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AKTION/1410: Urgent Action - Indien, Zwangsräumungen werden fortgesetzt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-033/2013-1, AI-Index: ASA 20/012/2013, Datum: 8. März 2013 - cw

Indien
Zwangsräumungen werden fortgesetzt



Herr PRASHANT PAIKARY
1.500 FAMILIEN AUS DEM BEZIRK JAGATSINGHPUR IM BUNDESSTAAT ODISHA (EHEMALS ORISSA)

Etwa 100 Personen wurden am 3. März aus ihren Wohnungen vertrieben. Rund 1.500 Familien könnte dasselbe Schicksal drohen.

Die Regierung hat am 3. März zusammen mit der Polizei die Zwangsräumungen in der Nähe des Dorfes Govindpur im Bezirk Jagatsinghpur wiederaufgenommen. Dies geschah im Zuge der anhaltenden Bemühungen, 283 Hektar Gemeindeland zu übernehmen, auf dem das südkoreanische Stahlunternehmen POSCO ein Stahlwerk errichten will. Betroffen waren etwa 100 Personen.

Dem örtlichen Aktivisten Prashant Paikary zufolge zerstörten die BeamtInnen 24 auf Gemeindeland liegende Betel-Plantagen. Die Bauern und ihre Familien sind auf diese Plantagen angewiesen. Am 5. März beschlagnahmten die BeamtInnen elf weitere Stücke Land mit Betel-Anbau. Einige Bauern haben Entschädigungen für das konfiszierte Land erhalten. Die Regierung von Odisha behauptet, die Ländereien seien im Einverständnis mit den DorfbewohnerInnen übernommen worden. Örtliche AktivistInnen geben aber an, dass zwar einige Bauern ihr Land freiwillig gegen eine Entschädigung abgegeben hätten, viele aber zur Aufgabe ihres Grund und Bodens gezwungen worden seien. Die Zwangsräumungen wurden einen Tag, nachdem vier Anti-POSCO-AktivistInnen bei einer Bombenexplosion in dem nahegelegenen Dorf Patna getötet wurden, durchgeführt. Mitglieder der Anti-POSCO-Bewegung beschuldigten Pro-POSCO-AktivistInnen, in Patna das Haus ihres Sprechers Abhay Sahu bombardiert zu haben. Dieser war selbst zwar nicht zuhause, jedoch starben vier andere Personen bei der Explosion. Die Polizei wiederum behauptet, Anti-POSCO-AktivistInnen wären dabei gewesen, Bomben zu bauen, die dann detoniert wären.

Die Behörden haben bisher noch keine ergebnisorientierten Konsultationen mit den von den Räumungen betroffenen Personen durchgeführt oder sie angemessen im Vorfeld über die Pläne informiert. Prashant Paikary erklärte, dass die staatlichen Behörden die rechtmäßigen Nutzungsansprüche der örtlichen Gemeinschaften an dem Gemeindeland nicht berücksichtigt haben. Das geplante Stahlwerk verfügt nicht über die gesetzlich vorgeschriebenen Umweltgenehmigungen der Zentralregierung. AktivistInnen sagen, dass die Behörden bisher ebenfalls nicht - wie gesetzlich vorgeschrieben - die Zustimmung von Gemeinschaftsinstitutionen bezüglich der Nutzung forstwirtschaftlicher Flächen für industrielle Projekte eingeholt haben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Auf der Grundlage des indischen Gesetzes über Waldnutzungsrechte (Forest Rights Act) von 2008 ist Gemeindeland Dorfeigentum, das von den örtlichen Behörden verwaltet wird und von den örtlichen Gemeinschaften genutzt werden kann. Einige örtliche Gemeinschaften haben auf der Grundlage dieses Gesetzes Nutzungsansprüche auf derartiges Gemeindeland geltend gemacht. Die einzige Konsultation der Öffentlichkeit erfolgte im August 2007, als das Gesetz noch nicht in Kraft getreten war.

In zwei offiziellen vom indischen Ministerium für Umwelt und Forstwirtschaft in Auftrag gegebenen Untersuchungen wurden große Bedenken über die Versuche der Behörden geäußert, Gemeindeland zu übernehmen. Die Untersuchungen waren außerdem zu dem Schluss gekommen, dass das geplante Stahlwerk gegen Umwelt- und Küstenschutzgesetze Indiens verstößt und dass die potentiellen negativen Auswirkungen auf die Lebensgrundlage der Bevölkerung nicht ausreichend geprüft worden waren. Trotz dieser Untersuchungsergebnisse akzeptierten die Zentralbehörden die Erklärung der Behörden von Odisha, dass keine der in der Region lebenden Gemeinschaften Ansprüche auf Gemeindeland habe. Das Ministerium für Umwelt und Forstwirtschaft erklärte zudem, dass jegliche Nutzung von forstwirtschaftlichem Land für nicht-forstwirtschaftliche Zwecke von den örtlichen Institutionen bewilligt werden muss. AktivistInnen haben erklärt, dass sich die örtlichen Einrichtungen geweigert haben, zu einer Nutzung der Grundstücke für den Bau des Stahlwerks ihr Einverständnis zu geben.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Beenden Sie alle Zwangsräumungen im Bezirk Jagatsinghpur und stellen Sie sicher, dass jegliche Räumungen im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards durchgeführt werden. Dazu gehört auch die ergebnisorientierte Konsultation der betroffenen Personen, um mögliche Alternativen zu Räumungen zu erörtern, die rechtzeitige Bekanntmachung und eine angemessene Entschädigung.
  • Ich fordere Sie auf, eine vollständige, unabhängige und unparteiische Untersuchung der Bombenexplosion vom 2. März in Patna durchzuführen, bei der vier AnwohnerInnen getötet wurden.
  • Erkennen Sie die individuellen und gemeinschaftlichen Ansprüche an forstwirtschaftlichem Land gemäß dem Forest Rights Act an.
  • Stellen Sie zudem sicher, dass die Behörden in Absprache mit den Gemeinschaften eine umfassende Beurteilung der Einflüsse des POSCO-Projektes auf die Menschenrechte und die Umwelt durchführen.

APPELLE AN

MINISTERPRÄSIDENT VON ODISHA
Mr. Naveen Patnaik
Naveen Nivas, Aerodrome Road
Bhubaneswar 751001, INDIEN
(Anrede: Dear Chief Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 91) 674 253 5100
E-Mail: cmo@ori.nic.in

MINISTERIN FÜR UMWELT UND FORSTWIRTSCHAFT
Mrs. Jayanthi Natarajan
Paryavaran Bhavan, CGO Complex
Lodhi Road, New Delhi 110 003, INDIEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Frau Ministerin)
Fax: (00 91) 112 436 2222 oder 112 436 2016
E-Mail: mosefgoi@nic.in


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDIEN
I. E. Frau Sujatha Singh
Tiergartenstr. 17, 10785 Berlin
Fax: 030-2579 5102
E-Mail: dcm@indianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hindi, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 19. April 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.

Weitere Informationen zu UA-033/2013-(ASA 20/005/2013, 8. Februar 2013)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the authorities to stop all forced evictions in Jagatsinghpur district and ensure that any evictions are carried out in accordance with international human rights standards, and only after genuine consultation with those affected, to identify alternatives to eviction, with adequate notice and compensation.
  • Urging them to order a prompt, thorough, independent and impartial investigation into the bomb explosions that killed four residents of Patna village on 2 March.
  • Urging them to recognize the individual and community claims to forest lands, as set out in the Forest Rights Act.
  • Calling on them to order a thorough human rights and environmental impact assessment of the POSCO project, in consultation with local communities.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Im März 2012 entzog das indische National Green Tribunal, ein auf umweltrechtliche Fragen spezialisiertes Gericht, POSCO die Unbedenklichkeitsbescheinigung für das geplante Stahlwerk. Das Gericht erklärte, dass das Ministerium für Umwelt und Forstwirtschaft bei der Beurteilung der Einflüsse des Projektes auf die Umwelt schwerwiegende Fehler gemacht und "zurückbleibende und drohende ökologische Zweifel unbeantwortet gelassen" habe.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-033/2013-1, AI-Index: ASA 20/012/2013, Datum: 8. März 2013 - cw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2013