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AKTION/1460: Urgent Action - Jordanien, Vater und Sohn freigelassen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-357/2012-2, AI-Index: MDE 16/001/2013, Datum: 12. April 2013 - ar

Jordanien
Vater und Sohn freigelassen



ABD AL-RAHMAN FANATSA, 60 Jahre alt
DA'OUD FANATSA, Sohn von Abd al-Rahmann Fanatsa
HAMZA FANATSA, 16-jähriger Sohn von Abd al-Rahmann Fanatsa

Abd al-Rahman Fanatsa und sein Sohn Da'oud wurden nach fast zwei Monaten in Haft am 8. Januar gegen Kaution freigelassen. Die Anklagen gegen sie im Zusammenhang mit ihrer friedlichen Beteiligung an den Demonstrationen gegen Kürzungen der Benzinsubventionen bleiben jedoch bestehen.

Der Fall von Abd al-Rahman Fanatsa und seinen Söhnen Da'oud und Hamza Fanatsa wurde vom Staatssicherheitsgericht (State Security Court - SSC) kürzlich einem Strafgericht übergeben. Die drei Männer haben bisher keine Vorladung zu einer Gerichtsverhandlung erhalten. Abd al-Rahman Fanatsa und seine Söhne Da'oud und Hamza Fanatsa waren am 19. November 2012 von Angehörigen der Abteilung für Straftaten und der Gendarmerie (Darak) festgenommen worden, während sie auf ihrem Hof in Ma'an im Süden Jordaniens Oliven ernteten. Sie geben an, in Polizeigewahrsam gefoltert worden zu sein. Hamza Fanatsa wurde am 20. November ohne Anklage freigelassen. Abd al-Rahman Fanatsa leidet an Schizophrenie und erhielt während seiner Haft ein anderes als das übliche Medikament, was bei ihm offenbar zu schweren Kopfschmerzen führte.

Die Männer wurden im Zuge der weit verbreiteten Proteste gegen die geplanten Kürzungen der Benzinsubventionen festgenommen. Insgesamt wurden hunderte Personen festgenommen, viele von ihnen lediglich wegen ihrer friedlichen Forderung nach wirksamen Reformen und einem Regierungswechsel. 67 Menschen, die dazu vom Nationalen Zentrum für Menschenrechte (National Centre for Human Rights - NCHR) befragt wurden, gaben an, dass sie nicht bei Demonstrationen sondern vor ihren Häusern, bei der Arbeit oder in der Nähe der Proteste festgenommen wurden.

Am 10. Dezember 2012 ordnete König Abdullah mit einem königlichen Erlass die Freilassung von 116 Personen an, die seit den Protesten inhaftiert gewesen waren. Allerdings sind die Anklagen gegen die Freigelassenen nicht zurückgenommen worden. Amnesty International befürchtet, dass die meisten, wenn nicht alle, der Inhaftierten nur deshalb festgenommen wurden, weil sie von ihren Rechten auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung Gebrauch gemacht haben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Im Zuge der weit verbreiteten Proteste gegen die geplanten Kürzungen der Benzinsubventionen im November 2012 sind etwa 300 Personen festgenommen worden, viele von ihnen lediglich wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Demonstrationen. Zahlreiche Personen wurden während der Proteste und auf Polizeiwachen geschlagen und erhielten keinen sofortigen Zugang zu rechtlicher Vertretung, ihren Familienangehörigen und medizinischer Versorgung. Laut dem NCHR hat die Abteilung für Öffentliche Sicherheit (Public Security Directorate - PSD) eingeräumt, dass in Verbindung mit den Protesten auch 50 Kinder festgenommen wurden. Zwölf von ihnen wurden nach ihrer Festnahme dem Staatsanwalt des Staatssicherheitsgerichts vorgeführt und gegen Kaution freigelassen. Wie Amnesty International von einem Anwalt erfuhr, machten mindestens neun der am 19. November wieder freigelassenen Kinder bei der Polizei Aussagen, ohne dass ein Rechtsbeistand, ein Elternteil oder sonstiger geeigneter Erwachsener anwesend war.

Die Proteste fanden im ganzen Land statt, vor allem aber in Amman, Zarqa, Irbid, Salt, Tafileh und Ma'an. Behördenangaben zufolge erfolgten die Festnahmen aufgrund von Straftaten während der Demonstrationen, wie z. B. die Beschädigung bzw. Zerstörung von privatem oder öffentlichem Eigentum und das "Aufrufen zum Regimewechsel". Obwohl es bei manchen Demonstrationen tatsächlich gewalttätige Übergriffe gab, die in manchen Fällen mit der Beschädigung oder Zerstörung privater oder staatlicher Gebäude einhergingen, sollen die Sicherheitskräfte laut Aussagen jordanischer AktivistInnen und AnwältInnen zahlreiche friedliche Demonstrationen mit Gewalt aufgelöst haben. Die Sicherheitskräfte seien zum Teil zivil gekleidet gewesen und sollen mit Tränengas und Prügel gegen die Protestierenden vorgegangen sein. Einige AktivistInnen sagten gegenüber Amnesty International, dass beispielsweise die Proteste in Tafileh und Amman friedlich begonnen hatten und erst dann gewalttätig wurden, als die Sicherheitskräfte mit Tränengas gegen die Demonstrierenden vorgingen und viele Festnahmen tätigten. Im Zuge der Proteste sind eine Zivilperson und zwei PolizistInnen ums Leben gekommen.

AnwältInnen, AktivistInnen und NGO zufolge wandten Polizeiangehörige und andere Sicherheitskräfte zeitweise unnötige bzw. unverhältnismäßige Gewalt an, um die Proteste aufzulösen. Dutzende Festgenommene wurden in Polizeigewahrsam geschlagen und erhielten keinen sofortigen Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, Familienangehörigen und medizinischer Versorgung. Adnan al-Howeish beispielsweise wurde am 17. November festgenommen, nachdem er einen Tag zuvor in Zeiban im Norden des Landes friedlich an einer Demonstration teilgenommen hatte. Im Laufe der Protestveranstaltung wurde er von einem Stein getroffen, der ihn schwer am linken Auge verletzte. Er trug einen Schnitt im Augapfel davon, welcher sich zudem aus der Augenhöhle löste. Augenzeugenberichten zufolge sollen vermummte UnterstützerInnen der Regierung Steine auf die Protestierenden geworfen haben. Adnan al-Howeish wurde am 17. November im al-Bashir-Krankenhaus in Amman unter Polizeigewahrsam gestellt und mit Handschellen an sein Bett gekettet. Auf Eingreifen des NCHR hin durfte er sich am 18. November einer Operation zur Behandlung des Schnitts und zur Neupositionierung des Augapfels unterziehen. Der behandelnde Arzt empfahl Adnan al-Howeish, seine Verletzung in einer Spezialklinik weiterführend behandeln zu lassen. Man verweigerte ihm die fachärztliche medizinische Versorgung und ließ ihn erst am 19. Dezember gegen Kaution frei. Die Anklage gegen ihn erfolgte nach Paragraf 149 des Strafgesetzbuchs wegen "Aktivitäten mit dem Ziel, das politische System zu ändern", worauf bis zu fünfzehn Jahre Gefängnis stehen, und Teilnahme an einer Protestveranstaltung mit dem Ziel, "die öffentliche Ordnung zu stören", wofür bis zu drei Jahre Haft verhängt werden können. Die Forderungen seiner Familie nach fachärztlicher Behandlung während seiner Haft scheinen nicht erfüllt worden zu sein, und er hat nun womöglich das Sehvermögen in seinem linken Auge verloren.

Weitere Informationen zu UA-357/2012 (MDE 16/004/2012, 13. Dezember 2012 und MDE 16/005/2012, 21. Dezember 2012)

Weitere Aktionen des Eilaktionsnetzes sind derzeit nicht erforderlich. Vielen Dank allen, die Appelle geschrieben haben. Amnesty International wird sich weiterhin mit diesem Fall befassen.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-357/2012-2, AI-Index: MDE 16/001/2013, Datum: 12. April 2013 - ar
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2013