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AKTION/593: Urgent Action - Ukraine, EU-Menschenrechtsgerichtshof entschied gegen Abschiebungen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-072/2011-1, AI-Index: EUR 50/006/2011, Datum: 22. März 2011 - jf

UKRAINE
EGMR-Entscheidung gegen Abschiebungen

Weitere Informationen zu UA-072/2011 (MDE 50/005/2011, 15. März 2011)


VIER AFGHANISCHE STAATSANGEHÖRIGE

bereits abgeschoben:
10 AFGHANISCHE STAATSANGEHÖRIGE

Gemäß eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 18. März dürfen vier Afghanen nicht aus der Ukraine in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Zudem muss der ukrainische Staat den Männern die Einlegung von Rechtsmitteln ermöglichen, damit sie die bereits erfolgte Ablehnung ihrer Asylanträge anfechten können. Ursprünglich war eine Gruppe von 14 afghanischen Staatsangehörigen in der Ukraine festgenommen worden. Nach Kenntnissen von Amnesty International befinden sich derzeit nur noch vier Männer dieser Gruppe in der Ukraine. Zehn ihrer Landsleute wurden vergangene Woche nach Afghanistan abgeschoben, unter ihnen eine unbegleitete minderjährige Person.

Infolge der Urteilsverkündung durch den EGMR wurden zwei der Männer freigelassen. Zwei weitere Afghanen werden derzeit noch auf dem Gelände des Flughafens Boryspil in der ukrainischen Hauptstadt Kiew festgehalten; mit ihrer Freilassung wird in den kommenden Tagen gerechnet. Inzwischen steht auch das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge in Kontakt zu den Männern, die allesamt Rechtsmittel gegen die Ablehnung ihres Asylantrages eingelegt haben. Jeder Asylantrag sollte einzeln und gemäß eines fairen und wirksamen Verfahrens zur Feststellung des Flüchtlingsstatus sowie in Übereinstimmung mit innerstaatlichen und internationalen Rechtsvorschriften geprüft werden. Der EGMR hat die Ukraine angewiesen, die Abschiebungen der vier Männer bis zum 1. April auszusetzen. Sollte die Prüfung der Rechtsmittel bis zu diesem Datum noch nicht abgeschlossen sein, besteht die Möglichkeit einer Verlängerung dieser Zeitspanne.

Verlässlichen Angaben zufolge sind die afghanischen Staatsbürger während ihrer Inhaftierung misshandelt worden. Amnesty International fordert eine Untersuchung dieser Vorwürfe durch die ukrainischen Behörden. Sollte ein Nachweis für die Misshandlungen erbracht werden, müssen die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Am 17. März hatten Angehörige des ukrainischen Grenzschutzes örtlichen Medien mitgeteilt, dass Gewalt gegen die Männer angewendet wurde, als diese sich gegen ihre Abschiebung zu wehren versucht hatten.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die 14 AfghanInnen waren nach vorliegenden Meldungen wegen versuchten illegalen Grenzübertritts von der Ukraine in die Europäische Union festgenommen und sechs Monate lang in einem Haftzentrum in Volin im Nordwesten der Ukraine in Gewahrsam gehalten worden. Mindestens acht von ihnen haben nach mehrmonatiger Inhaftierung in der Ukraine um Asyl nachgesucht. Eine angemessene rechtliche Beratung ist ihnen in der Haft allem Anschein nach nicht zuteil geworden. Noch am Tag der Ablehnung ihres Asylantrags erging gegen die AfghanInnen ein Ausweisungsbescheid, der nicht angefochten werden konnte. Die Männer wurden per Zug nach Kiew und von dort zum Flughafen Boryspil gebracht.

Amnesty International hat sich vergangene Woche zusammen mit weiteren Organisationen gegen die Abschiebung der 14 AfghanInnen eingesetzt. Die Möglichkeit, den Ablehnungsbescheid anzufechten oder Widerspruch gegen ihre Abschiebung einzulegen, wurde den Menschen verwehrt; zehn AfghanInnen waren bereits am 20. März abgeschoben worden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich appelliere an Sie, in Übereinstimmung mit der am 18. März ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die vier zuletzt auf dem Gelände des Flughafens Boryspil festgehaltenen afghanischen Staatsbürger nicht abzuschieben und die beiden noch dort in Haft befindlichen Männer freizulassen.

- Stellen Sie bitte sicher, dass jedem der vier Afghanen die Möglichkeit gewährt wird, den Ablehnungsbescheid anzufechten oder Widerspruch gegen seine Abschiebung einzulegen.

- Ich bin zudem sehr besorgt darüber, dass vergangene Woche zehn AfghanInnen aus der Ukraine abgeschoben wurden, ohne dass man ihnen die Möglichkeit gegeben hätte, Asyl zu beantragen bzw. Rechtsmittel gegen den Ablehnungsbescheid und/oder ihre Abschiebung einzulegen. Ich weise darauf hin, dass dies einen Bruch von innerstaatlichen und internationalen Rechtsvorschriften darstellt, denen die Ukraine verpflichtet ist.

- Darüber hinaus sollten die Vorwürfe untersucht werden, denen zufolge die AsylbewerberInnen aus Afghanistan misshandelt worden sind.


APPELLE AN

JUSTIZMINISTER
Oleksandr Volodimirovich Lavrinovich
Gorodetskogo Str. 13
01001 Kyiv
UKRAINE
(korrekte Anrede: Dear Minister)
Fax: (00 380) 44 271 1783
E-Mail: themis@minjust.gov.ua

GENERALSTAATSANWALT
Viktor Pavlovich Pshonka
Riznitska Str. 13/15
01601 Kyiv
UKRAINE
(korrekte Anrede : Dear General Prosecutor)
Fax: (00 380) 44 280 2851

INNENMINISTER
Anatoly Vladimirovich Mogilev
Akademika Bogomoltsa Str. 10
01024 Kyiv
UKRAINE
(korrekte Anrede: Dear Minister)
Tel: (00 380) 44 256 03 33
Fax: (00 380) 44 256 16 33
E-Mail: mvsinfo@mvsinfo.gov.ua


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER UKRAINE
I.E. Frau Nataliia Zarudna
Albrechtstraße 26
10117 Berlin
Fax: 030-2888 7163
E-Mail: ukremb@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Ukrainisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Mai 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Call on the Ukrainian authorities to abide by the 18 March decision of the European Court of Human Rights and not deport the four Afghan citizens who have been held at Boryspil International airport and release the two remaining in detention;

- Urge them to ensure that all four men are given an effective opportunity to appeal against the earlier rejection of their asylum applications;

- Express your concern that 10 Afghan citizens were deported from Ukraine last week without being given an effective opportunity to apply for asylum, and/or to submit an appeal against the rejection of their asylum application and/or against their deportation, as required by Ukraine under domestic and international law;

- Call for an immediate investigation into allegations that the Afghan men were ill-treated in detention in Boryspil International airport and for those found responsible to be brought to justice.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-072/2011-1, AI-Index: EUR 50/006/2011, Datum: 22. März 2011 - jf
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2011