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EUROPA/484: Bosnien - Vertrag von Dayton ist für aussichtslose Situation verantwortlich


Presseerklärung vom 8. Oktober 2009

"Emergency Bosnia Meeting" in Sarajevo (09.10.2009)

Vorwürfe gegen EU und USA: Vertrag von Dayton ist für aussichtslose innenpolitische Situation in Bosnien verantwortlich


Anlässlich des morgigen "Emergency Bosnia Meeting" zwischen dem stellv. US-Außenminister James Steinberg und dem schwedischen Außenminister Carl Bildt als EU-Repräsentant in Sarajevo hat die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) schwere Vorwürfe gegen die Europäische Union, die USA, aber auch gegen den früheren deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl und den ehemaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac erhoben. Sie hätten die aussichtslose innenpolitische Situation in Bosnien-Herzegowina, die auf dem Dringlichkeitstreffen am Freitag diskutiert werden soll, durch den Vertrag von Dayton 1995 bewusst herbeigeführt.

Statt damals die Einheit des Landes mit seiner 500-jährigen multireligiösen Tradition wiederherzustellen, sei den für den Krieg und Völkermord verantwortlichen Tätern in die Hände gearbeitet worden. Ihnen sei das von dem Kriegsverbrecher Radovan Karadzic eroberte Territorium als Teilrepublik Srpska überlassen worden, obwohl sie für Massenvertreibung und Flucht der nicht-serbischen Bevölkerung, Massenvergewaltigungen, die Errichtung von Konzentrations-, Internierungs- und Vergewaltigungslager, zahlreiche Massaker - unter vielen anderen auch in Srebrenica - sowie die Aushungerung und Bombardierung von fünf UN-Schutzzonen verantwortlich waren. Sowohl der Internationale Gerichtshof als auch das UN-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag hätten Armee und Polizei der "Republika Srpska" für den Genozid verantwortlich gemacht.

Die GfbV wirft den Unterzeichnern des Dayton-Abkommens außerdem vor, keine nennenswerten Schritte unternommen zu haben, um die vollständige Rückkehr der nichtserbischen Bevölkerung der Republika Srpska durchzusetzen. 60 Prozent der Bevölkerung wurden durch den Völkermord vertrieben, nur sechs Prozent konnten zurückkehren.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert:

a) die beiden Teilstaaten, die Republika Srpska und die "Bosnisch-kroatische Föderation" aufzulösen und durch ein rationales System von Regionen nach ökonomischen, historischen und geographischen Prinzipien zu ersetzen.

b) das Wahlgesetz so zu ändern, dass die Bürger Bosnien-Herzegowinas nicht länger gezwungen werden, Repräsentanten ihrer eigenen ethnischen Gruppe wählen zu müssen.

c) die Teilung der Stadt Sarajevo aufzuheben.

d) alle mutmaßlichen Kriegsverbrecher aus dem Justizwesen der Polizei und Regierungsorganen zu entfernen und vor Gericht zu stellen sowie die Festnahme des Serbenführers Ratko Mladic und seine Auslieferung an das Tribunal in Den Haag durch Serbien durchzusetzen.

e) ein neues Rückkehr-Programm aufzulegen, das allen Flüchtlingen und Vertriebenen ermöglicht, wieder in ihren Heimatorten zu leben.

f) die Aufnahme der Republik Bosnien-Herzegowina in die EU schnell voranzutreiben und ihre Bürger schon jetzt in die geplante Visaliberalisierung einzubeziehen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 8. Oktober 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2009