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FRAGEN/019: Interview mit der honduranischen Journalistin Dina Meza (ai journal)


amnesty journal 06/07/2013 - Das Magazin für die Menschenrechte

"Ich will weiterkämpfen"

Interview mit der honduranischen Journalistin Dina Meza von Ramin M. Nowzad



Die Journalistin Dina Meza engagiert sich in Honduras seit mehr als zwei Jahrzehnten für die Rechte der Bürger - und bringt sich damit selbst in Gefahr.


Frage: Sie leben derzeit in England. Warum haben Sie Ihre Heimat verlassen?

Dina Meza: Ich stand in Honduras seit Jahren unter immensem Druck - wie viele andere Menschenrechtsverteidiger auch. Es begann mit Drohbotschaften per SMS - auf meinem Handy gingen wiederholt Nachrichten ein, in denen mir sexuelle Gewalt angedroht wurde. Später merkte ich, dass man mich beschattete und mein Telefon rund um die Uhr abhörte. Ich fühlte mich regelrecht verfolgt. Als schließlich auch noch meine Kinder eingeschüchtert wurden, spürte ich, dass es Zeit war zu gehen. Jetzt besuche ich gemeinsam mit anderen Menschenrechtsaktivisten aus verschiedenen Ländern einen dreimonatigen Intensivkurs an der Universität York im Norden Englands. Dort bringt man uns bei, wie wir in unseren Heimatländern besser für unsere eigene Sicherheit sorgen können. Nach dem Ende des Kurses werde ich wieder nach Honduras zurückkehren. Es ist also ein Exil auf Zeit.

Frage: Seit mehr als zwanzig Jahren kämpfen Sie in Honduras für Menschenrechte. Gab es einen Auslöser für Ihr Engagement?

Dina Meza: Mich hat das Schicksal meines Bruders Víctor seinerzeit aufgeschreckt: Paramilitärs verschleppten ihn im Sommer 1989 in ein geheimes Foltergefängnis. Als er nach einigen Wochen wieder auftauchte, bezichtigte man ihn und sieben andere Entführte, Links-Terroristen zu sein. In der Folge kämpfte ich gemeinsam mit meiner Familie dafür, dass die Beschuldigten rehabilitiert würden. Schließlich trat ich der Menschenrechtsorganisation COFADEH bei, die sich um das Schicksal von Menschen kümmert, die in Honduras von Sicherheitskräften verschleppt worden sind. Nach einer längeren Unterbrechung bin ich nun seit vier Jahren wieder für COFADEH tätig.

Frage: Vor vier Jahren putschte das Militär in Honduras. Wie hat der Staatsstreich das Land verändert?

Dina Meza: Seit dem Putsch hat sich die Lage im Land drastisch verschlechtert. Honduras erlebt de facto eine Remilitarisierung der Gesellschaft. Die Grenzen zwischen Polizei und Militär verschwimmen immer mehr. Menschen werden bedroht, eingeschüchtert, entführt, inhaftiert und in unfairen Prozessen abgeurteilt. Inzwischen sind regelrechte Todesschwadronen aktiv, die gezielt Menschen verfolgen, die es gewagt haben, Kritik an den herrschenden Verhältnissen zu üben. COFADEH hat dokumentiert, dass seit 2009 mindestens 148 Menschen verschwunden sind oder getötet wurden. Die Opfer sind Journalisten, Gewerkschafter, Kleinbauern oder Umweltschützer. Und wer sich für die Verfolgten einsetzt, droht selbst verfolgt zu werden.

Frage: Im kommenden November wählt das Land einen neuen Präsidenten. Ein Grund zur Hoffnung?

Dina Meza: Nein. Ein paar einflussreiche Familien teilen sich die Macht, und sie werden es nicht zulassen, dass sich das politische System durch Wahlen grundlegend ändert. An den Wahlen wird zwar eine Partei des Widerstandes teilnehmen, die sich kürzlich gegründet hat - ihr Name ist "LIBRE". Allerdings wird die herrschende Oligarchie alles unternehmen, um der Partei das Rückgrat zu brechen. Bisher wurden bereits 27 Parteifunktionäre ermordet. Und ich fürchte, dass sich die staatliche Gewalt im Laufe des Wahljahres noch verschärfen wird.

Frage: Sie wollen trotzdem bald in Ihre Heimat zurückkehren. Setzen Sie sich damit nicht großer Gefahr aus?

Dina Meza: Mag sein. Aber ich will weiterkämpfen.

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Quelle:
amnesty journal, Juni/Juli 2013, S. 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2013