ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-323/2012, AI-Index: ASA 20/037/2012, Datum: 5. November 2012 - jw
Indien
Unmittelbar drohende Hinrichtung
Herr AJMAL KASAB, 25 Jahre alt
Ajmal Kasab droht wegen seiner Beteiligung an den Anschlägen in Mumbai am 26. November 2008 unmittelbar die Hinrichtung. Sein Gnadengesuch liegt dem indischen Staatspräsidenten vor. Sollte es abgelehnt werden, wäre dies die erste Hinrichtung in Indien seit 2004.
Ajmal Kasab, ein heute 25-jähriger pakistanischer Staatsbürger, wurde 2010 von einem Sondergericht zum Tode verurteilt. Grund war seine Beteiligung an den Anschlägen von 2008 in Mumbai im Bundesstaat Maharashtra, bei denen über 150 Menschen getötet und über 250 verletzt wurden. Er war in mehr als 80 Anklagepunkten (unter anderem wegen terroristischer Handlungen und krimineller Verschwörung zum Mord) für schuldig befunden und zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wurde 2011 vom Hohen Gericht in Mumbai bestätigt. Am 29. August 2012 bestätigte auch der Oberste Gerichtshof Indiens das Urteil, womit Ajmal Kasab keine Möglichkeit mehr hat, Berufung einzulegen. Er hat nun ein Gnadengesuch eingereicht, in dem er um die Umwandlung seines Todesurteils bittet.
Nach indischem Recht werden Gnadengesuche zuerst auf Bundesstaatenebene entschieden. Bei einer Ablehnung werden sie von der Zentralregierung geprüft. Zeitungsberichten zufolge empfahl das Ministerium für Innere Angelegenheiten des Bundesstaates Maharashtra, das Gesuch von Ajmal Kasab abzulehnen. Fünf Tage später wurde es vom Gouverneur von Maharashtra abgelehnt. Am 23. Oktober sprach sich auch der indische Innenminister für eine Ablehnung des Gesuchs aus. Nun liegt die Entscheidung über das Gnadengesuch beim indischen Präsidenten und sie wird endgültig sein.
Die indischen Behörden scheinen sich bei der Bearbeitung des Gesuchs von Ajmal Kasab zu beeilen. In anderen Fällen haben Entscheidungen über Gnadengesuche bis zu elf Jahre in Anspruch genommen. In Anbetracht der Art und des Kontextes dieses Falles ist es wahrscheinlich, dass der Präsident das Gnadengesuch von Ajmal Kasab bald ablehnen könnte.
Amnesty International weiß um die Schwere der Straftaten, für die Ajmal Kasab verurteilt wurde, und möchte das Leid der Opfer und deren Familien nicht verharmlosen. Die Todesstrafe stellt jedoch die schwerste Menschenrechtsverletzung und eine Verletzung des Rechts auf Leben dar, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte dargelegt ist. Seit 2004 haben in Indien keine Hinrichtungen mehr stattgefunden. Sollte dieser Kurs angesichts der Anschläge in Mumbai geändert werden, würde das einen Rückschritt für die Menschenrechte bedeuten.
Im August 2004 hat in Indien die letzte Hinrichtung stattgefunden. Eine Wiederaufnahme von Hinrichtungen nach einer achtjährigen Unterbrechung würde regionalen und globalen Entwicklungen zur Abschaffung der Todesstrafe zuwiderlaufen. Das Gnadengesuch von Ajmal Kasab liegt derzeit dem Präsidenten vor. Dieser hat mehrere Möglichkeiten: Er kann das Gesuch ablehnen, Gnade gewähren und das Todesurteil in eine Haftstrafe umwandeln oder, wie in vielen vorangegangenen Fällen, in absehbarer Zeit gar keine Entscheidung treffen.
Weltweit haben 97 Staaten die Todesstrafe in allen Fällen abgeschafft. In acht Staaten kann sie nicht bei gewöhnlichen Straftaten verhängt werden, und 35 Staaten haben sie in der Praxis abgeschafft. Insgesamt haben sich 140 Staaten, das sind über zwei Drittel aller Länder der Welt, in Gesetz oder Praxis gegen die Todesstrafe entschieden. Im Jahr 2011 wurden in nur 21 Staaten Hinrichtungen vollzogen, d. h. in weniger als 10 Prozent der Welt.
Von 41 Staaten im asiatisch-pazifischen Raum haben 17 die Todesstrafe vollständig abgeschafft, weitere zehn führen sie in der Praxis nicht mehr durch und Fidschi wendet sie nur noch bei außerordentlichen militärischen Verbrechen an. In den letzten zehn Jahren haben vier asiatisch-pazifische Staaten die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft: Bhutan und Samoa im Jahr 2004, die Philippinen 2006 und die Cook Inseln 2007. Sieben Staaten der Region haben 2011 noch Hinrichtungen durchgeführt, wobei die meisten Todesurteile in China vollstreckt wurden. Amnesty International wendet sich in allen Fällen gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Art des Verbrechens, der Charakterzüge des/der Angeklagten oder der Art der Hinrichtung.
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Singapur und Malaysia ziehen gegenwärtig Gesetzesänderungen in Betracht, die die Anwendung der Todesstrafe einschränken könnte, besonders in Fällen von Drogenkriminalität. 2010 kündigte der Präsident der Mongolei ein offizielles Moratorium für alle Hinrichtungen an und dieses Jahr ist dort das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert worden, das auf die Abschaffung der Todesstrafe abzielt. In der ganzen Region hat ein stärkeres öffentliches Bewusstsein zum Thema zu mehr Diskussion und Transparenz geführt.
UN-Institutionen und -Mechanismen haben Mitgliedstaaten wiederholt dazu aufgerufen, ein Hinrichtungsmoratorium zu verhängen mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen. Zuletzt wurde dies in der Verabschiedung einer dritten Resolution der UN-Generalversammlung zur Todesstrafe im Dezember 2010 deutlich. In einer allgemeinen Bemerkung des UN-Menschenrechtsausschusses zu Artikel 6 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), dessen Vertragsstaat Indien ist, heißt es, dass Artikel 6 sich "allgemein auf die Abschaffung [der Todesstrafe] in einer Weise bezieht, die sehr nahe legt, dass die Abschaffung wünschenswert ist" und dass "alle Maßnahmen zur Abschaffung der Todesstrafe als Fortschritt im Hinblick auf die Wahrung des Rechts auf Leben betrachtet werden sollten".
Das Völkerrecht und internationale Standards legen fest, dass Gefangene in der Todeszelle während der Dauer dieser Art von Haft das Recht haben, alle möglichen juristischen Schritte einzuleiten und Gnadengesuche einzureichen, auch bei internationalen Organisationen.
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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2012