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EUROPA/450: Zum 13. Jahrestag des Falls der UN-Schutzzone Zepa


Presseerklärung vom 27. Juli 2008

13. Jahrestag des Falls der UN-Schutzzone Zepa (27.07.1995)

Von Karadzics Schergen ermordet? Das tragische Schicksal des "Retters von Zepa"bis heute ungeklärt - eine weitere Tragödie Ostbosniens!


Anlässlich des 13. Jahrestages des Falls der ehemaligen UN-Schutzzone Zepa in Ostbosnien am 27. Juli 1995 erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker die Internationale Gemeinschaft an das Verschwinden des Kommandeurs Avdo Palic. Wir fordern von der Bundesregierung, den Staaten Westeuropas und Nordamerikas die sofortige Aufklärung seines Schicksals, heißt es in dem Schreiben von Generalsekretär Tilman Zülch, das am Montag ausgesendet wird.

Zepa, ursprüngliche Einwohnerzahl 2.400, lag in einem Canyon, der von dem Grenzfluss Drina umflossen, durch hohe Berge geschützt und von etwa 2.000 Männern verteidigt wurde. Während der Jahre 1992/1993 flüchteten weitere etwa 30.000 muslimische Bosnier der umliegenden ethnisch gesäuberten Städte und Dörfer in den Canyon. In ihren Heimatorten hatten serbische Truppen meist genozidartige Verbrechen begangen. Nach Erklärung zur entmilitarisierten UN-Schutzzone mit ukrainischer Besatzung wurde der Großteil der Flüchtlinge nach Restbosnien evakuiert. Zurück blieben etwa 6.500 Menschen der UN vertrauend im Canyon zurück. Die Versorgung der Bevölkerung durch die UN war ungenügend, die medizinische Versorgung meist nicht präsent, zahlreiche Amputationen wurden von medizinischen Laien vorgenommen. Die UN-Truppen verweigerten über Monate die Kommunikation mit dem über 80 km entfernten Restbosnien. Ein Funkgerät mit Energie betrieben durch die Pedalen eines umgedrehten Fahrrades, war die einzige Verbindung nach Außen. Ein größerer Teil der Menschen musste in Höhlen aus Kiefernzweigen und Erde gefertigt leben. Die meisten Häuser waren zerstört.

Kommandeur Avdo Palic gelang es nach dem Fall Srebrenicas und der Ausrottung der Männer und männlichen Jugendlichen der Stadt, durch Verhandlungen mit dem serbischen Oberkommando den Fall der Enklave Zepa bis zum 27. Juli 1997 herauszuzögern. So konnte die Evakuierung der Frauen, Kinder und Alten nach Restbosnien am 24. und 25. Juli erfolgen. Am 27. Juli wurde der letzte Konvoi mit 802 Frauen und Kindern blockiert und Zepa erobert. Einzelne versteckte Männer wurden aus den Konvois selektiert.

Avdo Palic hatte allerdings zuvor den etwa 2.000 Männern und Jugendlichen den Befehl gegeben, sich in die undurchdringliche Bergwelt der Umgebung zu verstecken. Während der letzten Verhandlungen über das Schicksal der Männer, wurde Palic, vor den Augen der ukrainischen Soldaten verhaftet und zuletzt im Gefängnis Vanekov Mlin gesehen, ist bis heute verschwunden. 850 der Männer flüchteten über den Fluss Drina nach Serbien. Etwa weitere 800 wurden auf der Flucht aufgegriffen und in den bosnischen Distrikten Rogatica, Han Pjesak und Foca in Lager gesteckt oder sie erreichten das freie Territorium bei Kladanj. Bis zu 40 Einwohner Zepas wurden beim serbischen Einmarsch ermordet. Die Gefangenen in Serbien wurden aufgrund eines Befehls von Milosevic in die USA, nach Australien und nach Irland evakuiert.

Die genaue Zahl der Opfer von Einwohnern der Schutzzone und dorthin Geflüchteten ist unbekannt. Etwa 350 Namen ersterer sind heute bekannt.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen/Sarajevo, 27. Juli 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2008