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NAHOST/194: Ägypten - Regierung lässt Hunderte "verschwinden" und foltern


Amnesty International - 13. Juli 2016

Ägypten: Regierung lässt Hunderte "verschwinden" und foltern


13. Juli 2016 - Staatliche Sicherheitsdienste haben in Ägypten seit Mitte 2013 Hunderte Menschen ohne rechtliche Grundlage festgenommen und für Tage oder auch Monate "verschwinden" lassen. Zu den Opfern gehören politische Gegnerinnen und Gegner der aktuellen Regierung, darunter auch Kinder. Dies dokumentiert ein neuer Amnesty-Bericht, in dem Zeuginnen und Zeugen von Folter durch Schlagstockhiebe und Elektroschocks erzählen.

Mindestens 34.000 Menschen sind in Ägypten seit der Amtsenthebung des früheren Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 nach unfairen oder auch gänzlich ohne Gerichtsverfahren inhaftiert worden, Hunderte wurden zum Tode verurteilt.

Der Amnesty-Bericht "Egypt: Officially, you do not exist: Disappeared and tortured in the name of counter terrorism" beschreibt, wie der ägyptische Staat rücksichtslos gegen Anhänger Mursis, Mitglieder der Muslimbruderschaft und andere Regierungskritikerinnen und -kritiker vorgeht.

"Seit dem Amtsantritt von Innenminister Magdi Abd el-Ghaffar im März 2015 ist die Zahl der Opfer des Verschwindenlassens deutlich gestiegen", sagt Ruth Jüttner, Ägypten-Expertin bei Amnesty International in Deutschland. "Staatliche Sicherheitsdienste, insbesondere der ägyptische Geheimdienst National Security Agency, nehmen unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung seit etwa 18 Monaten willkürlich politische Aktivistinnen und Aktivisten und Demonstrierende fest, unter ihnen befinden sich Studierende und Kinder. Die Gefangenen dürfen ihre Familien nicht sehen und auch mit keinem Rechtsbeistand sprechen", so Jüttner weiter. Nach Angaben lokaler Nichtregierungsorganisationen verschleppen Sicherheitskräfte pro Tag durchschnittlich drei bis vier Menschen und halten sie willkürlich für Tage oder auch Monate auf Polizeiwachen oder in Gebäudekomplexen des Geheimdienstes mitten in Kairo und Alexandria fest. "Viele Gefangene berichteten Amnesty von Folter durch Hiebe mit Schlagstöcken und Elektroschocks. Dem Verschwindenlassen fiel auch ein 14-jähriger Schüler aus Kairo zum Opfer, er wurde mitten in der Nacht aus der Wohnung seiner Familie verschleppt. Tagelang wurde der Junge ohne Kontakt zur Außenwelt auf einer Polizeistation festgehalten, wo ihn Vernehmungsoffiziere folterten und vergewaltigten", sagt Jüttner. Amnesty International fordert Präsident al-Sisi dazu auf, die von staatlichen Sicherheitskräften begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen zu stoppen. "Die Regierung muss verhindern, dass ihre Sicherheitsdienste weiterhin Menschen willkürlich festnehmen und foltern", so Jüttner. "Außerdem muss eine unabhängige Kommission die Menschenrechtsverletzungen untersuchen. Der ägyptische Staat muss die Verantwortlichen für das Verschwindenlassen und die Folter Hunderter Menschen zur Rechenschaft ziehen", so Jüttner.

Gleichzeitig muss die internationale Gemeinschaft zwei Dinge tun: Erstens muss sie Ägypten dazu drängen, sich wieder an internationale Menschenrechtsstandards zu halten. Zweitens müssen die Staaten Rüstungsexporte nach Ägypten stoppen, die für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verwendet werden können. Dazu gehören insbesondere Kleinwaffen, Munition und Überwachungstechnik.


Der vollständige englischsprachige Bericht "Egypt: Officially, you do not exist: Disappeared and tortured in the name of counter terrorism" kann als PDF-Datei herunterladen werden unter:
https://www.amnesty.org/en/documents/mde12/4331/2016/en/

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Quelle:
Mitteilung vom 13. Juli 2016
https://www.amnesty.de/2016/7/13/aegypten-regierung-laesst-hunderte-verschwinden-und-foltern?destination=node%2F2817
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2016

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