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MELDUNG/192: Deutschland lässt die Opfer rassistischer Gewalt in Stich


Amnesty International - Mitteilung vom 9. Juni 2016

Deutschland lässt die Opfer rassistischer Gewalt in Stich


09. Juni 2016 - Der deutsche Staat vernachlässigt seine menschenrechtlichen Verpflichtungen, indem er Geflüchtete und andere People of Color nicht ausreichend vor Diskriminierung und rassistischen Angriffen schützt. Das geht aus dem neuen Amnesty-Bericht "Leben in Unsicherheit: Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich lässt" hervor. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden sind auch fünf Jahre nach ihrem Versagen beim NSU-Skandal nicht in der Lage, entschieden gegen rassistische Gewalt vorzugehen, die sich mehr denn je gegen Flüchtlinge und andere People of Color richtet. "Die Zahl der erfassten rassistisch motivierten Angriffe ist so hoch wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik", sagt Selmin Çalιşkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland.

"Das Bild, das Deutschland aktuell abgibt, könnte widersprüchlicher nicht sein: Auf der einen Seite haben wir die großartige, mitfühlende Willkommenskultur, die geprägt wird vom Engagement Zehntausender ehren- und hauptamtlicher Helferinnen und Helfer. Auf der anderen Seite sehen wir, wie rassistische Ressentiments mit erschreckender Hemmungslosigkeit ausgelebt werden."

Oft brechen sich solche Vorurteile gewaltsam Bahn: "Die abstoßenden Angriffe traumatisieren Flüchtlinge und Asylsuchende, die ohnehin schon Krieg und Verfolgung durchleben mussten, bevor sie nach Europa geflohen sind", sagt Marco Perolini, Researcher bei Amnesty International und Hauptautor des Berichts. "Fast täglich kommt es zu rechten Übergriffen, werden Menschen beleidigt, bedroht, verletzt, wird eine Flüchtlingsunterkunft angegriffen."

Selmin Çalιşkan: "Amnesty fordert die Innenministerkonferenz dazu auf, ein bundesweites Konzept zum Schutz von Flüchtlingsunterkünften vor rassistischen Angriffen zu vereinbaren."

Gleichzeitig müssen die deutschen Strafverfolgungsbehörden rassistische Straftaten eben auch als solche behandeln. In dem Amnesty-Bericht finden sich zahlreiche Beispiele dafür, dass zum Beispiel Polizistinnen und Polizisten nicht erkennen, dass sie es mit einem Opfer rassistischer Gewalt zu tun haben.

"Die deutschen Strafverfolgungsbehörden haben aus ihrem Versagen beim NSU-Komplex wenig gelernt. Außerdem gibt es deutliche Hinweise darauf, dass deutsche Behörden ein Problem haben: institutionellen Rassismus - also das Unvermögen alle Menschen angemessen und professionell zu behandeln, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihres kulturellen Hintergrunds oder ethnischen Herkunft", so Çalιşkan.

Amnesty fordert daher die Bundesregierung dazu auf, unabhängig untersuchen zu lassen, inwieweit institutioneller Rassismus bei den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere in der Polizei, vorhanden ist und dieser die Ermittlungen bei rassistischen Straftaten behindert.


Vollständigen Bericht "Leben in Unsicherheit: Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich läßt" als PDF-Datei:
https://www.amnesty.de/files/Amnesty-Bericht-Rassistische-Gewalt-in-Deutschland-Juni2016.pdf

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Quelle:
Mitteilung vom 9. Juni 2016
https://www.amnesty.de/2016/6/9/deutschland-laesst-die-opfer-rassistischer-gewalt-im-stich?destination=node%2F2817
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2016

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