Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/1746: Urgent Action - Kuwait, weiterer Staatenloser frei, zwei noch in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-047/2014-2, AI-Index: MDE 17/003/2014, Datum: 1. April 2014 - dw

Kuwait
Weiterer Staatenloser frei, zwei in Haft



Zwei Angehörige der Gemeinschaft der Bidun:
Herr 'ABDULLAH 'ATALLAH
Herr 'ABDULHAKIM AL-FADHLI

Ein weiterer der sieben Angehörigen der Gemeinschaft der Bidun ("Staatenlose"), die im Februar festgenommen worden waren, ist am 31. März freigelassen worden. Die zwei Männer, die sich weiterhin in Haft befinden, werden sich in einem Strafverfahren verantworten müssen. Es ist möglich, dass sie gewaltlose politische Gefangene sind.

Ein Gericht hat am 31. März die Freilassung von 'Abdulnasser al Fadhli angeordnet und seinen Fall an ein Bagatellgericht verwiesen. Die Anklagepunkte wurden noch nicht genannt. Das Gericht verlängerte außerdem zum fünften Mal die Untersuchungshaft von 'Abdullah 'Atallah und 'Abdulhakim al-Fadhli. Bei bisherigen Gerichtsterminen durften weder ihre Familien noch MenschenrechtsaktivistInnen anwesend sein. Die ersten Verhandlungstage sind jeweils für den 6. bzw. 8. April anberaumt worden. Die Männer werden im Zentralgefängnis von Kuwait-Stadt festgehalten, wo ihre Familien sie eine Woche nach der Festnahme besuchen durften; es gibt keine Berichte, denen zufolge sie in dieser Einrichtung gefoltert oder auf andere Weise misshandelt wurden.

Die drei Männer hatten am 17. März eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie angaben, aus Protest gegen ihre fortwährende Haft in Hungerstreik getreten zu sein und diesen bis zu ihrer Freilassung fortzusetzen. Sie stehen unter strenger Beobachtung durch das medizinische Personal des Gefängnisses.

Abdullah 'Atallah war am 19. Februar festgenommen worden. Ihm wird "Beleidigung des Emirs", "unerlaubte Versammlung" und "Beschädigung von Polizeieigentum (Polizeiwagen)" vorgeworfen. 'Abdulhakim al-Fadhli und sein Bruder 'Abdulnasser al-Fadhli wurden am 24. Februar festgenommen. Die Anklage gegen 'Abdulhakim al-Fadhli lautet unter anderem auf "Beschädigung von Polizeiwagen", "Angriff auf Sicherheitskräfte" und "Anstiftung zum Aufruhr". Er gab an, während der vier Stunden, die auf seine Festnahme folgten, geschlagen und mit Vergewaltigung bedroht worden zu sein.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Von den Protesten inspiriert, die 2011 im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika ausbrachen, begann die Bidun-Gemeinschaft im Februar 2011 mit friedlichen Demonstrationen, um die kuwaitische Staatsangehörigkeit zu fordern. Die Sicherheitskräfte lösten die Kundgebungen gewaltsam auf und nahmen zahlreiche Protestierende fest. Einige von ihnen stehen wegen ihrer Teilnahme an den Demonstrationen immer noch vor Gericht. Der Premierminister von Kuwait sicherte Amnesty International am 18. Oktober 2012 zu, dass die Regierung 34.000 Bidun als kuwaitische Staatsangehörige anerkennen und die übrigen Fälle innerhalb von fünf Jahren bearbeiten werde. Im März 2013 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, nach dem bis Ende 2013 bis zu 4.000 'AusländerInnen' die kuwaitische Staatsbürgerschaft verliehen werden sollte. Bis dato sind jedoch keine Angehörige der Bidun-Gemeinschaft eingebürgert worden.

2011 feierte Kuwait den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Genauso lange leben die in Kuwait ansässigen Bidun nun schon als Staatenlose. Die Angehörigen der Gemeinschaft der Bidun protestieren seit Jahren gegen ihren anhaltenden Status als Staatenlose. Sie fordern die kuwaitische Staatsangehörigkeit, um das Recht kuwaitischer BürgerInnen auf kostenlose Bildung und Gesundheitsfürsorge in Anspruch nehmen zu können und gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhalten.

Es leben derzeit mehr als 100.000 Bidun in Kuwait. Bei vielen handelt es sich um die Nachkommen von MigrantInnen, die Beduinenstämmen angehörten und in der Vergangenheit frei über die Grenzen der Golfregion zogen. Weil sie die Bedeutung einer Staatsangehörigkeit nicht verstanden, ihre jahrhundertealte Lebensweise nicht für die Zugehörigkeit zu einem Land aufgeben wollten oder AnalphabetInnen waren, beantragten sie die Staatsbürgerschaft nicht. Viele der Bidun machen bei ihrer Forderung nach der kuwaitischen Staatsbürgerschaft geltend, dass die meisten von ihnen über offizielle Dokumente verfügen, die ihren langjährigen und ununterbrochenen Wohnsitz in Kuwait belegen.

1959 trat das Staatsangehörigkeitsgesetz in Kuwait in Kraft. Darin werden kuwaitische Staatsangehörige als diejenigen Personen definiert, die sich vor 1920 in Kuwait niedergelassen haben und die ihren ordentlichen Wohnsitz bis zum Erlass des Gesetzes beibehalten haben. Viele erhielten auf dieser Grundlage die kuwaitische Staatsbürgerschaft. Andere wurden eingebürgert und erhielten Teilrechte. Alle übrigen Personen wurden zu Bidun erklärt.


SCHREIBEN SIE BITTE

LUFTPOSTBRIEFE, FAXE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie 'Abdullah 'Atallah und 'Abdulhakim al-Fadhli umgehend und bedingungslos frei, falls sie nur deshalb in Haft sind, weil sie friedlich von ihren Rechten auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit Gebrauch gemacht haben.
  • Bitte leiten Sie eine unparteiische und unabhängige Untersuchung der Vorwürfe ein, 'Abdulhakim al-Fadhli sei gefoltert worden, und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.

APPELLE AN

EMIR DES STAATES KUWAIT
His Highness Sheikh Sabah al-Ahmad al-Jaber Al Sabah
Al Diwan Al Amiri
P.O. Box 1, Safat 13001
KUWAIT
(Anrede: Your Highness / Eure Hoheit)
Fax: (00 965) 2243 0559
E-Mail: amirsoffice@da.gov.kw

JUSTIZMINISTER
His Excellency Dr. Nayef Mohammed Al-Ajmi
Ministry of Justice
P.O. Box 6, al-Safat 1300
KUWAIT
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info@moj.gov.kw


KOPIEN AN

VORSITZENDER DER PARLAMENTARISCHEN
MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Parliamentary Human Rights Committee
National Assembly
P.O. Box 716, al-Safat 13008
KUWAIT
Fax: (00 965) 2243 6331
E-Mail: ipu-grp@kna.kw (Betreff: FAO Chairperson of the Parliamentary Human Rights Committee)

BOTSCHAFT DES STAATES KUWAIT
S. E. Herrn Monther Bader Sulaiman Aleissa
Griegstraße 5-7
14193 Berlin
Fax: 030-8973 0010
E-Mail: info@kuwait-botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 13. Mai 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Weitere Informationen zu UA-047/2014 (MDE 17/001/2014, 6. März 2014 und MDE 17/002/2014, 10. März 2014)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the authorities to release 'Abdullah 'Atallah and 'Abdulhakim al-Fadhli immediately and unconditionally, if they are held solely for peacefully exercising their rights to freedom of expression, assembly and association.
  • Calling on them to order an impartial and independent investigation into the reported torture of 'Abdulhakim al-Fadhli and bring those responsible to justice.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Viele der Bidun wurden in die Volkszählung von 1965 mit einbezogen, was ein wichtiges Kriterium für den Erhalt der kuwaitischen Staatsangehörigkeit ist. Zahlreiche Bidun hatten zudem Posten bei der Armee oder der Polizei inne. Als sich in den 1980er-Jahren die Sicherheitslage in Kuwait verschlechterte, veränderte sich auch die Haltung gegenüber den Bidun: Man verweigerte ihnen plötzlich den Zugang zu staatlichen Schulen, kostenloser Gesundheitsfürsorge und bestimmten Regierungsposten. RegierungsbeamtInnen ließen verlauten, die meisten Bidun seien Staatsangehörige benachbarter Länder und hätten ihre Ausweisdokumente vernichtet, um dieselben Vorteile zu erhalten wie kuwaitische Staatsangehörige, und seien somit "illegal aufhältige Personen". Nach der Invasion Kuwaits durch den Irak im Jahr 1991 und der darauffolgenden Befreiung Kuwaits wurden sehr viele Bidun der Zusammenarbeit mit dem Feind beschuldigt und aus der kuwaitischen Gesellschaft ausgeschlossen. Viele verloren ihre Posten in der Armee, der Polizei und anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes.

Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht vom September 2013: The 'Withouts' of Kuwait: Nationality for stateless Bidun now, online unter:
http://amnesty.org/en/library/info/MDE17/001/2013/en

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-047/2014-2, AI-Index: MDE 17/003/2014, Datum: 1. April 2014 - dw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2014