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AKTION/1169: Urgent Action - Israel / besetzte palästinensische Gebiete, Hungerstreikende in Gefahr


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-119/2012-7, AI-Index: MDE 15/049/2012, Datum: 31. August 2012 - mr

Israel / besetzte palästinensische Gebiete
Hungerstreikende bei immer schlechterer Gesundheit

Weitere Informationen zu UA-119/2012 (MDE 15/023/2012, 27. April 2012, MDE 15/025/2012, 4. Mai 2012, MDE 15/028/2012, 18. Mai 2012, MDE 15/032/2012, 11. Juni 2012, MDE 15/035/2012, 21. Juni 2012, MDE 15/038/2012, 12. Juli 2012 und MDE 15/047/2012, 10. August 2012)



Herr HASSAN SAFADI
Herr SAMER AL-BARQ

Die Verwaltungshäftlinge Samer al-Barq und Hassan Safadi befinden sich in großer Gefahr, da ihr Gesundheitszustand durch den Hungerstreik inzwischen sehr schlecht ist. Sie protestieren damit gegen ihre fortgesetzte Inhaftierung ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren und mehrmalige mutmaßliche Misshandlungen durch den israelischen Gefängnisdienst (Israel Prison Services - IPS) als Strafmaßnahme wegen ihres Protests.

Die Verwaltungshäftlinge Hassan Safadi und Samer al-Barq wurden am 27. August von der IPS-Krankenstation im Gefängnis von Ramleh in das Assaf-Harofeh-Krankenhaus verlegt. Sie befinden sich seit dem 22. Mai bzw. 21. Juni im Hungerstreik. Nach Auskunft des Rechtsbeistands von Samer al-Barq erhält er zwar eine Transfusion, nicht aber die besondere medizinische Behandlung, die er benötigt. Vor der Verlegung litt er an Leberbeschwerden und sowohl sein Puls als auch sein Blutdruck waren zu niedrig. Auch Hassan Safadi hatte Leberbeschwerden und konnte seinen Rücken nicht aufrichten.

Die beiden Gefangenen berichteten AnwältInnen der lokalen NGO Addameer, dass sie am 13. August im Gefängniskrankenhaus von Ramleh von IPS-Wachen tätlich angegriffen wurden, weil sie sich weigerten, in eine Zelle mit Gefangenen umzuziehen, die sich nicht im Hungerstreik befanden. Die IPS-Wachen sollen Hassan Safadi mit dem Kopf zwei Mal so heftig gegen die Zellentür geschlagen haben, dass er das Bewusstsein verlor. Schließlich brachte man die beiden Männer in eine Isolationszelle ohne Matratzen.

Die Verwaltungshaftanordnung von Samer al-Barq wurde am 22. August für drei Monate verlängert. Eine Entscheidung über die richterliche Prüfung der Haftanordnung wurde wegen seiner Einweisung ins Krankenhaus auf den 4. September verschoben. Überprüfungen dieser Art anhand von Beweismitteln, die dem Gefangenen nicht vorgelegt werden, enden meist mit der Bestätigung der Haftanordnung. Eine erste Anhörung fand am 28. August im Assaf Harofeh-Krankenhaus statt. Samer al-Barq war während der Anhörung an das Krankenhausbett gefesselt. Sein Rechtsbeistand gab an, dass ihm das Sprechen große Schwierigkeiten bereitete und er während der Anhörung wahrscheinlich nicht bei vollem Bewusstsein war.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Aus Protest gegen schlechte Haftbedingungen, wie z. B. Einzelhaft, die Verweigerung von Familienbesuchen und Inhaftierung ohne Anklage traten am 17. April Schätzungen zufolge rund 2.000 palästinensische Gefangene in den Hungerstreik. Am 14. Mai kam es unter ägyptischer Vermittlung zu einer Vereinbarung, die den Hungerstreik beendete. Israel sicherte unter anderem zu, die Isolationshaft von 19 Gefangenen zu beenden und das gegen Gefangene aus dem Gazastreifen verhängte Verbot von Familienbesuchen aufzuheben. Bislang scheinen jedoch noch keine Familienbesuche stattgefunden zu haben. Zudem sollen sich Gefangene auch weiterhin in Einzelhaft befinden. Trotz Medienberichten, laut denen die israelischen Behörden derzeit anhängige Verwaltungshaftordnungen nicht erneuern wollen, sofern die Nachrichtendienste keine neuen belastenden Erkenntnisse zutage fördern, scheinen auch weiterhin Verwaltungshaftanordnungen ausgestellt worden zu sein.

Der 33-jährige Hassan Safadi wird seit dem 29. Juni 2011 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten. Im Mai beendete er nach 70 Tagen seinen ersten Hungerstreik. Seine Haftanordnung wäre regulär im Juni ausgelaufen, doch sie wurde um sechs Monate verlängert. Hassan Safadi nahm daraufhin am 21. Juni seinen Hungerstreik wieder auf. Die richterliche Prüfung seiner Haftanordnung wurde wegen Nichterscheinens von ZeugInnen am 25. Juli erstmalig verschoben und das Gericht hat bis heute keine Entscheidung veröffentlicht. Sein Rechtsbeistand hatte die Berufung israelischer BehördenvertreterInnen, die sich im Mai an den Verhandlungen über die Vereinbarung zur Beendigung der Massenstreiks beteiligt hatten, in den Zeugenstand beantragt. Im Zuge dessen sollten sie Einzelheiten der Vereinbarung bezüglich des Anwendungsbereichs der Verwaltungshaft darlegen. Seither wurde die richterliche Prüfung mehrmals verschoben. Nach jüngsten Untersuchungen haben sich durch seinen Hungerstreik offenbar Nierensteine gebildet. Zudem ist seine Sicht eingeschränkt, er leidet an Kopfschmerzen und Schwindel.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte Sie höflich bitten, Hassan Safadi und Samer al-Barq weiter in einem zivilen Krankenhaus behandeln zu lassen, in dem sie angemessen medizinisch versorgt werden und von unabhängigen ÄrztInnen ihres Vertrauens behandelt werden können, in dem sie Besuche ihrer Familienangehörigen erhalten können und jederzeit menschlich und würdevoll behandelt werden.
  • Bitte sorgen Sie auch dafür, dass die Männer weder misshandelt noch in anderer Weise für ihren Hungerstreik bestraft werden, und umgehend eine unparteiliche und umfassende Untersuchung ihrer Misshandlungsvorwürfe durchgeführt wird.
  • Darüber hinaus fordere ich nachdrücklich die unverzügliche Freilassung von Samer al-Barq, Hassan Safadi und aller übrigen Verwaltungshäftlinge, sofern sie nicht umgehend einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in Übereinstimmung mit internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht gestellt werden.

APPELLE AN

LEITER DER GEFÄNGNISVERWALTUNG
Lieutenant-General Aharon Franco
Israel Prison Service
P.O. Box 81, Ramleh 72100, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Lieutenant-General / Sehr geehrter Herr Generalleutnant)
Fax: (00 972) 8 919 3800

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Yitzhak Aharonovitch
Ministry of Public Security
Kiryat Hamemshala
Jerusalem 91181, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 2 584 7872
E-Mail: sar@mops.gov.il


KOPIEN AN

GENERALANWALT
Brigadier General Danny Efroni
6 David Elazar Street
Hakirya, Tel Aviv, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Brigadier General / Sehr geehrter Herr Generalanwalt)
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: avimn@idf.gov.il

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030 8904-5555 oder -5309
E-Mail: botschaft@israel.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. Oktober 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling for Samer al-Barq and Hassan Safadi to remain in a civilian hospital and receive the specialized medical treatment they require, be given prompt and regular access to doctors of their choice and visits from family members, and be treated humanely and with dignity at all times.
  • Urging the Israeli authorities to ensure that the men are not subjected to further ill-treatment or punishment for their hunger strike, and conduct a prompt, thorough and impartial investigation into their claims of ill-treatment.
  • Calling for the two men and all other administrative detainees to be released, unless they are promptly charged with recognizable criminal offences and tried according to international fair trial standards.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Der 37-jährige Samer al-Barq wird seit Juli 2010 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten. Nach 30 Tagen beendete er Mitte Mai seinen vorherigen Hungerstreik. Ab dem 22. Mai verweigerte er erneut die Nahrungsaufnahme, nachdem seine Haftanordnung um weitere drei Monate verlängert wurde. Sowohl Hassan Safadi als auch Samer al-Barq berichteten ihren Rechtsbeiständen und einem Arzt, der sie untersuchte, dass sie während der Durchsuchung ihres Zimmers auf der Krankenstation der IPS-Hafteinrichtung in Ramleh wiederholt geschlagen und beschimpft wurden. Samer al-Barq sagte, man habe ihn außerdem während seiner Überführung ins Ofer-Gefängnis und auf dem Rückweg nach Ramleh am 31. Juli tätlich angegriffen. Die beiden Männer wurden gemeinsam in einem dürftig belüfteten kleinen Raum festgehalten, wo sich für ihre Rollstühle, auf die sie für den Gang zur Toilette oder ähnliches angewiesen sind, kein Platz befand.

Der israelische Gefängnisdienst lässt regelmäßige Besuche unabhängiger ÄrztInnen nur dann zu, wenn sie durch eine gerichtliche Anordnung vorgeschrieben werden. Der IPS gestattete den beiden Männern einen einzigen Arztbesuch, der schließlich am 2. August stattfand. Der Arzt berichtete, dass die Männer schwach seien und in Lebensgefahr schwebten, falls sie den Hungerstreik weiterführten oder ohne ordentliche ärztliche Aufsicht wieder mit der Nahrungsaufnahme begännen. Inzwischen ist ein Muster erkennbar: Wenn sich der Gesundheitszustand der Hungerstreikenden sehr verschlechtert hat, werden sie für einen oder mehrere Tage in ein ziviles Krankenhaus verlegt, um dann wieder auf die Krankenstation der IPS-Hafteinrichtung in Ramleh zurückgebracht zu werden. Dort steht ihnen aber nicht die notwendige medizinische Versorgung zur Verfügung. Im Assaf-Harofeh-Krankenhaus werden sie für gewöhnlich an das Bett gefesselt. Dieses Vorgehen stellt angesichts des langandauernden Hungerstreiks eine grausame und erniedrigende Behandlung dar. Nach Angaben von Addameer befinden sich zwei weitere Palästinenser in israelischen Gefängnissen seit dem 1. Juli und 1. August im Hungerstreik. Es handelt sich bei ihnen um Ayman Sharawna und Samer al-Issawi. Ayman Sharawna wurde am 31. Januar 2012 festgenommen, nur drei Monate nach seiner Freilassung im Zusammenhang mit einem Gefangenenaustausch im Oktober 2011. Addameer berichtete, dass die israelischen Behörden behauptet haben, Ayman Sharawna habe die Freilassungsauflagen verletzt und müsse daher nun seine restliche Strafe verbüßen.

Weitere Informationen finden sich in dem im Juni 2012 veröffentlichten Bericht Starved of justice: Palestinians detained without trial by Israel, unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE15/026/2012/en

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-119/2012-7, AI-Index: MDE 15/049/2012, Datum: 31. August 2012 - mr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2012