Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

ASIEN/258: Afghanistan - Journalistik-Student seit 247 Tagen unschuldig in Haft


Presseerklärung vom 8. Juli 2008

Seit 247 Tagen unschuldig in Haft

Afghanische Journalisten setzen sich mit Protestaktionen für inhaftierten Kollegen ein


Mit Protestaktionen in der Haupstadt Kabul und in 19 Provinzen Afghanistans hat der Verband der afghanischen Journalisten und Schriftsteller am Dienstag ein faires Berufungsverfahren und die Freilassung des zum Tode verurteilten Journalistik-Studenten Sayed Parvez Kaambakhsh gefordert. In Kabul versammelten sich die Journalisten vor dem Obersten Gerichtshof und übergaben dem Höchsten Richter eine Petition zugunsten des politischen Gefangenen, berichtete die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV).

"Es ist ein Skandal für das demokratische Afghanistan und die internationale Staatengemeinschaft, dass dieser unschuldige gewaltlose politische Gefangene seit 247 Tagen inhaftiert ist", kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Das Berufungsverfahren des Journalistik-Studenten werde seit Monaten verschleppt, um seine Freilassung hinauszuzögern. Mehrfach habe Parvez berichtet, im Gewahrsam der Sicherheitskräfte gefoltert worden zu sein, um ein Geständnis zu erpressen.

Mit der Inhaftierung und Verurteilung von Parvez solle vor allem sein Bruder Sayed Yaqub Ibrahimi getroffen werden, ein angesehener Journalist und gefürchteter Kritiker der Warlords und ihrer Willkürherrschaft, sagte Delius. Parvez war am 23. Januar 2008 in einem Gerichtsverfahren, das auch Prinzipien des islamischen Rechts in Afghanistan nicht entsprach, "wegen Angriff und Beleidigung des Heiligen Propheten sowie wegen vorsätzlicher Verfälschung von koranischen Versen" zum Tode verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, einen Text unter Studenten der Balkh-Universität verbreitet zu haben, der den Islam beleidigte. Parvez bestreitet dies bis heute und erklärt, seine Unterschrift sei gefälscht worden.

Das Verfahren gegen Parvez hatte im Dezember 2007 begonnen. Der Rat islamischer Geistlicher der Provinz Balkh empfahl, ihn mit dem Tod zu bestrafen. Parvez erhielt in dem Gerichtsverfahren am 23. Januar 2008 keine Gelegenheit, sich zu verteidigen. Die Verhandlung dauerte nur vier Minuten und das Todesurteil lag bereits zur Unterschrift bereit. Doch Parvez legte weder ein Geständnis ab, noch unterschrieb er das Urteil.

Regierungen in aller Welt zeigten sich bestürzt von dem Unrechtsprozess. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsminister Franz Josef Jung äußerten ihre Besorgnis über das Verfahren.


*


Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 8. Juli 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2008