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ASIEN/598: Thailands Seenomaden stehen 10 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe vor dem Aus


Presseerklärung vom 22. Dezember 2014

10 Jahre Tsunami-Katastrophe in Thailand (26.12.)

Seenomaden und indigene Fischer leiden unter Tourismus-Boom



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat vor einem Untergang der Seenomaden und anderer indigener Gemeinschaften in Thailand gewarnt. "Zehn Jahre nach der Tsunami-Katastrophe stehen Jahrhunderte alte indigene Völker in Südostasien vor dem Aus. Denn der Tourismus-Boom nimmt ihnen den Zugang zum Meer, von dem sie traditionell leben", erklärte der GfbV-Asien-Experte Ulrich Delius am Montag in Göttingen. "Die Tsunami-Katastrophe vor zehn Jahren hat ihnen eine kurze Verschnaufpause im Überlebenskampf verschafft, aber auch ihre Bedrohung weiter verschärft. Denn nach der Katastrophe ebbte zwar für einige Jahre der Tourismus ab. Doch zugleich wurden ihre Landrechte immer häufiger in Frage gestellt". Dringend müssen die rund 19.000 Moken, Moklen und Urak Lawoi stärker in die Planung neuer Tourismusprojekte einbezogen werden, um den Untergang ihrer einzigartigen Kultur abzuwenden, forderte die GfbV.

Die traditionell während der Trockenzeit als Seenomaden lebenden Moken und Urak Lawoi sowie die vom Fischfang abhängigen Moklen, die an Land leben, verlieren immer häufiger den Zugang zum Wasser. In 15 der 41 Siedlungen von Seenomaden in Thailand eskalieren Auseinandersetzungen um Landrechte. Investoren machen Landtitel geltend, um die Urbevölkerung von den teuren Ufer-Grundstücken zu vertreiben.

Die Tsunami-Katastrophe war für die indigenen Völker Fluch und Segen zugleich. Denn auch sie wurden schwer getroffen von den tödlichen Flutwellen. Rund 60 Prozent ihrer Siedlungen wurden zerstört. Zwar konnten viele Ureinwohner ihr Leben retten, da sie die alarmierenden Zeichen vor den Flutwellen richtig deuteten und an höher gelegenen Stellen Zuflucht suchten. Doch viele ihrer Häuser wurden zerstört und Investoren sahen Chancen für neue Großprojekte. Doch zunächst brach der Tourismus für mehrere Jahre zusammen.

Seit dem Jahr 2005 hat sich die Zahl der Urlauber aber mehr als verdoppelt. Im Jahr 2013 besuchten 24 Millionen Touristen die Strände Thailands. Immer neue Hotels werden an den traditionell von indigenen Völkern genutzten Stränden errichtet. Für ihre Hütten bleibt dort kein Platz. Investoren verlangen mit Hilfe der Gerichte die Räumung der Strände. Nur wenige Moken und Moklen haben die finanziellen Mittel und Möglichkeiten, um vor Gericht für ihre Rechte zu kämpfen. Die meisten Ureinwohner geben dem Druck der Investoren nach und begnügen sich mit Eigentumstiteln an einem Bruchteil des ihnen zustehenden Landes. "Zum Überleben ist dies meist zu wenig, weil Fischer einen Zugang zum Meer benötigen", erklärte Delius. Auch werden die Hotels mit immer größeren Wällen vor Flutwellen gesichert, so dass die umliegenden Hütten der Seenomaden den Gefahren neuer Naturkatastrophen besonders ausgesetzt sind.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 22. Dezember 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2014


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