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AKTION/462: Innenministerkonferenz soll Abschiebungsstopp von Roma ins Kosovo beschließen


Pressemitteilung vom 2. Dezember 2009

Innenministerkonferenz soll Abschiebungsstopp von Roma ins Kosovo beschliessen


Anlässlich der heute beginnenden Innenministerkonferenz in Bremen hat sich die deutsche Sektion von Amnesty International mit einen Brief an die Innenminister und Innensenatoren gewandt und fordert:

keine Abschiebung von Roma ins Kosovo
Aussetzung von Abschiebungen nach Syrien und Überprüfung der Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
Einrichtung eines Programms zur Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge in Deutschland (z.B. sudanesische Flüchtlinge, die im Tschad nicht sicher sind)
Verlängerung und Erweiterung der Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete

*


An den Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder
Herrn Innensenator Ulrich Mäurer
Contrescarpe 22/24 28203 Bremen


Berlin, 04.11.2009

INNENMINISTERKONFERENZ AM 2.-4. DEZEMBER IN BREMEN


Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

anlässlich der Herbstkonferenz der Innenminister und Innensenatoren vom 2-4. Dezember 2009 in Bremen wendet sich Amnesty International an Sie, um Sie über die Anliegen unserer Organisation zu dieser Konferenz zu informieren. Ich bitte Sie, unser Schreiben an die Vertreter der Bundesländer weiterzuleiten.

Gerne würde ich Ihnen unsere Anliegen zudem in einem persönlichen Gespräch erläutern und möchte Sie daher um einen Termin bitten.


KEINE ABSCHIEBUNG VON ETHNISCHEN MINDERHEITEN IN DAS KOSOVO

Wiederholt hat Amnesty die Innenministerkonferenz dazu aufgefordert, für Roma und Serben aus dem Kosovo einen Abschiebungsstopp zu erlassen. Mit großem Bedauern mussten wir feststellen, dass die Innenminister und -senatoren bisher dieses Thema nicht auf die Tagesordnung der IMK gesetzt haben. Wir hoffen, dass sich dies nunmehr ändern wird, nachdem verschiedene renommierte nationale und internationale zwischenstaatliche und Nichtregierungsorganisationen in jüngster Zeit dazu aufgefordert haben, Roma nicht zwangsweise in das Kosovo zurückzuführen. Auf Grund verschiedener Äußerungen aus den Ministerien des Bundes und der Länder über die Situation insbesondere der Roma im Kosovo hat Amnesty International allerdings den Eindruck gewonnen, dass die Informationen zur aktuellen Menschenrechtssituation im Kosovo noch nicht zur Kenntnis genommen worden sind, obwohl Erkenntnisse über die schwerwiegende Diskriminierung von Roma im Kosovo mehrmals von Amnesty und anderen Organisationen vorgetragen wurden und zudem öffentlich zugänglich sind.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Kosovo zur Rückübernahme seiner Staatsangehörigen verpflichtet ist. Für die Bundesrepublik kommt jedoch hinzu, dass sie ihre Verpflichtung aus internationalen Konventionen erfüllen muss, Menschen zu schützen, die in ihrem Herkunftsland nach einer Abschiebung Menschenrechtsverletzungen wie Übergriffe auf Leib und Leben und schwerwiegende Diskriminierung zu befürchten haben. Aufgrund der uns vorliegenden Erkenntnisse über die Menschenrechtslage im Kosovo ist Amnesty bis heute der Auffassung, dass Roma, Serben und Albaner, sofern sie auf eine Minderheitensituation verwiesen werden, internationalen Schutzes bedürfen. Auch der UNHCR weist nach wie vor unmissverständlich darauf hin, dass die genannten Gruppen international schutzbedürftig sind. Für die Mehrheit der Roma sind grundlegende Menschenrechte, insbesondere in den Bereichen Wohnen, Gesundheit, Arbeit und Bildung, nicht gewährleistet. Von angeblichen Verbesserungen in diesen Bereichen profitieren sie nicht. Vielmehr ist etwa ein Drittel der Roma-Bevölkerung im Kosovo nicht einmal im Personenstandsregister geführt oder mit dem gewöhnlichen Aufenthalt registriert, weil sie die für eine solche Registrierung erforderlichen Dokumente wie Geburts- oder Heiratsurkunden nicht vorlegen können. Damit sind viele Roma faktisch staatenlos und zusätzlich zu der alltäglichen Diskriminierung von Roma vollständig ausgeschlossen vom sozialen Sicherungssystem, dem Gesundheitswesen, Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie dem Bildungssystem. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat bereits im November 2008 Verbesserungen in diesem Bereich angemahnt, die jedoch auch ein Jahr später nicht erkennbar sind (United Nations Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Consideration of Reports Submitted by States Parties under Articles 16 and 17 of the Covenant, Concluding Observations of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights, E/C.12/UNK/CO/1, 19 November 2008). Auch der Menschenrechtskommissar des Europarates Thomas Hammarberg weist auf dieses Problem hin und schildert, dass viele derjenigen, die zwangsweise in das Kosovo zurückgeführt wurden, nicht von den kosovarischen Behörden unterstützt und somit obdachlos würden. Einige seien letztlich im bleiverseuchten Camp Osterode untergekommen. Der Kommissar habe einen dieser Jungen getroffen, der mit seiner Familie aus Deutschland abgeschoben worden sei, nun in diesem bleivergifteten Camp lebe und eine Schule besuche, in der nur Roma unterrichtet würden (Report of the Council of Europe Commissioner for Human Rights' Special Mission to Kosovo, 23-27 March 2009, CommDH(2009)23, 2 July 2009, No. 158).

Auch viele der seit Jahren in Deutschland lebenden Roma, denen nun die Abschiebung in das Kosovo droht, sind nicht im Besitz offizieller Dokumente. Vor diesem Hintergrund ist Amnesty besonders besorgt darüber, dass das Rückübernahmeabkommen zwischen Deutschland und Kosovo vorsieht, dass es für eine Rückübernahme ausreicht, die Herkunft der zurückzuführenden Person glaubhaft zu machen statt sie nachzuweisen. Da zur Glaubhaftmachung Zeugenaussagen oder eigene Angaben und Sprache der betroffenen Person ausreichen sollen, würde man diesen Personenkreis faktisch in die Staatenlosigkeit zurückführen. Eine Rückkehr in Sicherheit, wie sie in der UN-Resolution 1244 gefordert wird, ist damit eindeutig nicht gewährleistet.

Hinzu kommt, dass in jüngster Zeit aus dem Kosovo tätliche Übergriffe auf Roma bekannt geworden sind. Angriffe auf Roma werden kaum dokumentiert, denn Roma zeigen diese oft nicht an - aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der Täter oder in dem Glauben, dass die Polizei die Anzeigen nicht aufnimmt. In jüngster Zeit wurden jedoch Übergriffe publik. So wurden im Juli Angehörige der Roma-Gemeinde von Gnjilane/Gjilan von ethnischen Albanern angegriffen und verletzt. Im August suchten Roma in Urosevac/ Ferizaj Schutz bei der Polizei vor verbalen und tätlichen Übergriffen durch Unbekannte.

Amnesty fordert die Innenminister und -senatoren mit Nachdruck dazu auf, Roma auf Grund der beschriebenen Menschenrechtssituation nicht in das Kosovo abzuschieben. Amnesty fordert zudem den Bundesinnenminister auf, die Lage im Kosovo im Hinblick auf die Situation der Roma unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen, einschließlich der von Nichtregierungsorganisationen und internationalen zwischenstaatlichen Institutionen, einer neuen Bewertung zu unterziehen.


EINRICHTUNG EINES STÄNDIGEN NEUANSIEDLUNGSPROGRAMMS FÜR BESONDERS SCHUTZBEDÜRFTIGE FLÜCHTLINGE (RESETTLEMENT)

Amnesty bittet die Innenminister und -senatoren, an die positiven Erfahrungen bei der derzeit laufenden Aufnahme irakischer Flüchtlinge aus Jordanien und Syrien anzuknüpfen und an der Einrichtung eines ständigen nationalen Neuansiedlungsprogramms für Flüchtlinge mitzuwirken. Im Rahmen dieses Programms sollte sich Deutschland dazu verpflichten, in Zusammenarbeit mit dem UNHCR jährlich ein festgelegtes Kontingent besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge unmittelbar aus ihrer Herkunftsregion und dauerhaft aufzunehmen. Als Ergänzung zur individuellen Aufnahme von Flüchtlingen würde ein Resettlement-Programm die Möglichkeit bieten, Schutzbedürftigen, die oft über viele Jahre in überfüllten Flüchtlingslagern ihrer Herkunftsregion ohne jede Aussicht auf Rückkehr oder einen Neuanfang leben, eine sichere Perspektive zu geben und so zur Bewältigung auswegloser Flüchtlingssituationen beizutragen.

Ein gemeinsames Vorgehen der EU-Mitgliedsstaaten kann aus Sicht von Amnesty eine wirksame und effektive Hilfe bei besonders drängenden Flüchtlingsproblemen erleichtern. Wir bitten Sie daher, die am 2. September 2009 seitens der Europäischen Kommission vorgeschlagene engere politische und praktische Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten beim Resettlement zu unterstützen und sich insbesondere dafür einzusetzen, dass die von Deutschland festzulegenden Aufnahmekontingente so ausfallen, dass die Bundesrepublik einen wirksamen Beitrag zum internationalen Flüchtlingsschutz leisten kann.


VERLÄNGERUNG DER BLEIBERECHTSREGELUNG FÜR LANGJÄHRIG GEDULDETE

Amnesty unterstützt die Forderung anderer Organisationen nach einer Verlängerung der Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete, da nicht wenigen der Personen, die von einer verlängerten Bleiberechtsregelung profitieren würden, eigentlich hätte Flüchtlingsschutz gewährt werden müssen. Dies galt früher für viele Menschen aus Afghanistan und aus dem Irak. Heute gilt dies insbesondere für Roma aus dem Kosovo.

Die nach der gesetzlichen Altfallregelung in §§ 104a und 104b AufenthG vorläufig erteilten Aufenthaltserlaubnisse laufen am 31.12.2009 aus. Von den über 30.000 Personen, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung nur ,,auf Probe" erteilt wurde, werden viele die Voraussetzungen, die an eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis geknüpft sind, voraussichtlich nicht erfüllen können. Insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts bereitet ihnen Probleme. So sorgt etwa die anhaltende Wirtschaftskrise dafür, dass viele der Betroffenen trotz intensiven Bemühens derzeit keinen Arbeitsplatz erhalten können. Außerdem gibt es zahlreiche Personen, die zwar noch nicht an den Stichtagen der Bleiberechtsregelungen, wohl aber inzwischen viele Jahre in Deutschland geduldet sind, weil sie nicht in ihre Herkunftsstaaten abgeschoben werden können.

Amnesty fordert die Innenminister und -senatoren dazu auf, sich für eine Verlängerung der Bleiberechtsregelung sowie deren Ausweitung auf Menschen einzusetzen, die sich inzwischen langjährig in Deutschland aufhalten. Außerdem sollten die Voraussetzungen, unter denen langjährig Geduldete eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können, überdacht werden.


GEFÄHRDUNG BEI ABSCHIEBUNG NACH SYRIEN

Vor dem Hintergrund des Anfang diesen Jahres in Kraft getretenen deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens beobachtet Amnesty International mit großer Sorge die zunehmende Zahl von zwangsweisen Abschiebungen abgelehnter syrischer Asylbewerber in den vergangenen Wochen und Monaten. Nach den Erkenntnissen unserer Organisation zeichnete sich die Lage in Syrien in den vergangenen Jahren durch schwere Menschenrechtsverletzungen aus. Im vergangenen Jahr haben wir sogar eine nochmalige Verschlechterung der Situation feststellen müssen. Amnesty International ist sehr besorgt über die anhaltende staatliche Verfolgung von Menschenrechtsaktivisten und pro-demokratischen Oppositionellen in den vergangenen Jahren. Politische Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger werden inhaftiert, angeklagt und nach unfairen Gerichtsverfahren allein wegen ihrer friedlichen Meinungsäußerungen und ihren Forderungen nach demokratischen Reformen zu langen Haftstrafen verurteilt. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und alle Medien unterliegen in Syrien strengsten staatlichen Kontrollen. Denjenigen, die sich dagegen auflehnen, droht strafrechtliche Verfolgung. Junge Blogger und Internet-Aktivisten verbüßen langjährige Haftstrafen wegen Veröffentlichungen, in denen sie die Menschenrechtssituation kritisiert haben.

Angehörige der kurdischen Minderheit werden in Syrien aufgrund ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert. Vielen von ihnen wird das Recht auf die syrische Staatsangehörigkeit vorenthalten, weshalb sie im Bereich der Bildung, der Berufswahl und der Gesundheitsversorgung systematischen Benachteiligungen ausgesetzt sind. Kurdische Menschenrechtsverteidiger, aktive Mitglieder oder Unterstützer kurdischer Parteien oder Gruppen, die Kritik an der Behandlung der syrischen Kurden äußern, sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, willkürlich festgenommen und in vielen Fällen auch gefoltert oder misshandelt zu werden. Folter und andere Misshandlungen sind in syrischen Verhör- und Haftzentren der verschiedenen Geheimdienste weit verbreitet. Im vergangenen Jahr starben Berichten zufolge sieben Menschen während der Haft, offenbar aufgrund von Misshandlungen. Es herrscht ein Klima der Straflosigkeit. Die Behörden leiteten keine Untersuchungen über Berichte von Folterungen in Haft ein. ,,Geständnisse", die unter Zwang erpresst wurden, werden von syrischen Gerichten systematisch als Beweismittel zugelassen.

Vor dem Hintergrund der unserer Organisation vorliegenden Erkenntnisse über die unverändert schlechte Menschenrechtslage in Syrien ist diese neue Praxis der vermehrten Abschiebungen nach Syrien nicht zu rechtfertigen. Zahlreiche Fälle abgelehnter syrischer Asylsuchender, die unsere Organisation in den vergangenen Monaten untersucht hat, geben Anlass zu der Sorge, dass die Entscheidungsinstanzen die Menschenrechtslage in Syrien nicht in angemessener Weise berücksichtigt und die Gefährdung bei Rückkehr nach Syrien nicht zutreffend eingeschätzt haben. In den vergangenen Wochen hat unsere Organisation zunehmend Berichte über länger andauernde Inhaftierung abgelehnter syrischer Asylbewerber/innen nach ihrer Abschiebung nach Syrien erhalten. Im Folgenden verweisen wir auf zwei von unserer Organisation dokumentierte Referenzfälle abgelehnter syrischer Asylsuchender, die nach ihrer Abschiebung festgenommen und ohne Kontakt zur Außenwelt unter erheblicher Foltergefahr von den Geheimdiensten inhaftiert wurden. Der syrische Kurde Berzani Karro wurde im Juni 2009 von den zypriotischen Behörden nach Syrien abgeschoben. Er hatte im Jahr 2006 in Zypern einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt wurde. Berzani Karro wurde bei Ankunft auf dem Flughafen in Damaskus festgenommen und mindestens drei Monate ohne Kontakt zur Außenwelt von den Geheimdiensten inhaftiert und wahrscheinlich misshandelt und gefoltert. Berichten zufolge, die unsere Organisation bislang nicht unabhängig überprüfen konnte, soll Berzani Karro etwa Mitte Oktober ins 'Adra Gefängnis verlegt worden sein. Gegenwärtig ist unserer Organisation nicht bekannt, warum Berzani Karro inhaftiert wurde und ob eine Anklage gegen ihn erhoben wurde. Unseren Erkenntnissen zufolge war Berzani Karro bereits Anfang 2005 als Jugendlicher für zweieinhalb Monate u.a. in der Haftanstalt der ,,Palästinensischen Abteilung" beim Militärischen Geheimdienst in Haft, wo Gefangene routinemäßig gefoltert werden. Anfang September 2009 wurde der abgelehnte kurdische Asylbewerber Khaled Kenjo von den deutschen Behörden nach Syrien abgeschoben. Zwei Wochen nach seiner Rückkehr wurde er bei der Vorsprache beim Geheimdienst festgenommen und drei Wochen lang ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert und verhört. Gegen Khaled Kenjo wurde Anklage wegen ,,Verbreitung falscher Informationen im Ausland" gemäß § 287 StGB vor dem Militärgericht erhoben. Am 6. Oktober wurde er erstmals vom Militärrichter angehört. Er befindet sich zur Zeit im Gefängnis in Qamishli, das Verfahren gegen ihn ist anhängig. Zwei Brüder von Khaled Kenjo waren im Jahr 2004 Opfer massiver staatlicher Verfolgung: Ein Bruder starb an den Folgewirkungen von Schlägen, die ihm wenige Monate zuvor Berichten zufolge von Angehörigen eines Geheimdienstes während der Haft ohne Kontakt zur Außenwelt zugefügt wurden. Ein weiterer Bruder, der ebenfalls 2004 festgenommen wurde, verbrachte 16 Monate in Haft wegen des Vorwurfs, an kurdischen Protesten beteiligt gewesen zu sein.

Vor dem Hintergrund der Menschenrechtslage in Syrien und der Berichte über Festnahmen, Inhaftierung und Misshandlung sowie Anklagen und Verurteilungen zu Haftstrafen abgeschobener syrischer Asylbewerber fordert Amnesty International die Innenministerkonferenz auf, sich darauf zu verständigen, zunächst von Abschiebungen nach Syrien Abstand zu nehmen. Die Entscheidungspraxis und die Gefährdungsprognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hinsichtlich syrischer Asylbewerber sind einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen. Zu diesem Zweck sollten sachverständige Expertisen zur Menschenrechtslage in Syrien und zur Bestimmung von gefährdeten Gruppen eingeholt werden. Die Umsetzung des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens sollte so lange ausgesetzt werden, bis sichergestellt ist, dass abgeschobene syrische Asylbewerber nicht Opfer gravierender Menschenrechtsverletzungen werden.


VERSCHLECHTERUNG DER MENSCHRENRECHTSLAGE IN IRAN

Im Iran ist eine dramatische Verschlechterung der Menschenrechtslage seit den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 zu verzeichnen. Die Meinungs- und Pressefreiheit wird massiv unterdrückt, friedliche Massenproteste wurden und werden mit Gewalt unterdrückt. Hunderte Teilnehmer an Demonstrationen und Protesten sowie Reformpolitiker, Journalisten, Rechtsanwälte, zivilgesellschaftliche Aktivisten und Studenten werden festgenommen, verhört und misshandelt und in unfairen Verfahren vor Gericht gestellt. Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten werden nach wie vor diskriminiert, unterdrückt und verfolgt. Vor diesem Hintergrund begrüßt Amnesty International die Initiativen einzelner Bundesländer, Abschiebungen in den Iran zunächst auszusetzen bzw. einer genauen Prüfung zu unterziehen. Amnesty International unterstützt ausdrücklich den Vorstoß einiger Bundesländer, auf der Innenministerkonferenz eine bundesweit einheitliche Regelung zu erreichen und den Erlass eines Abschiebungsstopps zu prüfen. Angesichts der veränderten Lage in Iran sollte ausreisepflichtigen iranischen Flüchtlingen seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wohlwollend und flexibel eine erneute Prüfung der Gefährdungslage im konkreten Einzelfall eingeräumt werden.

Amnesty International würde es begrüßen, wenn Sie die von uns genannten Anliegen auf der diesjährigen Herbstkonferenz der Innenminister und Innensenatoren aufgreifen und berücksichtigen würden. Gerne erläutere ich Ihnen diese wie vorgeschlagen in einem persönlichen Gespräch. Der Konferenz wünsche ich bereits jetzt einen guten Verlauf.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Monika Lüke
Generalsekretärin


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Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 2. Dezember 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2009