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ASIEN/634: China - Kein Umdenken bei Pressezensur nach Freilassung inhaftierter "Zeit"-Mitarbeiterin


Presseerklärung vom 10. Juli 2015

Freilassung der inhaftierten "Zeit"-Mitarbeiterin in China

- Kein Umdenken Chinas bei Pressezensur
- Anhaltende Verfolgung von Journalisten und Bloggern


Die Freilassung der aus politischen Gründen in China inhaftierten "Zeit"-Mitarbeiterin Zhang Miao deutet nicht auf eine Lockerung der Pressezensur in der Volksrepublik hin. Dies erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kurz nach ihrer Haftentlassung und dokumentierte zahlreiche Fälle jüngster Übergriffe auf in- und ausländische Journalisten in China. "Fast wöchentlich werden neue Einschüchterungen, Verhaftungen und unfaire Gerichtsprozesse gegen chinesische, tibetische und uigurische Journalisten und Blogger in China bekannt. Bei aller Freude über die seit langem überfällige Freilassung von Zhang Miao kann von einem Umdenken Chinas bei der Pressezensur keine Rede sein. Die Freiräume für eine kritische Berichterstattung nehmen auch aufgrund neuer Sicherheitsgesetze und Verschärfungen der Internetzensur weiter ab", erklärte der GfbV-China-Experte Ulrich Delius am Freitag in Göttingen.

Die am 2. Oktober 2014 festgenommene Zhang Miao war gestern Abend ohne Anklageerhebung nach neunmonatiger Haft freigelassen worden. "Nicht nur wegen der Proteste aus Deutschland sah man wohl von ihrer längeren Inhaftierung ab", erklärte Delius. "Denn ihre Festnahme und lange Haft waren bereits ausreichend, um in- und ausländische Journalisten einzuschüchtern und ihnen die Risiken einer allzu kritischen Berichterstattung zur Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong aufzuzeigen."

Doch die Verfolgung von Journalisten und Bloggern hält weiter an. Der in den USA lebende uigurische Journalist Shohret Hoshur wird mit der Festnahme seiner drei in China gebliebenen Brüder massiv unter Druck gesetzt, um seine kritische Berichterstattung für "Radio Free Asia" zu unterbinden. Sein Bruder Tudaxun wurde bereits zu fünf Jahren Haft verurteilt, gegen seine an Politik nicht interessierten Brüder Shawket und Rehim wurden wegen angeblichen "Verrats von Staatsgeheimnissen" am 28. Mai 2015 Geheimprozesse eingeleitet.

In Tibet wurde am 17.April 2015 der Blogger Jo Jayang festgenommen. Der 27 jährige hatte in zahlreichen Blogeinträgen die jüngsten Verhaftungswellen in Tibet kritisiert. Am 19. März 2015 war der tibetische Blogger Shokyang wegen seiner im Internet geäußerten Kritik inhaftiert worden. Der 25 jährige Blogger Tsering Dondrub wurde am 20. Juni verhaftet, weil er Material zum 80. Geburtstag des Dalai Lama über soziale Medien verbreitete.

In der Provinz Zhejiang wurde am 24. Juni 2015 die Bürger-Journalistin Yang Dongying festgenommen. Der für das unabhängige Nachrichtenportal "64 Tianwang" tätige Bürger-Journalist Lian Hunali wurde Ende März 2015 verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Festgenommen wurden auch die Tianwang-Journalisten Zhang Jixin, Wang Jing und Huang Qi. Bürger-Journalismus entstand vor allem als Antwort auf die zunehmende Selbstzensur von Journalisten, die staatliche Verfolgung fürchten.

Am 4. Juni 2015 wurde der Journalist Wu Youming in einem Geheimverfahren verurteilt. Insgesamt sind mindestens 28 Journalisten und 73 Blogger (ein Großteil Uiguren) in der Volksrepublik aus politischen Gründen in Haft. China belegt nur den 176. von 180 Plätzen im Pressefreiheitsindex der Organisation "Reporter ohne Grenzen".

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 10. Juli 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2015

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