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AKTION/1700: Urgent Action - Griechenland, unmittelbar drohende Zwangsräumung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-035/2014, AI-Index: EUR 25/003/2014, Datum: 21. Februar 2014 - we

Griechenland
Unmittelbar drohende Zwangsräumung



74 ROMA-FAMILIEN AUS CHALANDRI (HALANDRI)

Trotz einer gegenteiligen Anordnung des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen droht 74 Roma-Familien aus einer Siedlung in Chalandri, einem Vorort Athens, am 25. Februar die Zwangsräumung.

Am 25. Februar sollen 74 Roma-Familien aus ihren Unterkünften in einer Siedlung in Chalandri, einem Vorort der griechischen Hauptstadt Athen, vertrieben werden. Die Familien leben bereits seit Ende der 1970er-Jahre in Chalandri und viele der betroffenen Kinder besuchen örtliche Schulen. Der Generalsekretär der dezentralen Verwaltung von Attika hatte am 8. November 2013 einen Abrissbeschluss für die Siedlung erlassen und sich damit einer Anordnung des UN-Menschenrechtsausschusses (United Nations Human Rights Committee - UNHRC) widersetzt. Der UNHRC hatte im Mai 2013 für die Dauer einer Untersuchung zu möglichen Verletzungen des Rechts auf Wohnen der Gemeinschaft Übergangsmaßnahmen erlassen, mit denen die griechische Regierung aufgefordert wurde, die betroffenen Roma-Familien vor Obdachlosigkeit zu schützen. Die Übergangsmaßnahmen wurden im August 2013 und im Februar 2014 vom UNHRC erneut bestätigt. Laut der griechischen Nichtregierungsorganisation Greek Helsinki Monitor (GHM), die Roma-Familien rechtlichen Beistand leistet, wurde die Entscheidung über die Zwangsräumung zwei Monate lang geheim gehalten und den betroffenen Familien erst am 10. Januar zugestellt.

Die Roma-Familien sollen laut Beschluss vom 8. November 2013 auf dem Gelände einer ehemaligen amerikanischen NATO-Radarstation auf dem Berg Pateras in der Nähe der Stadt Megara untergebracht werden. Die GHM und die Roma aus Chalandri geben an, dass man weder die Gemeinschaft noch die griechische Ombudsperson in diese Entscheidung eingebunden hat. Die Roma-Familien wehren sich gegen die Umsiedlung, da das Gebiet auf dem Pateras abgelegen ist und Schulen und Gesundheitsleistungen von dort aus nur schwer erreichbar sind. Zudem handelt es sich bei den Betroffenen um gemeldete EinwohnerInnen des Stadtbezirks Chalandri, sodass sie gemäß griechischer Gesetzgebung ein Recht auf eine Unterkunft in Chalandri haben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der UN-Ausschuss über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat betont, dass Räumungen selbst dann, wenn sie als gerechtfertigt angesehen werden, nur unter strenger Einhaltung der internationalen Menschenrechtsabkommen und bei Bestehen angemessener Verfahrensgarantien durchgeführt werden dürfen. Zu diesen Garantien gehören eine wirksame Konsultation mit den betroffenen Gemeinschaften, eine angemessene und rechtzeitige vorherige Benachrichtigung und das Bereitstellen von Rechtsmitteln und Rechtshilfe.

Niemand darf infolge einer Räumung obdachlos werden und die Behörden müssen angemessene alternative Unterkünfte für diejenigen bereitstellen, die sie benötigen. Bei einer Umsiedlung müssen die internationalen Menschenrechtsstandards für eine angemessene Unterkunft erfüllt sein. Sollte die Räumung der Roma-Familien ohne Einhaltung dieser Verfahrensgarantien durchgeführt werden, so würde dies eine Verletzung des Rechts auf angemessene Unterkunft darstellen und einem Verstoß gegen die von Griechenland eingegangenen internationalen Menschenrechtsverpflichtungen gleichkommen.

Die Nichtregierungsorganisation GHM hat Informationen darüber erhalten, dass die Behörden die sogenannte "Nomaden-Klausel" in ihre Entscheidung zur Umsiedlung der Roma-Gemeinschaft miteinbezogen haben, bei der es sich um eine Bestimmung in der griechischen Gesetzgebung zur Unterbringung von nicht sesshaften Bevölkerungsgruppen handelt. Bei den Roma in Chalandri handelt es sich jedoch um gemeldete EinwohnerInnen von Chalandri, sodass sie als sesshaft zu betrachten sind und zudem ein Recht auf Unterbringung in ihrem Meldebezirk haben. Der griechischen Presse wurde mitgeteilt, dass die Behörden die Umsiedlung der Roma aus Chalandri durchführen wollen, obwohl die Stadtverwaltungen von Megara und der benachbarten Stadt Mandra Einspruch gegen dieses Vorhaben eingelegt haben.

VertreterInnen der beiden Städte sind vor Gericht gegen die Entscheidung des Generalsekretärs der dezentralen Verwaltung von Attika vorgegangen, die Roma-Familien in ihre Bezirke umzusiedeln. Dies ist nicht das erste Mal, dass die Roma-Gemeinschaft aus Chalandri von Zwangsräumung bedroht ist. Der Generalsekretär der dezentralen Verwaltung von Attika hatte im Februar 2013 den Beschluss erlassen, dass die Unterkünfte der Roma-Gemeinschaft im Mai desselben Jahres abgerissen werden sollten. Die betroffenen Familien sollten für unbestimmte Zeit auf ein angrenzendes Stück Land umgesiedelt werden. Ein genaues Datum für diese Umsiedlung nannte er in seinem Beschluss nicht. In diesem Fall hatte Berichten zufolge im Vorhinein eine Konsultation mit den Roma-Familien und der griechischen Ombudsperson bezüglich der alternativen Unterkünfte stattgefunden.

Die Roma-Gemeinschaft wandte sich an den UNHRC, um ein Unterlassungsurteil gegen ihre Zwangsräumung zu erreichen. Daraufhin erließ der Menschenrechtsausschuss im Mai 2013 Übergangsmaßnahmen, die im August 2013 und Februar 2014 jeweils bestätigt wurden. Die Umsiedlung der Roma-Gemeinschaft fand aufgrund heftiger Roma-feindlicher Reaktionen der AnwohnerInnen rund um die geplante Umsiedlungsstätte nicht statt. Auch 1999 und 2012 wurden bereits Versuche zur Umsiedlung der Roma-Gemeinschaft unternommen.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie nachdrücklich auf, die Zwangsräumung der 74 Roma-Familien aus Chalandri unverzüglich zu stoppen. Nehmen Sie die Räumung erst und nur dann vor, wenn alle Alternativen ausgemacht und geprüft wurden und die gemäß internationaler Menschenrechtsnormen vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen ergriffen worden sind.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass niemand infolge der Räumung obdachlos wird oder anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass eine wirksame Konsultation mit der betroffenen Gemeinschaft bezüglich alternativer Unterkünfte durchgeführt wird und alle Aspekte des Menschenrechts auf angemessene Unterkunft erfüllt sind.

APPELLE AN

GENERALSEKRETÄR DER DEZENTRALEN
VERWALTUNG VON ATTIKA
Mihail Angelakas
Katehaki 56, 11525 Athen, GRIECHENLAND
(Anrede: Dear Sir / Sehr geehrter Herr Angelakas)
Fax: (00 30) 213 203 5700
E-Mail: ggattiki@otenet.gr

INNENMINISTER
Giannis Mihelakis
Stadiou 27, 10183 Athen, GRIECHENLAND
(Anrede: Dear Sir / Sehr geehrter Herr Mihelakis)
Fax: (0030) 213 1364130
E-Mail: info@ypes.gr


KOPIEN AN

JUSTIZMINISTER
Charalambos Athanasiou
Mesogheion Avenue 96
11527 Athen, GRIECHENLAND
E-Mail: Grammateia@justice.gov.gr

BOTSCHAFT DER HELLENISCHEN REPUBLIK
S.E. Herr Panayotis Zografos
Jägerstraße 54/55
10117 Berlin
Fax: 030-206 264 44
E-Mail: info@griechische-botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Griechisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. April 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Immediately halt evictions in Halandri, and put in place safeguards as required under international human rights standards, following identification and serious consideration of all feasible alternatives.
  • Ensure that no one is left homeless and vulnerable to other violations of their human rights as a result of the eviction. Ensure that any alternative housing is provided after genuine consultation with the affected community and that it complies with international human rights criteria on adequacy of housing.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die GHM hat Amnesty International mitgeteilt, dass die Vollstreckungsbeschlüsse, die von der Abteilung für Städteplanung erlassen und der Roma-Gemeinschaft bei den drei Räumungsversuchen im September 2012, im Februar 2013 und im November 2013 zugestellt wurden, rechtswidrig waren. Sie stützten sich auf veraltete Abrissbeschlüsse aus dem Jahre 1996, die nicht alle Unterkünfte der Gemeinschaft betrafen. Die Behörden haben die amtlichen Eintragungen der Unterkünfte in der Siedlung im Januar 2014 im Rahmen einer Polizeirazzia vervollständigt und aktualisiert. Die GHM erklärt jedoch, dass Abrissbeschlüsse, die auf diesen amtlichen Eintragungen basieren, erst dann vollstreckt werden können, wenn sie rechtskräftig sind. Bisher ist eine rechtskräftige Zustellung jedoch noch nicht erfolgt. Ist dies geschehen, so können die Betroffenen innerhalb von 30 Tagen Rechtsmittel einlegen und damit eine Aussetzung der Räumungen erwirken. Erst nach Überprüfung der Rechtsmittel können dann rechtskräftige Abrissbeschlüsse erlassen werden.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-035/2014, AI-Index: EUR 25/003/2014, Datum: 21. Februar 2014 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2014