Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/1804: Erfolge - Juni/Juli 2014


amnesty journal 06/07/2014 - Das Magazin für die Menschenrechte

Erfolge

- Indien: Das dritte Geschlecht
- China: Aktivistin wieder in Freiheit
- Nigeria: Twitter-Nutzer wieder in Freiheit
- Paraguay: Hoffnung auf Landrückgabe
- Usbekistan: Foltergefahr abgewendet
- China: Drei Blogger auf freiem Fuß
- Südkorea: Gewerkschafter wieder frei



EINSATZ MIT ERFOLG

Weltweit beteiligen sich Tausende Menschen mit Appellschreiben an den "Urgent Actions", den "Briefen gegen das Vergessen" und an Unterschriftenaktionen von Amnesty International. Dass dieser Einsatz drohende Menschenrechtsverletzungen verhindert und Menschen in Not hilft, zeigen diese Beispiele.

Das dritte Geschlecht

INDIEN - Weder Mann, noch Frau: In Indien gibt es nun offiziell ein drittes Geschlecht. Alle Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen, können dies künftig in amtlichen Dokumenten wie Ausweisen, Reisepässen oder Führerscheinen angeben. Dies hat Indiens Oberster Gerichtshof am 15. April entschieden. Das Urteil stärkt auch die Rechte anderer Transgender: Menschen, die mit einem männlichen oder weiblichen Körper geboren wurden, aber sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, dürfen über ihre Geschlechtsidentität selbst entscheiden. Es entspreche dem "Geist der Verfassung, allen Bürgern die gleichen Chancen zu gewähren" und zwar "unabhängig von Kaste, Religion oder Geschlecht", begründeten die Richter ihr Urteil. Die Anerkennung eines dritten Geschlechts sei "kein gesellschaftliches oder medizinisches Thema, sondern ein Menschenrechtsthema", so die Richter weiter. Transgender werden mit dem Richterspruch auch offiziell als Minderheit anerkannt und haben damit Anspruch auf staatliche Hilfen. So profitieren sie beispielsweise fortan vom indischen Quotensystem, das Minderheiten einen leichteren Zugang zu Arbeits- und Studienplätzen ermöglichen soll. Im erzkonservativen Indien ist der Richterspruch eine kleine Sensation. Erst im vergangenen Dezember hatte derselbe Gerichtshof ein Gesetz aus der britischen Kolonialzeit bestätigt, das Homosexualität zu einem Verbrechen erklärt. Gleichgeschlechtlicher Sex zwischen Erwachsenen kann in Indien seither wieder mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Im Jahr 2009 hatte eine niedrigere Instanz in Neu Delhi geurteilt, dass das Verbot homosexueller Handlungen diskriminierend sei und daher gegen die verfassungsmäßig verbrieften Grundrechte verstoße.


Aktivistin wieder in Freiheit

CHINA - Die chinesischen Umerziehungslager sind berüchtigt. Seit Jahrzehnten werden dort Hunderttausende missliebige Personen willkürlich festgehalten und gequält. Weil die Aktivistin Liu Hua in einem Dokumentarfilm Folter und Misshandlungen in den Lagern öffentlich gemacht hatte, wurde sie am 10. März festgenommen und 37 Tage lang in einer Strafanstalt im nordostchinesischen Shenyang festgehalten. Am 17. April ist sie aus der Haft entlassen worden. Menschen aus aller Welt hatten sich im Rahmen einer Eilaktion bei den chinesischen Behörden für ihre Freilassung eingesetzt. Liu Hua hat allen Aktivisten für ihr Engagement gedankt. Die Chinesin verbüßte zwischen 2006 und 2011 drei Haftstrafen in einem Umerziehungslager für Frauen. Der Grund: Sie wollte die Korruption in ihrem Heimatort Zhangliangbao öffentlich machen. Im vergangenen November gab die Volksrepublik China bekannt, alle Umerziehungslager schließen zu wollen. Doch die "Abschaffung" der Lager dürfte reine Kosmetik bleiben. In einigen Fällen wurden bisherige Umerziehungslager lediglich umbenannt. Einige Anstalten werden nun als "Drogenrehabilitationszentren" bezeichnet, obwohl sie nahezu identisch mit den alten Lagern sind.


Twitter-Nutzer wieder in Freiheit

NIGERIA - Weil er ein Foto auf Twitter gepostet hatte, wurde er von Sicherheitskräften verschleppt. Zwölf Tage wurde der Nigerianer Yusuf Siyaka Onimisi ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Seit dem 11. April ist der junge Mann wieder auf freiem Fuß. Der Grund für seine Inhaftierung: Onimisi hatte im Internet ein Foto veröffentlicht, das die Behörden lieber unter Verschluss gehalten hätten. Die Aufnahme zeigt vermutlich, wie Kämpfer der islamischen Terrorsekte Boko Haram in der Hauptstadt Abuja die Zentrale des Inlandsgeheimdienstes SSS attackieren, um Gefangene aus dem Gebäude zu befreien. Während Yusuf Siyaka Onimisi verschwunden war, solidarisierten sich Twitter-User aus aller Welt mit ihm. Unter dem Hashtag #FreeCiaxon forderten sie seine Haftentlassung.


Hoffnung auf Landrückgabe

PARAGUAY - Vor 20 Jahren wurde sie von ihrem Land vertrieben, nun darf die indigene Gemeinschaft der Sawhoyamaxa auf Rückkehr hoffen. Der paraguayische Senat hat ein Gesetz verabschiedet, das den Indigenen ihr 14.404 Hektar großes Land zurückgibt. Der derzeitige Besitzer soll finanziell entschädigt werden. Bevor das Gesetz in Kraft tritt, muss es noch in der Abgeordnetenkammer eine Mehrheit finden. Die Sawhoyamaxa waren aus den Gebieten ihrer Ahnen vertrieben worden, nachdem die Regierung den Boden an den deutschen Viehzüchter und Großgrundbesitzer Heribert Rödel verkauft hatte. Bereits im Jahr 2006 hatte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die Regierung Paraguays das Land der Sawhoyamaxa zurückkaufen müsse. Doch das Vorhaben scheiterte damals am Widerstand einflussreicher Wirtschaftslobbyisten.


Foltergefahr abgewendet

USBEKISTAN - Zwölf Tage mussten Vater und Sohn bangen, doch dann durften sie wieder in ihre niederländische Wahlheimat zurückkehren: Der Usbeke Kholzhigit Sanakulov und sein 31-jähriger Sohn Sherzod, die seit 2008 im niederländischen Exil leben, wollten im März an einer Hochzeit in Russland teilnehmen. Doch bei ihrer Einreise am 8. März wurden sie am Moskauer Flughafen festgenommen und kamen in Untersuchungshaft. Sie mussten fürchten, an ihr Geburtsland Usbekistan ausgeliefert zu werden, wo ihnen Folter und Misshandlung drohen. Am 20. März wurden sie aus der Haft entlassen, einen Tag später durften sie in die Niederlande zurückkehren, wo sie als anerkannte Flüchtlinge leben. Die beiden Männer hatten Usbekistan 2006 verlassen, nachdem sie erfahren hatten, dass die Behörden sie wegen Betrugs und Unterschlagung angeklagt hatten.


Drei Blogger auf freiem Fuß

CHINA - Einmal im Jahr spielt die Volksrepublik China Demokratie: Der Nationale Volkskongress ist das größte Scheinparlament der Welt. Wenn die rund 3.000 Delegierten aus allen Landesteilen in Peking zusammentreten, sind Proteste besonders unerwünscht. Drei jungen Bloggern wurde dies zum Verhängnis: Weil sie im Internet über eine Protestaktion auf dem Platz des Himmlischen Friedens berichtet hatten, landeten Wang Jing, Liu Xuehong und Xing Jian am 9. März hinter Gittern. Am 7. April durften sie das Gefängnis gegen Kaution wieder verlassen. Die drei jungen Blogger hatten vier Tage vor ihrer Festnahme auf dem Online-Portal "64 Tianwang" eine drastische Protestaktion dokumentiert: Während der Nationale Volkskongress tagte, verteilte eine Chinesin auf dem Platz des Himmlischen Friedens Flugblätter und versuchte anschließend, sich selbst anzuzünden. Sicherheitskräfte führten die Frau ab.


Gewerkschafter wieder frei

SÜDKOREA - Der Arbeitskampf brachte ihn hinter Gitter, nun ist Kim Jungwoo wieder in Freiheit. Der Gewerkschaftsführer war im Juni 2013 festgenommen und später zu zehn Monaten Haft verurteilt worden, weil er versucht hatte, Polizisten daran zu hindern, einen Sitzstreik aufzulösen und einen Gedenkaltar abzubauen. Auf der Protestkundgebung war der Automobilkonzern SsangYong Motor aufgefordert worden, Arbeiter wiedereinzustellen, die im Juni 2009 entlassen worden waren. Außerdem hatten die Demonstranten den 24 Arbeitern und Familienangehörigen von Arbeitern des Konzerns gedacht, die sich seit dieser Zeit das Leben genommen hatten beziehungsweise an stressbedingten Erkrankungen gestorben waren. Zwar hat Kim Jungwoo seine zehnmonatige Gefängnisstrafe inzwischen abgesessen, allerdings hat die Staatsanwaltschaft seine Freilassung juristisch angefochten. Bis zur Entscheidung in diesem Verfahren wurde Kim Jungwoo am 1. April gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt.

*

Quelle:
amnesty journal, Juni/Juli 2014, S. 7+9
Herausgeber: amnesty international
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/98 37 30, E-Mail: info@amnesty.de
Redaktionsanschrift: Amnesty International, Redaktion amnesty journal,
Postfach 58 01 61, 10411 Berlin, E-Mail: ai-journal@amnesty.de,
Internet: www.amnesty.de
 
Das amnesty journal erscheint monatlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Nichtmitglieder können das amnesty journal für
30 Euro pro Jahr abonnieren.
Ein Einzelheft kostet 4,80 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2014