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AKTION/237: Offener Brief an Angela Merkel - Besuchen Sie die Kurden und Christen in der Südosttürkei!


Presseerklärung vom 22. Februar 2013

OFFENER BRIEF
an Bundeskanzlerin Angela Merkel

Besuchen Sie die Kurden und Christen in der Südosttürkei!
Freilassung von politischen Gefangenen durchsetzen!
Das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel retten!



Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

angesichts Ihres Staatsbesuches in der Republik Türkei am kommenden Sonntag, appelliere ich im Namen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an Sie, ein deutliches Zeichen für die Rechte der kurdischen Volksgruppe sowie der christlichen Religionsgemeinschaft in der Türkei zu setzen. Bitte besuchen Sie Diyarbakir, die heimliche Hauptstadt der Kurden im Südosten des Landes und erklären Sie der kurdischen Bevölkerung dort Ihre Verbundenheit. So können Sie der türkischen Regierung deutlich machen, dass die deutsche Öffentlichkeit den begonnenen Dialog zwischen dem türkischen Staat und Vertretern der Kurden unterstützt und den Friedensverhandlungen Erfolg wünscht. Die Türken und Kurden in der Türkei, aber auch in Deutschland sehnen sich nach einer friedlichen und gerechten Lösung der Kurdenfrage und wollen eine Aussöhnung.

In Ihren Gesprächen mit führenden Politikern der Türkei fordern Sie bitte eine sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen in der Türkei. Etwa 7000 Kurden sitzen aus politischen Gründen in türkischer Haft. Ohne jegliche Beweise wird ihnen vorgeworfen, der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK anzugehören.

Wir bedauern es außerordentlich, dass die türkische Regierung den Kurden im eigenen Land keine Selbstverwaltung und keine sprachliche und kulturelle Gleichberechtigung gewährt. Während Premierminister Recep Tayyip Erdogan in Deutschland für die Kinder der Migranten aus der Türkei - rund die Hälfte von ihnen kurdischer Volkszugehörigkeit - ein Netz türkischer Schulen fordert, haben die 15 Millionen Kurden in der Türkei bis heute keine einzige kurdische Schule. Die Anerkennung des Kurdischen als Schul- und Amtssprache in den überwiegend von Kurden bewohnten Gebieten ist eine wichtige Voraussetzung für eine Beendigung des türkisch-kurdischen Konflikts, der seit 1984 mindesten 45.000 Menschenleben gekostet hat.

Ein Besuch bei den syrisch-orthodoxen Christen in Südostanatolien, sehr geehrte Frau Merkel, ist auch für die 90.000 syrisch-orthodoxen Christen in Deutschland von großer Bedeutung. Diese Assyrer/Aramäer, die als Kriegs- oder Glaubensflüchtlinge nach Deutschland kamen und sich zwischenzeitlich vorbildlich integriert haben, wollen ihre Sprache und Kultur im Tur Abdin, in ihrer historischen Heimat, erhalten. Doch selbst ihre letzten Klöster dort sind in Bedrängnis geraten. Das Kloster Mor Gabriel beispielweise muss um sein Überleben kämpfen. Denn es wird versucht, dem Kloster die Ländereien zu rauben. Mor Gabriel ist eines der ältesten christlichen Klöster der Welt und eines der wenigen noch bestehenden geistlichen Zentren der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei. Bitte helfen Sie mit, dieses wichtige religiöse Kulturgut zu bewahren!

Mit freundlichen Grüßen
Tilman Zülch, Generalsekretär

*

Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 22. Februar 2013
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 060, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2013