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AKTION/793: Urgent Action - Kambodscha - Polizeigewalt gegen Aktivist


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-063/2011-1, AI-Index: ASA 23/008/2011, Datum: 19. September 2011 - ns

Kambodscha
Polizeigewalt gegen Aktivist

Weitere Informationen zu UA-063/2011 (ASA 23/001/2011, 8. März 2011)


Herr SUONG SOPHORN

Als der Aktivist Suong Sophorn am 16. September versucht hatte, die Zerstörung der Behausungen am Ufer des Boeung-Kak-Sees in Phnom Penh zu verhindern, ging die Polizei gewaltsam gegen ihn vor. Um die 100 bewaffneten BereitschaftspolizistInnen und Sicherheitskräfte hielten sich bereit, während acht Behausungen ohne jegliche Vorwarnung abgerissen wurden. 90 weiteren Familien droht die unmittelbare Zwangsräumung.

Die rechtswidrigen Zwangsräumungen begannen als Männer in zwei Baggern den See erreichten und die Behausungen von drei Familien in Schutt und Asche legten. Anschließend zerstörten sie weitere fünf Behausungen und Geschäfte. Suong Sophorn rief die BewohnerInnen friedlich dazu auf, die Zerstörung weiterer Behausungen gemeinsam zu verhindern. Daraufhin wurde der Aktivist von der Polizei umzingelt, getreten, mit Schlagstöcken geschlagen und mit einem Ziegelstein am Kopf getroffen. Man ließ ihn bewusstlos und blutend zurück. Später wurde er mit einer schweren Kopfverletzung und einem gebrochenen Finger ins Krankenhaus gebracht. Aufgrund seiner friedlichen Proteste gegen die Zwangsräumungen am Boeung-Kak-See, war er bereits zuvor das Ziel der Behörden gewesen.

Einige der BewohnerInnen, deren Behausungen zerstört wurden, konnten vor dem Abriss noch ihre Besitztümer retten, während andere alles verloren haben. Viele von ihnen haben Zelte auf den Trümmern ihrer ehemaligen Behausungen errichtet, da sie nirgendwo anders bleiben können. Weiteren 90 Familien droht das gleiche Schicksal. Nur noch 779 der ursprünglich ungefähr 4.000 Familien leben am Ufer des Boeung-Kak-Sees. Die anderen Familien haben nach diversen Drohungen und Einschüchterungen seit die Arbeiten zur Aufschüttung des Sees im August 2008 begannen, entweder die unangemessene Entschädigung angenommen oder sich an einem 20 km entfernten Ort niedergelassen. Am 11. August veranlasste der Ministerpräsident, dass die übriggebliebenen 779 Familien als rechtmäßige BesitzerInnen 12,44 Hektar Land am Boeung-Kak-Sees erhalten, um dort zu wohnen. Die Stadtverwaltung von Phnom Penh hat jedoch 96 der Familien aus den "Dörfern" 6, 22 und 24 davon ausgeschlossen, da diese laut den Behörden nicht innerhalb der 12,44 Hektar Land wohnen. Diese Interpretation der Anordnung des Ministerpräsidenten erscheint falsch und willkürlich. Die Familien, deren Behausungen und Geschäfte am 16. September zerstört wurden, gehören zu diesen 96 ausgeschlossenen Haushalten.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Seit dem Beginn der Aufschüttung des Sees wurden die BewohnerInnen von Polizeikräften und ArbeiterInnen des Bauunternehmens wiederholt bedroht und drangsaliert; zudem gab es immer wieder Versuche, die BewohnerInnen an Zusammenkünften und friedlichen Protesten gegen die rechtswidrigen Zwangsräumungen zu hindern. Als der Generalsekretär der Vereinten Nationen im Oktober 2010 zu einem Besuch anreiste, wurde eine friedliche Demonstration von AnwohnerInnen des Boeung-Kak-Sees von PolizeibeamtInnen unter Ausübung exzessiver Gewalt niedergeschlagen. Einer der Anwohner, Suong Sophorn, wurde bewusstlos geschlagen und von den Polizeikräften bis zum Ende des Besuchs des Generalsekretärs festgehalten. Er war bereits zuvor, im Jahr 2009, einmal festgenommen und zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt worden; damals hatte er mit Farbe "Stoppt die Vertreibungen" an sein Haus geschrieben.

Angaben der Stadtverwaltung von Phnom Penh zufolge soll das 133 Hektar umfassende Gelände in ein "attraktives Dienstleistungs- und Geschäftszentrum für inländische und ausländische Touristen" umgewandelt werden; darüber hinaus wurden bisher aber kaum zusätzliche Einzelheiten genannt. Die BewohnerInnen wurden vor Vertragsabschluss nicht konsultiert. Im Jahr 2008 berichteten einige VertreterInnen der Betroffenen gegenüber Amnesty International, dass sie erst aus Fernsehnachrichten von dem Vertragsabschluss und den Plänen erfahren hatten.

Die Anordnung vom 11. August, den BewohnerInnen 12,44 Hektar Land zur Verfügung zu stellen, wird zwar begrüßt. Aber für die tausenden betroffenen Familien, die bereits ihre Behausung und Lebensgrundlage verloren haben, ohne davor gemäß internationalem Recht angemessen beraten und informiert worden zu sein, kommt sie zu spät. Die Zwangsräumungen am Boeung-Kak-See stehen auch deshalb in der Kritik, da die Anwohnergemeinschaft und drei Nichtregierungsorganisationen eine Beschwerde gegen die Weltbank vorgebracht und sie aufgefordert haben, den Fall zu überprüfen. In der Beschwerde wird dargelegt, dass den AnwohnerInnen die Möglichkeit einer Eintragung ihrer Landrechte gemäß des von der Weltbank geregelten Landrechteprojekts "Land Management and Administration Project" (LMAP) verwehrt wurde, das zur Eintragung ebensolcher Rechte in Kambodscha entworfen wurde.

In ganz Kambodscha sind tausende Menschen von rechtswidrigen Zwangsräumungen, illegalen Landnahmen und Landstreitigkeiten betroffen, einige davon in Verbindung mit der Bewilligung von wirtschaftlichen Landnutzungsabkommen für mächtige Unternehmen und Einzelpersonen. Die Zahl der Menschen und Gemeinden, die bei den Behörden für ihr Wohnrecht protestieren und Gesuche einreichen, ist in den vergangenen Jahren gestiegen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Bitte klagen Sie die PolizeibeamtInnen, die Gewalt gegen Suong Sophorn angewendet haben, an und stellen Sie sicher, dass der Aktivist ausreichend medizinisch behandelt wird.

- Außerdem fordere ich Sie auf, weitere rechtswidrige Zwangsräumungen am Ufer des Boeung-Kak-Sees zu unterlassen.

- Stellen sie zudem sicher, dass die übriggebliebenen 779 Familien als rechtmäßige BesitzerInnen Grundstücke erhalten, wie es der Ministerpräsident angeordnet hat.


APPELLE AN

GOUVERNEUR
Kep Chuktema, Phnom Penh Municipality
#69 Blvd. Preah Monivong
Khan Daun Penh
Phnom Penh
KAMBODSCHA
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 855) 23 725 626
E-Mail: info@phnompenh.gov.kh

INNENMINISTER
Sar Kheng, Minister of Interior and Deputy Prime Minister,
#75 Norodom Blvd
Khan Chamkarmon
Phnom Penh, KAMBODSCHA
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 855) 23 721 905
E-Mail: moi@interior.gov.kh


KOPIEN AN

AUßENMINISTER
Hor Nam Hong, Minister of Foreign Affairs and International
Cooperation
No 3 Samdech Hun Sen Street
Sangkat Tonle Bassac
Khan Chamcar Mon
Phnom Penh
KAMBODSCHA
Fax: (00 855) 23 216 141

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS KAMBODSCHA
S.E. Herrn Widhya Chem
Benjamin-Vogelsdorff-Straße 2
13187 Berlin
Fax: 030-4863 7972
E-Mail: REC-Berlin@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Khmer, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 31. Oktober 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urge the authorities to bring to justice those police officials responsible for the beating of Suong Sophorn and ensure that he receives proper medical care for his injuries.

- Call on the authorities to stop any further forced evictions of the remaining Boeung Kak Lake residents.

- Call on the authorities to ensure that all the remaining 779 families are given housing plots and legal ownership according to the prime minister's order.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN (FORTSETZUNG)

Kambodscha ist Vertragsstaat verschiedener Abkommen zum Schutz der Menschenrechte, darunter auch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die rechtswidrige Zwangsräumungen und damit verbundene Menschenrechtsverletzungen untersagen. Daher muss die kambodschanische Regierung ihrer Bevölkerung Schutz vor rechtswidrigen Zwangsräumungen gewähren und bereits laufende Zwangsräumungen einstellen.

Eine Zwangsräumung ist dann rechtswidrig, wenn die Betroffenen weder frühzeitig darüber informiert noch konsultiert werden, wenn ihnen kein rechtlicher Schutz gewährt und keine angemessene alternative Wohnmöglichkeit zugesichert wird.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-063/2011-1, AI-Index: ASA 23/008/2011, Datum: 19. September 2011 - ns
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2011