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ASIEN/211: Myanmar - Mit aller Gewalt gegen Mönche und Oppositionelle (ai journal)


amnesty journal 11/2007 - Das Magazin für die Menschenrechte

Mit aller Gewalt
Das Militärregime in Myanmar geht mit brutaler Härte gegen protestierende Mönche und Oppositionelle vor - mit stillschweigender Billigung der ASEAN-Staaten und Chinas.

Von Verena Harpe


Die Protestwelle brach unerwartet los und breitete sich rasch aus. Nachdem es fast zwei Jahrzehnte gespenstisch still um Myanmar gewesen war, sah man plötzlich weltweit Bilder von kahlrasierten Mönchen in purpurroten Kutten, die zu Zehntausenden auf die Straßen gingen. Sie protestierten friedlich und doch voller Zorn. Ausgelöst durch enorme Preissteigerungen für Benzin und Lebensmittel wurden die Massendemonstrationen schnell zu Kundgebungen gegen eines der repressivsten Regime der Welt.

Die Generäle, die vor 45 Jahren die Macht an sich rissen, sind berüchtigt für ihr hartes Durchgreifen. Die Junta hat das Land international völlig isoliert, wenig dringt nach außen. Myanmar, das früher Birma hieß, ist wirtschaftlich ruiniert. Einst das wohlhabendste Land Südostasiens und reich an Bodenschätzen, zählt es heute zu den ärmsten Staaten der Welt. Nur in zwei Bereichen liegt Myanmar bei weltweiten Rankings vorn: Korruption und Medienzensur.

Die Militärjunta schottet sich ab. Vor zwei Jahren ließ sie im Dschungel die neue Hauptstadt Pyinmana mit festungsähnlichen Regierungsgebäuden errichten. Die Machtverhältnisse in der Clique um den "Ersten General" Than Shwe sind unklar. Immer wieder verspricht die Junta einen Übergang zur Demokratie, während sie gleichzeitig mit aller Härte gegen jegliche Opposition vorgeht.

In den vergangenen Wochen haben sie nicht einmal vor den Mönchen halt gemacht, die über große moralische Autorität in dem buddhistischen Land verfügen. Etwa 400.000 Mönche leben in Myanmar, über die Jahrhunderte haben sie politisch eine wichtige Rolle gespielt. Das Regime achtete bislang darauf, zumindest pro forma die buddhistischen Ideale hochzuhalten. General Than Shwe stiftete Klöster und ließ sich betend vor Blumen-Arrangements fotografieren. Doch angesichts der protestierenden Massen in roten Roben war der Junta nichts mehr heilig. Die Armee eröffnete das Feuer auf Unbewaffnete, stürmte Klöster, verhaftete Tausende. Augenzeugen berichten von verlassenen Klöstern, viele Mönche wurden festgenommen oder konnten in letzter Minute fliehen. Wie viele Tote und Verletzte es tatsächlich gab, wird kaum zu ermitteln sein.

Vor 20 Jahren war die Weltöffentlichkeit nicht dabei, als sich die Menschen in Myanmar das letzte Mal auf die Straßen wagten, um für ihre Rechte zu demonstrieren. 1988 waren es die Studenten, die mit den Protesten begannen. Das Regime reagierte mit einem Blutbad, bei dem nach Schätzungen mindestens 3.000 Menschen umkamen. In einer groß angelegten Verhaftungswelle nahmen Polizei und Armee tausende Personen fest. Noch heute sitzen viele Studentenführer nach unfairen Verfahren hinter Gittern. Die Zahl der gewaltlosen politischen Gefangenen belief sich bereits vor den jüngsten Massenverhaftungen auf fast 1.200.

Folter, Hunger, praktisch keine medizinische Versorgung und Zwangsarbeit - die Bedingungen in den Gefängnissen von Myanmar sind berüchtigt und jedes Jahr sterben Menschen an den Folgen der Haft. Zum Beispiel der Studentenführer Thet Win Aung, der 1998 verhaftet wurde. Sein Verbrechen bestand darin, friedlich eine Bildungsreform und die Freilassung politischer Gefangener gefordert zu haben. Die Strafe: 52 Jahre Haft, später erhöht auf 59 Jahre.

Nach Folter, Einzelhaft, schwerer Krankheit und schließlich durch die haftbedingten psychischen Belastungen starb er im vergangenen Jahr im Alter von 35 Jahren völlig entkräftet im Gefängnis von Mandalay. Angesichts der desolaten Verhältnisse ist das Internationale Rote Kreuz, das Gefängnisse besucht und seine Kritik sonst in vertraulichen Gesprächen mit Regierungsstellen vorbringt, von diesem Grundsatz abgewichen und hat das Regime öffentlich verurteilt.

Doch die Junta bleibt bisher ungerührt. Für sie zählt allein der Machterhalt. Das zeigte sich auch 1990 bei den Parlamentswahlen, in denen die Oppositionspartei "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) unter der Führung von Aung San Suu Kyi über 60 Prozent der Stimmen gewann. Das Votum des Volkes wurde ignoriert und Suu Kyi, die 1991 den Friedensnobelpreis erhielt, steht seitdem - von kurzen Unterbrechungen abgesehen - unter Hausarrest.

Die führenden Köpfe der Opposition wurden ausgeschaltet, die NLD wird bis heute verfolgt. Um die Kontrolle zu bewahren, gewährt das Regime weder Presse- noch Versammlungsfreiheit. In den Medien war über die jüngsten Aufstände nur zu erfahren, dass sich die Militärregierung gezwungen sah, die "nationale Sicherheit" zu verteidigen.

Diese "Sicherheit" sieht die Junta auch durch die ethnischen Minderheiten im Lande bedroht, die sie seit Jahrzehnten bekämpft. Im Vielvölkerstaat Myanmar leben 135 verschiedenen Ethnien, wobei Nicht-Burmesen stark benachteiligt werden. Einige dieser Gruppen führen bewaffnete Auseinandersetzungen mit der Armee. Die Militärpräsenz in diesen Gebieten hat für die Zivilbevölkerung vor Ort fatale Auswirkungen. Hunderttausende Menschen sind bereits aus ihren Dörfern vertrieben worden, viele sind dabei ums Leben gekommen. Besonders dramatisch ist die Situation der etwa fünf Millionen Karen, die an der Grenze zu Thailand leben. Ihre Häuser werden niedergebrannt, das Vieh getötet und die Ernten vernichtet. Viele mussten mehrfach fliehen.

Doch kaum hatten sie sich an einem neuen Ort niedergelassen, wurden sie erneut von der Armee drangsaliert. Tausende Männer, Frauen und Kinder müssen für das Militär und im Straßenbau zwangsweise schwere körperliche Arbeit verrichten. Die Frauen sind den Soldaten schutzlos ausgeliefert, immer wieder kommt es zu Vergewaltigungen. Viele versuchen, vor Versklavung und Misshandlung zu fliehen. Allein in Lagern im thailändischen Grenzgebiet leben etwa 140.000 Flüchtlinge aus Myanmar illegal und unter elenden Bedingungen. Thailand schickt immer wieder Hunderte von ihnen zurück.

Doch nicht nur Thailand, auch die anderen Nachbarstaaten schauen stillschweigend den brutalen Machenschaften der Junta zu. Mit ihrer Passivität stützen sie die Militärdiktatur und ihr menschenrechtsverachtendes Regime. Nach den jüngsten Ereignissen sah sich der Verband südostasiatischer Staaten ASEAN, in dem Myanmar Mitglied ist, genötigt, zumindest rhetorisch kritischer gegenüber dem Regime aufzutreten.

Eine Schlüsselrolle als wichtigster Handelspartner und verlässlicher Waffenlieferant spielt der große Nachbar China. In den vergangenen Wochen wurde deutlich, dass China nicht bereit ist, seinen Einfluss auf das Regime geltend zu machen. Für die Volksrepublik, wie auch für andere Staaten, stehen Myanmars Rohstoffe im Vordergrund. Massiver internationaler Druck ist daher unerlässlich, wenn es nicht bald wieder gespenstisch still um das Land werden soll.

Die Autorin ist Südostasien-Expertin der deutschen ai-Sektion.


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Quelle:
amnesty journal, November 2007, S. 22-24
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2007