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AKTION/941: Urgent Action - Saudi-Arabien- Demonstrant soll sich vor Gericht verantworten


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-059/2012, AI-Index: MDE 23/004/2012, Datum: 21. Februar 2012 - we

Saudi-Arabien
Demonstrant soll sich vor Gericht verantworten


Herr Khaled al-Johani, 40-jähriger Lehrer

Khaled al-Johani war der einzige, der anlässlich des "Tag des Zornes" am 11. März 2011 in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad an den Ort einer geplanten Demonstration gelangte. Jetzt soll er sich am 22. Februar vor Gericht verantworten. Amnesty International betrachtet Khaled al-Johani als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er friedlich von seinen Rechten auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht hat. Der 40-jährige Lehrer Khaled al-Johani war am 11. März 2011 von Sicherheitskräften in Riad festgenommen und inhaftiert worden. Einige Minuten zuvor hatte er der arabischen BBC ein Interview gegeben, in dem er unter anderem über die fehlenden Freiheiten in Saudi-Arabien sprach. Er war offensichtlich der einzige Demonstrierende, der trotz des großen Aufgebots an Sicherheitskräften an diesem Tag den Ort, an dem die Demonstration stattfinden sollte, erreicht hatte. Berichten zufolge wurde Khaled al-Johani anschließend des Erscheinens an einem Ort, an dem eine Demonstration stattfinden sollte und der Kommunikation mit ausländischen Medien "in einer Weise, die den Ruf des Königreiches schädigte" angeklagt. Er durfte weder einen Rechtsbeistand seiner Wahl benennen noch erhielt er eine Kopie der Anklagepunkte gegen ihn. Nach nahezu einem Jahr in Haft soll er sich nun am 22. Februar vor dem Sonderstrafgericht (Specialized Criminal Court) verantworten. Das Sonderstrafgericht wurde 2008 eingerichtet, um Häftlingen den Prozess zu machen, denen terrorismusbezogene Aktivitäten zur Last gelegt werden.

Khaled al-Johani soll zunächst im 'Ulaysha-Gefängnis festgehalten worden sein, wo er zwei Monate in Einzelhaft verbracht haben soll. Anschließend wurde er in das al-Hair-Gefängnis gebracht, wo ihn seine Familienangehörigen besuchen durften. Nach einer Auseinandersetzung mit Mithäftlingen wurde Khaled al-Johani Berichten zufolge im Februar erneut in Einzelhaft untergebracht. Er soll zudem an einem kalten Tag ohne Essen und warme Kleidung in einen Außenraum gesperrt worden sein. Weiterhin wird berichtet, dass Khaled al-Johani immer wieder von Gefängniswärtern beschimpft und bedroht worden ist und dass sich sein psychischer Zustand verschlechtert hat.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Demonstrationen werden von den saudi-arabischen Behörden im Allgemeinen nicht geduldet. Wer Protestveranstaltungen zu organisieren oder daran teilzunehmen versucht, wird meist festgenommen und ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Kaum einer der Gefangenen erhält die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Nachdem am 27. Dezember 2008 Demonstrationen gegen die Militäroffensive Israels in Gaza stattgefunden hatten, gab ein Sprecher des Innenministeriums Berichten zufolge am 30. Dezember 2008 das Verbot von Protestaktionen in Saudi-Arabien bekannt. Nach den Protesten Anfang März 2011 in al-Qatif (siehe UA-061/2011) gab das Innenministerium angesichts offenbar weiterer geplanter Protestkundgebungen am 5. März bekannt, das Demonstrationsverbot gelte auch weiterhin. In der Erklärung des Ministeriums hieß es, die Sicherheitskräfte würden "alle erforderlichen Maßnahmen" gegen Personen ergreifen, welche die öffentliche Ordnung zu stören versuchten.

Tags darauf betonte der Rat der Religionsgelehrten (Ulema) abermals das Demonstrationsverbot in Saudi-Arabien. Der Rat verbot und warnte vor Demonstrationen oder der Ausübung weiterer Mittel, die ihnen zufolge zu Uneinigkeit und Spaltungen in der Gesellschaft führen würden und daher keine geeigneten Ausdrucksformen für Reformforderungen oder Hinweise an die Regierung seien. Noch am selben Tag hob der Shura-Rat (ein vom König ernanntes Beratergremium) hervor, dass Maßnahmen zur Wahrung der Sicherheit im Königreich oberste Priorität hätten. Der Shura-Rat forderte die Bevölkerung auf, Aufrufe zu Demonstrationen, Sitzblockaden und Protestmärschen zu ignorieren und bezeichnete sie als unvereinbar mit den Grundprinzipien des islamischen Rechts.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, Khaled al-Johani unverzüglich und bedingungslos freizulassen, da er sich lediglich deswegen in Haft befindet, weil er friedlich von seinen Rechten auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht hat.

- Ich bitte Sie sicherzustellen, dass Khaled al-Johani, solange er sich noch in Haft befindet, nicht Opfer von Folter und anderen Misshandlungen wird. Ihm soll außerdem der regelmäßige Besuch seiner Familienangehörigen, ein Rechtsbeistand seiner Wahl und jegliche erforderliche medizinische Versorgung gewährt werden.

- Die Berichte darüber, dass Khaled al-Johani Opfer von Folter und anderen Misshandlungen geworden sein soll, besorgen mich sehr. Deswegen fordere ich Sie auf, eine umfassende, unabhängige und unparteiische Untersuchung diesbezüglich durchzuführen.


APPELLE AN

KÖNIG
His Majesty
King 'Abdullah Bin 'Abdul 'Aziz Al-Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Your Majesty/Majestät)
Fax: (00 966) 1 403 3125
(über das Innenministerium)

INNENMINISTER
His Royal Highness
Prince Naif bin 'Abdul 'Aziz Al-Saud
Ministry of the Interior
P.O. Box 2933, Airport Road
Riyadh 11134, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Your Royal Highness/Königliche Hoheit)
Fax: (00 966) 1 403 3125


KOPIEN AN

JUSTIZMINISTER
His Excellency Shaykh Dr Mohammed Bin Abdul kareem Al-Issa
Ministry of Justice
University Street
Riyadh 11137, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede : Your Excellency/Exzellenz)
Fax: (00 966) 1 401 1741

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S.E. Herrn
Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179 oder 030-8892 5176
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. April 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the authorities to release Khaled al-Johani immediately and unconditionally as he is being held solely for the peaceful exercise of his rights to freedom of expression and assembly.

- Urging the authorities, in the meantime, to ensure that Khaled al-Johani is protected from torture and other ill-treatment, and given regular access to family, a lawyer of his choice and any medical attention he may require.

- Expressing concern about reports that he was subjected to torture or other ill-treatment and calling on the authorities to open a full, independent and impartial investigation into them.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

KritikerInnen der saudi-arabischen Regierung drohen schwere Menschenrechtsverletzungen vonseiten der Sicherheitsdienste des Innenministeriums. Oft werden sie ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Anklage in Haft, manchmal auch Einzelhaft, gehalten und können weder Rechtsbeistände noch Gerichte einschalten, um die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung anzufechten. Folterungen und Misshandlungen werden ebenfalls oftmals angewendet und dienen dem Zweck, Geständnisse zu erzwingen, Gefangene, die keine Reue zeigen, zu bestrafen oder sie von weiteren kritischen Äußerungen über die Regierung abzuhalten. Oftmals werden Menschen so lange von der Außenwelt abgeschnitten in Haft gehalten, bis sie schließlich ein Geständnis ablegen. Der Zeitraum kann Monate, wenn nicht sogar Jahre betragen.

Saudi-Arabien ist Mitgliedsstaat des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das die Verwendung von durch Folter oder Misshandlung herbeigeführten Aussagen als Beweismittel verbietet. In Artikel 15 heißt es: "Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass Aussagen, die nachweislich durch Folter herbeigeführt worden sind, nicht als Beweis in einem Verfahren verwendet werden, es sei denn gegen eine der Folter angeklagte Person als Beweis dafür, dass die Aussage gemacht wurde."

Für nähere Informationen siehe den englischen Bericht:
Saudi Arabia: Repression in the name of security vom 1. Dezember 2011
(http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE23/025/2009/en).


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-059/2012, AI-Index: MDE 23/004/2012, Datum: 21. Februar 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2012