht.

Mazen Darwish, Hussein Gharir, Hani al-Zitani, Mansour al-Omari und Ab al-Rahman Hamada werden ohne Kontakt zur Außenwelt an einem unbekannten Ort in Haft gehalten. Die Behörden haben mehrfache Nachfragen der Familien und RechtsanwältInnen der Gefangenen unbeantwortet gelassen. Nach Einschätzung von Amnesty International handelt es sich bei den Männern um gewaltlose politische Gefangene, die allein deshalb in Haft sind, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung friedlich wahrgenommen haben und dem SCM angehören.

Nach Angaben von jüngst freigelassenen Gefangenen werden Mazen Darwish und Hussein Gharir auf einem Stützpunkt des Luftwaffengeheimdienstes in Damaskus in Haft gehalten, während sich Hani al-Zitani, Mansour al-Omari und Abd al-Rahman Hamada vermutlich in der unweit von Damaskus gelegenen Stadt al-Mo'damiyah in Gewahrsam befinden. Drei dort vom 19. März bis 22. April inhaftierte Männer haben angegeben, sie selbst wie auch die drei SCM-Mitarbeiter seien geschlagen und gefoltert worden.

Gegen die acht Gefangenen, denen ein Prozess vor einem Militärgericht in Damaskus bevorsteht, ist Anklage wegen "Besitzes eines nicht genehmigten Aufnahmegeräts und beabsichtigter Verbreitung verbotener Schriften" erhoben worden. Nach Auskunft ihrer RechtsanwältInnen stellte der vorsitzende Richter beim Luftwaffengeheimdienst zwei Anträge, Mazen Darwish während der Verhandlungen am 29. Mai und 25. Juni als Zeugen aussagen zu lassen. Den Anträgen des Richters wurde nicht stattgegeben, woraufhin die RechtsanwältInnen ihn baten, für die nächste Verhandlung am 6. August erneut einen Antrag zu stellen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Bei den übrigen acht Angeklagten handelt es sich um Sanaa Mohsen, Mayada Khalil, Razan Ghazzawi, Yara Badr, Bassam Al-Ahmad, Joan Fersso und Ayham Ghazoul sowie um Hanadi Zahlout, einen Besucher des SCM. Sollten die genannten Personen schuldig gesprochen und zu Haftstrafen verurteilt werden, würden sie von Amnesty International als gewaltlose politische Gefangene betrachtet. Rita Dayoub und Maha Assabalani, zwei weitere SCM-Mitarbeiterinnen, sind zusammen mit dem Besucher Shadi Yazbek wieder aus der Haft entlassen worden und müssen nach vorliegenden Informationen nicht mit einem Strafverfahren rechnen.

Seit Ausbruch der Proteste sind in Syrien mehrere tausend vermeintliche Oppositionelle festgenommen und viele von ihnen, wenn nicht sogar alle, gefoltert oder anderweitig misshandelt worden. Amnesty International liegen die Namen von mehr als 430 Menschen vor, die seither in der Haft zu Tode gekommen sein sollen. Die Organisation hat außerdem zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Häftlinge gefoltert oder anderweitig misshandelt wurden. Weitere Informationen zu Fällen von Folter und anderen Misshandlungen von syrischen Häftlingen finden Sie im englischsprachigen Bericht: "I wanted to die": Syria's torture survivors speak out, März 2012,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/016/2012/en

Amnesty International liegen zudem zahlreiche Berichte über offensichtliche Fälle des Verschwindenlassens vor, in denen die syrische Regierung den Familienangehörigen keinerlei Informationen über den Verbleib der "verschwundenen" Personen zukommen ließ. In den meisten dieser Fälle sollen die Festnahmen von Sicherheitskräften ausgeführt worden sein. Insgesamt sind mehrere tausend Menschen festgenommen und viele von ihnen ohne Kontakt zur Außenwelt in geheimen Einrichtungen in Haft gehalten worden, in denen Folterungen und anderweitige Misshandlungen an der Tagesordnung sein sollen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere die sofortige und bedingungslose Freilassung der Gefangenen Mazen Darwish, Hani al-Zitani, Abd al-Rahman Hamada, Hussein Gharir und Mansour al-Oman.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass die genannten Gefangenen weder gefoltert noch anderweitig misshandelt werden. Veranlassen Sie bitte, dass Mazen Darwish und seine Mithäftlinge unverzüglich Kontakt zu ihren Familien und einem Rechtsbeistand eigener Wahl aufnehmen können und angemessen medizinisch versorgt werden.
  • Lassen sie bitte all diejenigen Anklagen gegen die übrigen acht Gefangenen fallen, die sich lediglich auf ihr gewaltfreies Engagement und ihre Verbindungen zum Syrischen Zentrum für Medien und Freie Meinungsäußerung beziehen.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Ministry of Foreign Affairs and Expatriates
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 214 6253

INNEMINISTER
His Excellency
Major General Mohamad Ibrahim al-Shaar
Ministry of Interior, 'Abd al-Rahman Shahbandar Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 211 9578


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
S.E. Herrn Radwan Loutfi
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 24. August 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Syrian authorities to release Mazen Darwish, Hani al-Zitani, Abd al-Rahman Hamada, Hussein Gharir and Mansour al-Omari immediately and unconditionally.
  • Urge them to ensure that Mazen Darwish, Hani al-Zitani, Abd al-Rahman Hamada, Hussein Gharir and Mansour al-Omari are protected from torture and other ill-treatment, allowed immediate contact with their families and lawyers of their choice, and provided with any medical treatment they may require.
  • Calling on them to drop all charges against the other eight related solely to their peaceful activities for, or links with, the Syrian Centre for Media and Freedom of Expression (SCM).

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die Menschenrechtslage in Syrien verschlechtert sich weiterhin. Die syrische Regierung hat zwar am 27. März den von Kofi Annan, dem Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für Syrien, vorgelegten Sechs-Punkte-Plan wie auch das am 12. April vereinbarte Waffenstillstandsabkommen akzeptiert, sich jedoch nicht daran gehalten. Die UN-Beobachtermission UNSMIS hat deshalb am 16. Juni ihre Arbeit bis auf Weiteres eingestellt. Seit dem 27. März hat Amnesty International aus Syrien weitere Berichte über Festnahmen und die Inhaftierung von Menschen unter Bedingungen, die dem Verschwindenlassen gleichkommen, erhalten. Im Norden des Landes hat Amnesty International Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen dokumentiert. Nähere Informationen finden Sie in englischer Sprache in dem Bericht Deadly Reprisals: Deliberate killings and other abuses by Syria's armed forces, Juni 2012, unter
https://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/041/2012/en

Für die große Mehrzahl der von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen tragen die syrischen Sicherheits- und Streitkräfte wie etwa die shabiha-Milizen Verantwortung. Aber auch Gruppen der bewaffneten Opposition haben Menschenrechtsverstöße begangen. Sie haben unter anderem gefangen genommene Soldaten und Mitglieder der shabiha-Milizen gefoltert sowie vermeintliche AnhängerInnen oder Kollaborateure der Regierung und ihrer Truppen und Milizen entführt und getötet. Amnesty International verurteilt diese Menschenrechtsverstöße uneingeschränkt und ruft die Führung aller bewaffneten Oppositionsgruppen auf, öffentlich zu erklären, dass solche Menschenrechtsverletzungen untersagt sind, und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um solchen Menschenrechtsverstößen umgehend Einhalt zu gebieten. Amnesty International dokumentiert seit April 2011 in Syrien systematische und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mögliche Kriegsverbrechen. Die Organisation ruft seither dazu auf, die Situation in Syrien der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten, ein internationales Waffenembargo gegen das Land zu verhängen und die Vermögenswerte von Präsident al-Assad und seinen engsten Vertrauten einzufrieren. An Staaten, die Waffenlieferungen an die bewaffnete syrische Opposition erwägen, richtet Amnesty International den Appell, mit geeigneten Mechanismen sicherzustellen, dass die gelieferten Waffen nicht bei Menschenrechtsverletzungen und/oder Kriegsverbrechen zum Einsatz gelangen.

Besuchen Sie die interaktive Karte "Eyes on Syria" auf der internationalen Webseite: www.eyesonsyria.org. Dort sind Orte eingezeichnet, an denen Berichten zufolge Menschenrechtsverletzungen begangen worden sind. Zudem finden Sie dort Informationen über die weltweiten Aktionen von Amnesty International für Gerechtigkeit in Syrien.

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-067/2012-2, AI-Index: MDE 24/065/2012, Datum: 13. Juli 2012 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach - 53108 Bonn
Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2012