Schattenblick → INFOPOOL → BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL


AKTION/1855: Briefe gegen das Vergessen, August 2016


www.amnesty.de/briefe-gegen-das-vergessen

Briefe gegen das Vergessen - Aktion des Monats August 2016

- Iran - Narges Mohammad
- Vereinigte Staaten von Amerika - Mohamedou Ould Slahi
- Türkei - Ahmet Yildiz


Täglich werden Menschen weltweit festgenommen, bedroht, gefoltert, getötet. Weil sie ihre Meinung sagen, sich für die Menschenrechte in ihrem Land einsetzen oder mit friedlichen Mitteln ihre Regierung kritisieren. Gewaltlose politische Gefangene verschwinden oft für Jahre hinter Gittern - ohne faires Gerichtsverfahren und unter unterschiedlich schwierigen Haftbedingungen. Die Gefahr, dass sie vergessen werden, ist groß. Darum brauchen sie unseren Schutz, unsere Solidarität, unseren Einsatz!

Aus diesem Grund startet Amnesty International sogenannte "Briefe gegen das Vergessen". Sie geben den Gefangenen Hoffnung und zeigen den Verantwortlichen, dass die Gefangenen nicht in Vergessenheit geraten sind. Die "Briefe gegen das Vergessen" wirken durch ihre enorme Anzahl.

Wir brauchen Ihre Unterstützung. Gegen das Vergessen. Beteiligen Sie sich an den Briefen gegen das Vergessen!


IRAN

Narges Mohammadi

Narges Mohammadi ist eine bedeutende Menschenrechtsverteidigerin und stellvertretende Geschäftsführerin des iranischen Menschenrechtszentrums. Im Mai 2016 verurteilte ein Revolutionsgericht in Teheran sie im Zusammenhang mit ihrer friedlichen Arbeit zu insgesamt 16 Jahren Haft: Wegen "Gründung einer verbotenen Gruppierung" erhielt sie eine zehnjährige Haftstrafe. Der Vorwurf bezog sich auf ihre Verbindungen zu "Legam", einer Gruppe, die sich gegen die Todesstrafe im Iran einsetzt. Wegen "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" wurde sie zu fünf Jahren und wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" zu einem Jahr Haft verurteilt. Sollte das Urteil im Berufungsverfahren bestätigt werden, muss Narges Mohammadi mindestens zehn Jahre Gefängnis verbüßen - das Strafmaß, das wegen "Gründung einer verbotenen Gruppierung" gegen sie verhängt wurde. Das iranische Strafgesetzbuch sieht seit 2013 vor, dass bei einem Schuldspruch in mehreren Anklagepunkten lediglich die längste Einzelstrafe verbüßt werden muss.

Narges Mohammadi sitzt bereits im Gefängnis - wegen einer sechsjährigen Haftstrafe, zu der sie in einem anderen Fall verurteilt wurde. Die Menschenrechtsverteidigerin ist schwer krank. Sie leidet an einem Blutgerinnsel in ihren Lungen und an einer neurologischen Erkrankung, die zu Krampfanfällen und Lähmungserscheinungen führt. Sie benötigt eine permanente fachärztliche Behandlung, die im Gefängnis nicht möglich ist.

Die Behörden verweigern Narges Mohammadi das Recht auf Kontakt zu ihren Kindern. Ihre neunjährigen Zwillinge mussten ins Ausland zu ihrem Vater ziehen, da sich im Iran niemand um sie kümmern konnte. Narges Mohammadi durfte seit Mitte 2015 nur ein einziges Telefongespräch mit ihren Kindern führen.

Bitte schreiben Sie höflich formulierte Briefe an die Oberste Justizautorität, Ayatollah Sadegh Larijani, in denen Sie ihn darauf hinweisen, dass Narges Mohammadi eine gewaltlose politische Gefangene ist, die sich nur aufgrund ihrer friedlichen Menschenrechtsarbeit in Haft befindet. Fordern Sie die Aufhebung des Urteils und Strafmaßes sowie ihre sofortige und bedingungslose Freilassung. Bitten Sie ihn, sicherzustellen, dass Narges Mohammadi sofort und permanent Zugang zu fachärztlicher Behandlung außerhalb des Gefängnisses erhält und vor jeglicher Form der Folter oder anderweitiger Misshandlung geschützt ist. Bitten Sie ihn zudem darum, dafür zu sorgen, dass sie regelmäßigen Kontakt zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und zu ihrer Familie erhält.

Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch oder auf Deutsch an:
Ayatollah Sadegh Larijani
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Senden Sie Ihre Briefe bitte über die Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
(Standardbrief bis 20 g: 0,70 EUR)


VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA

Mohamedou Ould Slahi

Der mauretanische Staatsbürger Mohamedou Ould Slahi wird seit dem 5. August 2002 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im US-Gefangenenlager Guantánamo festgehalten. Nach seiner Festnahme 2001 in Mauretanien wurde er Opfer des Verschwindenlassens und rechtswidrig nach Jordanien überstellt. Die US-Regierung ist der Ansicht, dass er Al-Qaida angehört, obwohl er dies abstreitet und erklärt hat, bereits 1992 alle Verbindungen zu der Gruppe beendet zu haben. Mohamedou Ould Slahi gibt an, in Jordanien und auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan sowie in Guantánamo und während seiner Transporte gefoltert und anderweitig misshandelt worden zu sein.

2003 wurde Mohamedou Ould Slahi in Guantánamo einem 90-tägigen "besonderen Verhörplan" unterzogen. Seine Zellentüren wurden so umgebaut, dass kein Licht hindurchdrang, und bis Juli 2004 durfte er sich tagsüber nicht im Freien aufhalten. Er wurde einer simulierten Überstellung unterzogen, indem das Wachpersonal ihn dreieinhalb Stunden lang auf einem Boot festhielt und ihm Schläge versetzte. Ebenfalls 2003 wurde er dem Vernehmen nach 70 Tage in Folge Schlafentzug ausgesetzt durch Scheinwerferlicht und anhaltende laute Heavy-Metal-Musik. Man bedrohte ihn und seine Familie, setzte ihn kalten Temperaturen aus, begoss ihn mit kaltem Wasser, griff ihn tätlich an und entzog ihm die Nahrung.

Im April 2010 ordnete ein US-Bundesrichter die Freilassung von Mohamedou Ould Slahi an. Der Richter kam zu dem Schluss, dass seine Inhaftierung rechtswidrig war. Die US-Regierung legte Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein, und im November 2010 kippte das US-Berufungsgericht das Urteil und verwies den Fall zurück an das Bezirksgericht. Mehr als fünf Jahre später befindet sich Mohamedou Ould Slahi nach wie vor ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft.

Bitte schreiben Sie höflich formulierte Briefe an den Rechtsberater des Verteidigungsministeriums, in denen Sie Ihre Sorge über die mutmaßliche Folterung von Mohamedou Ould Slahi im US-Gewahrsam in Jordanien und Afghanistan sowie in Guantánamo ausdrücken. Bitten Sie darum, dass Mohamedou Ould Slahi umgehend freigelassen wird, wenn er nicht angeklagt und vor ein unabhängiges Zivilgericht gestellt wird. Betonen Sie auch, dass alle Guantánamo-Häftlinge, die angeklagt werden, vor Zivilgerichte gestellt werden und ein Verfahren erhalten sollten, das internationalen Standards entspricht und in dem nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird. Fordern Sie darüber hinaus die umgehende und bedingungslose Freilassung aller Guantánamo-Häftlinge, gegen die kein Strafverfahren eingeleitet wird.

Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch an:
Stephen W. Preston
Office of the General Counsel
Department of Defense, 1400 Defense Pentagon
Washington DC, 20301-1400, USA
(Anrede: Dear General Counsel / Sehr geehrter Herr Preston)
E-Mail: über die Website: https://kb.defense.gov/
(Standardbrief Luftpost bis 20 g: 0,90 EUR)

Senden Sie bitte eine Kopie Ihres Schreibens an:
Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika
S. E. Herrn John Bonnell Emerson
Pariser Platz 2
10117 Berlin
Fax: 030 - 830 510 50


TÜRKEI

Ahmet Yildiz

Am 15. Juli 2008 verließ Ahmet Yildiz seine Wohnung, um ein Eis zu kaufen. Kurz darauf hörte sein Lebenspartner Ibrahim Can Schüsse. Als er hinunterlief, sah er, dass auf Ahmet Yildiz geschossen worden war. Die Tötung wird weithin als "Ehrenmord" betrachtet. Wie bei anderen mutmaßlichen Ehrenmorden holte die Familie von Ahmet Yildiz den Leichnam nicht zur Bestattung ab. Nach drei Monaten wurde schließlich ein Haftbefehl gegen den einzigen Verdächtigen, den Vater des Ermordeten, ausgestellt. Bislang ist er jedoch nicht verhaftet worden.

Der Fall zeigt, dass die türkischen Behörden nicht ausreichend gegen Gewalt gegen Lesben, Schwule Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle (LGBTI) vorgehen. Ibrahim Can teilte Amnesty International mit, dass Ahmet Yildiz in den Monaten vor seiner Ermordung von seiner Familie und insbesondere vom Vater bedroht worden war. Im Oktober 2007 erstattete Ahmet Yildiz Anzeige gegen seine Familie und bat die Staatsanwaltschaft im Istanbuler Stadtteil Üsküdar um Schutz. Statt etwas zu unternehmen, gab die Staatsanwaltschaft die Anzeige an einen benachbarten Bezirk weiter. Nach dem Mord stellte sich heraus, dass die Anzeige gar nicht bearbeitet worden war.

Im türkischen Recht gibt es noch immer kein explizites Verbot von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität, obwohl sich Menschenrechtsgruppen schon lange dafür einsetzen.

Bitte schreiben Sie höflich formulierte Briefe an den türkischen Justizminister und legen sie den Fall von Ahmet Yildiz dar. Fordern Sie ihn auf, den einzigen Verdächtigen endlich in einem fairen Verfahren vor Gericht zu stellen. Verlangen Sie eine Untersuchung bezüglich der unterlassenen Schutzmaßnahmen für Ahmet Yildiz und dringen Sie darauf, dass Gewaltverbrechen mit homofeindlichen oder transfeindlichen Tatmotiven wirksam bekämpft werden.

Schreiben Sie in gutem Türkisch oder auf Deutsch an:
Bekir Bozdag
Ministry of Justice
Adalet Bakanligi
06659 Ankara, Türkei
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Justizminister)
Fax: 00 90 - 312 417 71 13
E-Mail: ozelkalem@adalet.gov.tr

Senden Sie bitte eine Kopie Ihres Schreibens an:
Botschaft der Republik Türkei
S. E. Herrn Hüseyin Avni Karslioglu
Tiergartenstraße 19-21, 10785 Berlin
Fax: 030 - 275 909 15
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr

*

Quelle:
www.amnesty.de/briefe-gegen-das-vergessen
Herausgeber: amnesty international
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/98 37 30, E-Mail: info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang